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dings pedantisch, glücklicherweise auch nicht durchgeführt. Solche paedagogische Unterweisungsarten müssen dem mündlichen Unterrichte vorbehalten bleiben, anderwärts bringen sie allzu viel Ballast.

1 b. Die Verfasser von Werken über Elementar-Mathematik scheinen fast immer in Betreff der Titelwahl des arithmetischen Theiles in einiger Verlegenheit zu sein. So schreibt hier Hr Féaux: Buchstabenrechnung und Algebra', Hr Kambly: Arithmetik und Algebra'. Der einfachste und beste Titel ist unstreitig elementare Arithmetik' oder auch blos 'Arithmetik', da sich elementar für ein Schulbuch von selbst versteht. Der von Hrn Fé aux gewählte Titel ist für seinen Stoff offenbar zu eng, während bei Hrn Kambly der Zusatz Algebra' überflüssig ist. Es ist als wenn die Herren den Titel Arithmetik als einen nicht fest umgrenzten umgehen wollten. Die Sache ist unseres erachtens jedoch ziemlich einfach. Wenn man freilich von discreten und stetigen Gröszen spricht als seien sie selbständige Gegenstände oder zum mindesten Abstracta selbständiger Dinge, so wird es schwer halten, einen angemessenen Begriff von elementarer Arithmetik zu geben. Anderes tritt dagegen ein, wenn man erwägt dasz die wirkliche Körperwelt ebensowol Gegenstand der Mathematik ist als der Physik beispielshalber: denn dann musz man die Begriffe Geometrie und Arithmetik in einem mehr methodologischen Sinne auffassen, dann ist elementare Arithmetik die Summé aller der Kenntnisse, die zur Bewälti-. gung der elementaren Geometrie ausreichen. Somit gehört nur die Lehre von den sieben Grundoperationen, so wie die der algebraischen Gleichungen ersten und zweiten Grades in ein Schulbuch der Arithmetik. Hr Féaux ist über diese Begrenzung durch Aufnahme der Kettenbrüche und der Elemente der Combinationslehre hinausgegangen. Dasz die Combinatorik nicht in die Elementar-Arithmetik gehört, wird man leicht zugeben: denn das Binomialtheorem kann man sehr wol ohne dieselbe beweisen, und anderweitig hat sie nur Bedeutung für die combinatorische Analysis, ist also eine Einleitung zu dieser und musz mit ihr vereint bleiben. Die Kettenbrüche werden viele mit dem Verfasser nicht entbehren wollen, und dennoch wird man zugeben, dasz sie zur eigentlichen Zahlenlebre gehören und weiter keine Anwendung finden als bei den Diophantischen Gleichungen, die nur als Merkzeichen für den Schlusz der elementaren Arithmetik ein leichtes eingehen verdienen. Wenn man die Kettenbrüche den Gymnasien erhalten will, so musz man auch die Congruenzen ersten Grades hinnehmen, was, so viel dem Referenten bekannt, nur zuweilen in einem Gymnasium zu Berlin geschieht.

In allen 4 Theilen von Nr 1 tritt des Verfassers Bestreben, ein getreues Abbild des mündlichen Unterrichts zu geben, merklich hervor, nirgends aber in so starkem Masze als in der Buchstabenrechnung usw., deshalb wollen wir an dieser Stelle gerade diesen Punkt etwas näher ins Auge fassen. Wenn man das Bewustsein und vielleicht auch die öffentliche Anerkennung besitzt, ein guter Lehrer zu sein, so ist das bezeichnete Bestreben gewissermaszen natürlich. Gewichtige Be

