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denn auch in der Litteratur dieser Secten die Driginale zu den bedeutendsten prosaischen Schriften der waldensischen Manuscripten - Litteratur. Bon

der größten Wichtigkeit wurde hier eine taboris tische Schrift vom Jahre 1431, die zuerst von Flacius Illyricus unter dem Titel: >>Confessio Waldensium de plerisque nunc controversis dogmatibus ante 134 annos contra claudicantes Hussitas scripta, nostrisque temporibus, statui ac rebus pulchre correspondens<< zu Basel 1568 im Druck veröffentlicht und später auch wieder in der Schrift des Balthasar Lydius: Waldensia etc. Roterod. 1616 Band 1, Th. 1 unter dem richtigeren Titel: Confessio Taboritarum abgedruckt ist. In dieser Schrift fanden sich nämlich Partien von dem wieder, was Perrin aus der Schrift Almanach spirituel und unter den Stücken über die Sacramente hat ab= drucken lassen, so wie die Tractate über das Purgatorium und die Heiligenanbetung (S. 69-97). Auch hier übrigens gab sich dieselbe Tendenz des Umarbeiters wieder zu erkennen, die sich bereits in der Umarbeitung des Morelschen Berichts gezeigt hatte. Weiter ergab sich dann aus einer Verglei= chung des waldensischen Katechismus mit dem der böhmischen Brüder in der Wittemberger deutschen Ausgabe von 1523, daß dieser böhmische Katechis mus, dessen ursprüngliche Identität mit dem waldensischen schon länger bekannt gewesen ist, nicht, wie man bisher annahm, in Abhängigkeit von dem waldensischen entstanden ist, sondern daß er viel= mehr den ursprünglicheren Zusammenhang und Lehrcharakter aufweist, während im waldensischen, der unter dem Einfluß der reformirten Lehrweise umgearbeitet ist, das, was im böhmischen Katechismus den früheren Lehrcharakter erkennen läßt, mehr zu

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rückgedrängt ist, doch nicht so, daß sich nicht bei näherer Vergleichung die frühere Lehrdarstellung des böhmischen Katechismus in einzelnen Resten ver= riethe. Obwohl nun damit noch nicht die Abhängigkeit des waldensischen Katechismus von der deutschen Ausgabe des böhmischen erwiesen ist, so ist doch das durch jene Vergleichung festgestellt, daß der waldensische abhängig ist von dem böhmischen, der jener deutschen Ausgabe zu Grunde liegt, und nicht umgekehrt, daß vielmehr die Annahme eines wal= denfischen Urkatechismus, der zwar mit dem jeßigen waldensischen in feinem unmittelbaren Zusammen, hange stände, der aber dem böhmischen mit seinem den Einfluß der hussitischen Lehrgestaltung an sich tragenden Lehrcharakter ursprünglich zu Grunde ge= legen haben könnte, nichts sein würde, als eine Hypothese ohne alle positive Begründung (S. 98 bis 115).

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Das zusammengefaßte Resultat der mit der waldensischen Manuscripten - Litteratur vorgenommenen Kritik war, daß zwar nicht in Betreff aller waldensischen Schriften, aber doch in Beziehung auf die wichtigsten und zwar bestimmter fast auf alle die, die von Perrin und Leger benußt wurden, um darauf ihre falsche Darstellung der Geschichte der Secte zu stüßen, der Nachweis geführt war, daß fie überall nicht in der waldensischen Secte vor der Reformation entstanden, sondern, zum größten Theil im Kreise der böhmischen Secten ursprünglich ver= faßt, erst nach der Zeit der Reformation eine ten= denziös fälschende Umarbeitung unter den Walden= fern erfahren haben. Nur von zwei unter den wichtigeren Schriften, die ebenfalls schon von Perrin benußt wurden, die aber durch die Gründe der inneren Kritik verdächtig, ja am meisten verdächtig erschienen, von der Confession und von der Schrift

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über den Antichrist, war der wirkliche Ursprung noch nicht positiv nachgewiesen. Doch ist dies von der Confession wohl nur deshalb nicht möglich, weil dieselbe, die einen rein reformatorischen Charafter trägt ohne alle Erinnerung an den früheren Lehrcharakter der Secte, wahrscheinlich unter den Waldensern nach der Reformation, wohl von dem Barben Morel selbst, in dessen Memoiren sie von Perrin vorgefunden wurde, verfaßt ist, so daß man also nicht erwarten kann, fie außer der gefälschten waldensischen Litteratur selbst mit bestimmter An= gabe ihres Ursprungs wiederzufinden. Die Schrift über den Antichrist, welche die größte innere Ber= wandtschaft mit dem Katechismus zeigt, scheint dagegen ebenfalls böhmischen Ursprungs zu sein, und ist vielleicht identisch mit einer Schrift über die Ursachen der Trennung von der römischen Kirche, die im Anfang des 16. Jahrhunderts von Seiten der böhmischen Brüder abgefaßt wurde. Vgl. S. 115-121.

