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UEBER VERFASSER UND ENTSTEHUNGSZEIT

EINIGER

ALLITERIRENDER GEDICHTE

DES ALTENGLISCHEN

von

DR. MORITZ TRAUTMANN,

DOCENT AN DER UNIVERSITAET LEIPZIG.

HALLE /S.

MAX NIEMEYER.

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UEBER VERFASSER UND ENTSTEHUNGSZEIT EINIGER ALLITERIRENDER GEDICHTE DES

ALTENGLISCHEN.

1. Wilhelm von Palermo und das Alexander-
bruchstück A.

Der erste band der Extra Series der Early English Text Society ist von seinem herausgeber W. W. Skeat betitelt worden: The romance of William of Palerne, translated from the French at the command of Sir Humphrey de Bohun, about a. d. 1350; to which is added a fragment of the alliterative romance of Alisaunder, translated from the Latin by the same author, about a. d. 1340." Skeat stellt in diesen worten zwei behauptungen auf, denen zwar noch niemand widersprochen hat, die aber darum nicht weniger anfechtbar sind: ich leugne, dass das Alexanderbruchstück A1) vom verfasser des Wilhelm von Palermo herrührt, und ich halte es für unwahrscheinlich, dass dieses Alexanderbruchstück früher geschrieben ist als der Wilhelm von Palermo.

Skeat gründet seine erste behauptung

dieselbe war

schon vor ihm von Sir Frederick Madden aufgestellt worden auf die ausserordentliche ähnlichkeit" des Wilhelm von Palermo

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1) Alliterirende Alexanderbruchstücke sind bekanntlich drei erhalten: das erste (A) in ms. Greaves 60, das zweite (B) in ms. Bodley 264, das dritte (C) in ms. Ashmole und etwas kürzer in ms. Dublin. D. 4, 12. Alle drei sind erst einmal herausgegeben worden, und zwar A 1867 zugleich mit dem W. v. P., B und C (das letztere nach ms. Ashmole) 1849 von Stevenson für den Roxburghe Club.

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und des Alexander A im dialekt, im wort- und phrasengebrauch, im stil und im versbau1). Wären die beiden gedichte in den genannten dingen wirklich ausserordentlich ähnlich, dann dürften wir allerdings nicht zweifeln, dass sie denselben mann zum verfasser haben; denn gleiche sprache, gleicher stil und gleicher versbau weisen so sicher auf die nämliche feder hin, dass ein irrtum kaum möglich ist. Aber es ist nichts mit jener „ausserordentlichen ähnlichkeit"; aus dem folgenden, hoffe ich, wird dies mit aller nur wünschenswerten bestimmtheit hervorgehn.

Dialekt. Das zuverlässigste unterscheidungszeichen für die altenglischen dialekte liegt nach den bis jetzt gewonnenen ergebnissen in den personalendungen des praesens; wir werden daher in erster linie die in den beiden gedichten vorkommenden praesensformen ins auge zu fassen haben.

Die erste person sing. endigt im W. wie im Al. A in der regel auf e, weniger oft entbehrt sie der endung: W. praye 248, hope 256, coniure 283, make 434, understande 947; weld 282, trow 299, gif 956. Al. A warne 763, beholde 1052, desyre 1064, knowe 1068, cease 1109; karp 172, bed 457.

Die zweite person sing. endigt in beiden gedichten meist auf est, seltener auf es: W. louest 284, komest 330, knowest 331, kupest 603; knowes 366, waltres 947. Al. A quemest 593, lookest 1051; kipes 509, grendes 510.

Die dritte person sing. hat im W. wie im Al. A die endungen es (wofür hin und wieder is und us) und ep, und zwar bei weitem am öftesten es: W. comes 8, falles 14, fulwes 33, ponkes 63, askes 69, leuis 525, sittus 446; longep 143, wendep 408, lastep 537. Al. A keeppes 106, fares 108, attles 109, grauntes 207, likes 651; asketh 65, liketh 649.

Die drei personen des plural gehen bald auf en bald auf e aus: W. we walken 2563, ye louen 162, þei tellen 7; we finde 1831, ye knowe 2672, pei singe 23. Al. A ye lengen 1, pei karpen 558; pei saye 595. Für en treten im W. vereinzelt das südenglische ep und das nordenglische es ein: ye mingep 1876, pei tellep 2962; þei calles 239. Im Al. A findet sich auf -th nur pei beth 492, auf es kommen vor þei welcomes 918, openes 916.

1) Skeat's einleitung zum W. v. P. s. xxx1.

Also im W. wie im Al. A sind die gebräuchlichsten endungen des praesens in der mehrzahl e (en), in der einzahl e est es. Der plural auf en weist beide gedichte der mittelenglischen dialektgruppe zu 1), der singular mit den endungen e est es beschränkt sie auf den westlichen teil des mittelenglischen sprachgebietes 2). Damit wäre Skeat's behauptung, dass der dialekt des W. und des Al. A derselbe sei, allerdings in so weit bestätigt, als die sprache des einen wie des andern gedichtes westmittelenglisch ist. Aber das westmittelenglische sprachgebiet umfasst die weite strecke von Lancashire bis Herefordshire und beherbergte, wie es dies heutzutage tut, unzweifelhaft auch im 14. jahrhundert eine stattliche reihe von mundarten. Es fragt sich daher, ob uns der Al. A und der W. in genau derselben mundart vorliegen, oder ob nicht vielmehr das eine gedicht in dieser, das andre in einer andern westmittelenglischen mundart überliefert ist.

Für die erste möglichkeit scheinen folgende dinge zu sprechen:

1) Der infinitiv und das starke participium perf. endigen in beiden gedichten bald auf en, bald auf e.

2) Beide gedichte haben participia praes. sowol auf and (ind, end) wie auf ing: W. clouztand 14, sikinde 490, sikende 894; grocching 271, layking 699, kneling 873. Al. A glisiande 180, liuand 992, shynand 631; glisiing 698, libbing 790, shyning 1059.

3) Im W. wie im Al. A finden sich substantivplurale auf n: W. eizen 464, ken 6, fon 3269, schon 14; Al. A fone 83, flon 269, ton 194, yien 182.

4) Who kommt in beiden gedichten auch ohne das anlautenden vor: W. ho 188. 2379, Al. A hue 726.

Auf der andern seite erklären sich die folgenden dinge mit mehr oder weniger entschiedenheit für die zweite möglichkeit:

1) Die zweite person imperat. plur. endigt im W. auf eþ und noch etwas häufiger auf es: preieth 164, gretep 359; haldes 106, listenes 170, gretes 355. Im Al. A lässt sich nur 591, kairus 623.

es (us) nachweisen: kares 563, kennes

1) All. Poems ed. by R. Morris, einl. s. xx.
2) Ebenda, s. XX-XXI.

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