denken treten ihm jedoch entgegen. Zunächst ist ein Schulbuch nie in den Händen der Schüler allein, sondern auch in denen des Lehrers: je mehr subjective Momente dasselbe also in sich faszt, desto mehr wird der unterrichtende entweder gehemmt oder aber veranlaszt von dem Lehrbuche sich zu entfernen und dasselbe so für die Schüler untauglich zu machen. Mit einer solchen mehr oder minder gröszeren Nachahmung des mündlichen Vortrags ist stets auch ferner eine gewisse Formlosigkeit verbunden, die der wissenschaftlichen Darstellung immerhin einigen Abbruch thut. Und doch soll das Lehrbuch dem Schüler Muster der Darstellung sein, vor allem das mathematische Lehrbuch. Wenn nun Hr Fé aux in seiner Buchstabenrechnung und Algebra so weit geht, dasz er sogar verwandtes von einander trennt, um die Anordnungen darzulegen, in denen er die einzelnen Abschnitte seinen Schülern vorführt, so thut er um so gröszeres Unrecht, als er nicht einmal durch sein Rechenbuch, um eine Specialität anzuführen, bewogen werden konnte die Gleichungen des ersten Grades in den Cursus der Tertia zu verlegen, d. h. getrennt von den Gleichungen zweiten Grades sofort auf die Division buchstäblicher Gröszen folgen zu lassen. Wenn man allerdings im Rechenunterrichte leichtere Aufgaben anfangs nach der Schluszrechnung, dann weiterhin, ein höheres Ziel im Auge haltend, nach der Methode der Gleichungen hat rechnen lassen, so ist es ganz angemessen, im Unterrichte der Tertia sofort die Gleichungen des ersten Grades theoretisch und praktisch zu lehren, um die in Quinta und Quarta gegebene Vorbereitung zu verwerthen: damit ist aber noch lange nicht zugegeben, dasz eine solche Anordnung im Lehrbuche ebenfalls Platz greifen müsse. Uebrigens hat Gallenkamp in seinem Lehrbuche für ein solches Verfahren schon die gebührende Antwort gegeben. Wenn endlich der Verfasser zur Vertheidigung seiner breiten und, wie wir hinzusetzen müssen, wissenschaftlich etwas formlosen Darstellung anführen sollte, dasz die praktische Methode, deren er sich im allgemeinen belleiszigt habe, eine solche nothwendig mache, so müssen wir ihm auch hier das Gallenkamp'sche Lehrbuch als Gegenbeweis entgegenhalten. Es ist nicht unsere Ansicht, dasz diese allgemeinen Bemerkungen, insoweit sie die Féaux'sche Buchstabenrechnung usw. treffen, derselben groszen Abbruch thäten, indessen wird der Verfasser zugeben müssen, dasz seine Arbeit dadurch einen minder günstigen Eindruck macht, was oft genug für ein Werk dieser Art entscheidend ist.

So im allgemeinen; im besonderen haben wir noch folgende Erinnerungen zu machen. Mit Freuden haben wir wahrgenommen, dasz Hr Féaux die Ausgangspunkte mit einiger Leichtigkeit behandelt und von keinen eingebildeten Schwierigkeiten wissen will. Zweierlei haben wir nur auszusetzen. Die negativen Zahlen sind nicht Symbole widersinniger Forderungen, weder ihrer Entstehung noch ihrer Bedeutung nach. (-7) heiszt für sich alleinstehend das Resultat einer Subtractionsaufgabe, in welcher der Minuendus kleiner als der Subtrahendus ist, also eine Differenz, die vom Subtrahendus subtrahiert werden