Zulegt (S. 121–126) ist kurz die Entstehung der Fälschung und ihr Zweck im Zusammenhange der Geschichte der Secte nach der Reformation ei= ner Untersuchung unterzogen. Es scheint, als sei Vigneaux, in dessen Memoiren von 1587 die Fälschung bereits vorgelegen haben muß, nicht von der Theilnahme an derfelben frei zu sprechen, und um so größeres Interesse nehmen daher diese Me= moiren in Anspruch, die in der Cambridger Biblio= thek aufbewahrt werden und die ohne großen Nuzen von Hahn bereits verglichen find. Wahrschein= lich ist die Fälschung gemacht oder wenigstens vollendet zwischen dem Jahre 1571, wo die Gemeinschaft der neuen reformirten Secte und ihr kirchli ches Wesen durch ein Bündniß neu begründet wurde, und dem Jahre 1587, wo Vigneaux seine

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Memoiren schrieb, (und aus dieser Zeit stammen auch wohl die ältesten Manuscripte der meisten Schriften, die Perrin besaß, während die Manuscripte Legers wohl erst von diesem selbst besorgt sein mögen. Der Zustand der Secte aber, den die Schriften als den früheren der Secte darstellen, ist wohl kein anderer, als der, den das Jahr 1571 als noch nicht vollkommen abgeschlossen vorfand, also der durch die Reformation und ihren Einfluß her= vorgebrachte, der dann mit dem vor 1530, der doch ein wesentlich anderer war, unterschiedlos confundirt wurde.

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Dieser ersten Abhandlung über die waldensische Manuscripten Litteratur folgen zunächst (S. 127 -144) einige längere Anmerkungen. In der erften derselben wird das Wesentliche aus der Ge= schichte der Secte unmittelbar vor und nach der Reformation zusammengestellt. Es werden besonders solche bisher mehr übersehene Thatsachen her= vorgehoben, die geeignet sind, die Entstehung der falschen Darstellung der früheren Geschichte der Secte und der damit zusammenhängenden Fälschung der waldensischen Litteratur erklärlicher er= scheinen zu lassen. In der zweiten Anmerkung wird die Unechtheit der Confession der böhmischen Brüder in 15 Artikeln, die nach Zach. Theobald, (Hussitenkrieg Th. 2. S. 123) auf einem Colloquium zwischen den Calixtinern und den Taboriten zu Kuttenberg 1443 von den letteren eingereicht sein soll, nachgewiesen. In der dritten Anmer= kung wird die Ausgabe der Confessio Taboritarum von Flacius Illyricus und ihr Verhältniß zum Abdruck bei Balthasar Lydius besprochen. In der vierten Anmerkung wird die so viel besprochene Zeitangabe in der Nobla Leyczon als eine spätere Interpolation nachgewiesen.

Nachdem durch diese erste kritische Untersuchung die Unglaubwürdigkeit der waldensischen Manuscrip= ten-Litteratur nachgewiesen war, fam es in einer zweiten umfangreicheren Untersuchung auf den Ver= such an, ohne Rücksicht auf die gefälschte waldenfische Litteratur auf Grund sonstiger glaubwürdi= ger Zeugnisse die ursprüngliche Beschaffenheit der waldensischen Secte im Mittelal= ter zu erkennen (S. 145-360). Es kamen hier besonders die katholischen Zeugnisse aus, dem Mittelalter in Betracht, deren Glaubwürdigkeit nicht mehr auf Grund ihres Widerspruchs gegen die waldensische Litteratur beftritten werden konnte und außerdem im Gange der Untersuchung selbst ihre weitere Bestätigung durch die Uebereinstimmung mit dem Echten in der waldensischen Ueberlieferung und Litteratur fand, besonders durch die Uebereinstim= mung mit Morels Bericht und den Beschlüssen der waldensischen Synodé zu Angrogne im Jahre 1532, welche lezteren ihrerseits erst durch die Vergleichung mit den katholischen Zeugnissen aus dem Mittelal= ter ihr rechtes Verständniß erhalten.

Um den richtigen Weg der Untersuchung sicher zu stellen, wurden hier die Verschiedenheiten auf einander folgender Entwickelungsperioden in der Geschichte, sowie die Verschiedenheiten neben einan= der bestehender abweichender Richtungen in der Entwickelung der Secte einer näheren Betrachtung unterzogen. Wie sich aus dieser Betrachtung er= gab, daß die Untersuchung, um sich nicht in der disparaten Vielheit der einzelnen Zeugnisse zu ver= lieren, chronologisch dem Entwickelungsgange der Secte durch ihre verschiedenen Phasen folgen und zwar an der Hand der sichersten Zeugnisse den we= sentlichsten Hauptpunkten und ihrem Zusammenhange nachgehen müsse, 'so machte sie es auch mög

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