musz, damit der Minueudus herauskomme. So hat man eine rein arithmetische Operation, die eben so zulässig ist als die gewöhnliche. Auf der andern Seite dienen die negativen Zahlen als Symbole von benannten Zahlen, sind also durchaus nicht Symbole widersinniger Forderungen. Ich erinnere nur an den Satz aus den Elementen der Physik mehrere in derselben Richtung wirksame Kräfte halten sich das Gleichgewicht, wenn die Summe aller o ist, oder die Gleichgewichtsbedingung aller Kräfte, die in angegebener Weise wirksam sind, ist (P) = 0, in welcher Formel bekanntlich negative Kräfte, d. h. Kräfte welche in einem ziehenden Sinne, im Gegensatze zu anderen, welche in einem schiebenden Sinne wirksam sind, zum Vorschein kommen müssen. Und hieran schlieszt sich dann unser zweites Bedenken. Negative Zahlen hat man deshalb eingeführt, um die Subtraction als selbständige Rechnungsart überflüssig zu machen. Das geht schon aus dem so eben gesagten hervor. Deshalb darf aber auch die alte Regel die Subtraction wird in eine Addition durch Umwandlung der Zeichen des Subtrahendus in die entgegengesetzten verwandelt' nicht unterdrückt werden. Hr Féaux hat diese Regel allerdings, jedoch so verschleiert, dasz man schwerlich nach seiner Anleitung das Resultat von (+8) (→ 7) finden würde: und was noch bei weitem wichtiger ist, Hr Fé aux hat den Beweis nicht, dasz (+ 8) − (− 7)= (+8) + (+7). Die Progressionen behandelt der Verfasser als arithmetische Reihen mit constanten Differenzen oder constanten Quotienten durchaus sachgemäsz; es ist nur zu bedauern, dasz er ihnen trotz des neuen Namens den alten Platz gelassen. Es gehört nemlich der Begriff der Proportion fernerhin nur noch als historische Antiquität in die Arithmetik hinein, und die Progressionen müssen sofort an die Division complexer Gröszen und der durch sie bedingten Reihenentwicklung angeschlossen werden. Dieses Verfahren ist um so gerechtfertigter und keiner Schwierigkeit anheimgegeben, wenn man, wie Hr Fé aux mit Recht es thut, den Begriff des Exponenten zugleich mit dem des Çoofficienten, abgesondert von der Potenzenlehre, in Betracht zieht. In der Lehre von den Gleichungen fehlt der Begriff der Determinante, so wie wir auch hier nicht unbemerkt lassen wollen, dasz die Kettenbrüche nicht zur Auflösung der Diophantischen Gleichungen benützt werden. Das bekannte Divisionsverfahren ist zwar mit dem durch die Kettenbrüche bewirkten identisch, indes hätte der Verfasser diese wichtigste Anwendung der Kettenbrüche, wenn er dieselben einmal für den elementaren Unterricht nothwendig hielt, gewis nicht fehlen lassen dürfen. In der Potenzenlehre musz das Binomialtheorem sofort Berücksichtigung finden: die Entwicklung von (a - b)" ist eben so wichtig als die von (a + b)"; auch durften die Formeln für (a + b)-n (entwickelt durch

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(a + b)"

-) und von (a + b) und (a + b) nicht fehlen. Wenn bei den Logarithmen deren Berechnung durch die Potenzentafel gelehrt worden, so verdiente die elementarste Weise der Berechnung durch das arithme

tische und geometrische Mittel ebenfalls eine Erwähnung. Endlich vermissen wir noch die Entwicklung von Va+Vb und a+ib.

(Fortsetzung folgt.)

Neustadt in Westpr.

H. Fahle.

5.

Neues vom turnen und von der Gesundheitspflege in den Schulen.

'Unsere Zeit wird schon lange nicht mehr verletzt durch den Anblick einer Jugend, die immer schwächer und kleiner, im Aussehen immer falber und matter wird, wenn sie nur recht viel lernt und arbeitet.'

Prof. Thaulow in s. 'Gymnasial-Paedagogik.'

Indem wir für die Leser dieser Blätter eine Uebersicht geben von den neuerdings erschienenen Schriften über turnen und Gesundheitspflege in den Schulen, nehmen wir Bezug auf unsere früheren Referate über denselben Gegenstand.

Die Einsicht in die hier einschlagende Litteratur musz uns davon überzeugen, dasz die Gymnastik nach ihrer inneren Durchbildung wie nach ihrer äuszeren Verbreitung und Einordnung bei den Schulen sich überall auf dem Wege eines erfreulichen Fortschrittes befindet, auf dem sie zwar langsam aber sicher ihrer Bestimmung entgegengeführt wird.

Unter den Stimmen, die sich neuerdings in Angelegenheiten des lurnens bei den Gymnasien vernehmen lieszen, wäre besonders die des Professor Thaulow hervorzuheben, welcher in seiner Schrift: 'die Gymnasial - Paedagogik im Grundrisse, Kiel 1858' die Gymnastik aus zwei Gründen als unentbehrlichen Unterrichtsgegenstand besonders für Gymnasien erklärt.

Jemehr nemlich, behauptet Prof. Thaulow, einerseits bei der Gymnasialjugend eine gröszere Reizbarkeit des Nervensystems und Gefahr der Unterdrückung der Gesundheit vorhanden wäre, um so mehr müsse durch künstliche Ausbildung des Muskelsystems das Gegengewicht gehalten werden. Zweitens, je mehr die Bestimmung des Gymnasiums die sei, dasz die aus ihm hervorgehenden die leitenden würden, diese aber gerade durch ihre Persönlichkeit den Einflusz auf die Menge ausüben sollten, um so mehr sei Sicherheit, Gewandtheit und Schönheit der Erscheinung von Bedeutung. Die Gymnastik sei Herschaft des Geistes über die Natürlichkeit. Anfangs- und Endpunkt der Gymnastik wären genau fürs Gymnasium gegeben; fechten, stoszen, schieszen dem Charakter der Primaner entsprechend, ganz abgesehen davon, dasz dann der Misbrauch der Waffen auf Universitäten von selbst aufhört; der Anfang für die Gymnastik für die unterste Klasse die erste Gruppe der Gymnastik, die der Fuszbewegungen, die fundamentale

a) gehen, b) laufen, c) springen in der Mannigfaltigkeit der Arten; die zweite Gruppe die der Armbewegungen: a) heben, b) schwingen, c) werfen; die dritte Gruppe die der totalen Körperbewegungen; die Primaner Vorturner und wo möglich die Lehrer selbst.

Mit diesen Forderungen gibt Prof. Thaulow nicht unwichtige Andeutungen für den Gymnasial - Turnlehrer, wenn es gilt eine rationelle Anordnung der Turnübungen zu treffen. Die angedeutete Ordnung der Uebungsarten hat nemlich ihren physiologischen Grund, indem beim ersten Jugendalter die bildende Thätigkeit im Körperleben so vorherschend ist, dasz Turnübungen, welche die vegetativen Functionen anregen und fördern, ganz angemessen sind, während mit der fortschreitenden Entwicklung die festere Bildung der edleren Organe nun auch Turnübungen zuläszt, die mit einer energischen Thätigkeit der Athmungswerkzeuge wie der wichtigsten Organe der Blutcirculation verbunden sind...

Auch $317 des Thaulow 'schen Werkes ist beachtenswerth: 'besonders zur Zeit der beginnenden Pubertät nach Beendigung der geistigen Arbeiten ist täglich Abends eine Uebung der Knochen und des Muskelsystems nöthig, damit der für Knochen, Hirn und Rückenmark bestimmte plastische Stoff nicht einseitig den Geschlechtstheilen zugeführt wird und in ihnen eine unnatürliche Aufregung hervorbringt. Wenn die in der Jugend so furchtbar grassierende und das Menschengeschlecht schlieszlich noch gänzlich um ihr Mark bringende geheime Sünde weichen soll, so werden jedenfalls Diätetik und Gymnastik zu Hülfe gerufen werden müssen.'

Sehr häufig hört man bei Gymnasien die Klage, dasz keine Zeit' für das turnen übrig bliebe, und so hat sich in den meisten unserer Schulmonarchien jene heillose Begriffsverwirrung bei lehrender wie bei lernenden mit dem versäumen entwickelt, wonach man sich förmlich Vorwürfe macht, wenn ja einmal eine Stunde zum spazierengehen, turnen oder spielen verwendet wurde.

Wenn aber bei den Gymnasien die Jünglinge Tag für Tag mit wissenschaftlichen oder sprachlichen Lectionen oder mit schriftlichen Arbeiten auf die Schulbank oder das Arbeitszimmer gebannt werden, ohne dasz ein Stündchen der freien Bewegung in Gottes freier Natur, dem heiteren Spiele oder der wolthätigen Körperübung gewidmet wird, das ist Versäumnis. Professor Thaulow würdigt jene naturgemäsze Forderung mit den Worten; 'die erste Stimme bei der Frage über das Masz der Unterrichtsgegenstände gebührt dem Arzt und Psychologen. Diese werden sagen: wollt ihr ein starkes, gesundes, schönes und im Mannesalter groszes leistendes Geschlecht, so ist sehr viel erforderlich, aber zuerst Respect vor den physischen Gesetzen, durch welche die geistige Entwicklung des Erdensohnes bedingt ist, und sie werden uns diese Gesetze mit Rücksicht auf die Schulen kurz so charakterisieren, dasz

1) der Knabe bis zur Pubertät 8-9 Stunden Schlaf bedarf, dasz er früh zu Bett und früh wieder aufstehen müsse, dasz er

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