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NB. Man könnte dieses die Construktion nennen.

NB. Beyde Stücke die Vorbereitung und die Construktion sind nur in der erhabenen Action nöthig, und durch ihre Weglassung oder Uebertretung wird die Action komisch.

Hiezu kömmt noch der Contrast in den Bewegungen, da der Schauspieler diejenigen Gestus zusammen nimmt, welche einen Gegensatz ausmachen. Einen schönnen Contrast machen die Worte zum Exempel:

Erniedrige dich nur, ich will als Sieger sprechen.

Wenn dieser Gegensatz aber auch getrennt würde, so. verlange ich doch, daß der Schauspieler darzwischen keinen Gestum machen, sondern diese beyde zusammen behalten müße.

Gedanken über die Herrnhuter.

oro atque obsecro ut multis injuriis jactatam atque agitatam aequitatem in hoc tandem loco confirmari patiamini.

1750.1

Cicero pro Publ. Quintio.

Die Siege geben dem Kriege den Ausschlag: sie sind aber sehr zweydeutige Beweise der gerechten Sache: oder vielmehr sie sind gar keine.

Die gelehrten Streitigkeiten sind eben sowol eine Art von Kriegen, als die kleinen Zuzus eine Art von Hunden sind. Was liegt daran, ob man über ein Reich oder über eine Meynung streitet; ob der Streit Blut oder Dinte kostet? Genug man streitet.

Und also wird auch hier der, welcher Recht behält, und der, welcher Recht behalten sollte, nur selten einerley Person seyn.

Tausend kleine Umstände können den Sieg bald auf diese, bald auf jene Seite lenken. Wie viele würden aus der Rolle der Helden auszu-. streichen seyn, wenn die Wirkung von solchen kleinen Umständen, das

1 G. E. Leßings theologischer Nachlaß (von Karl Leffing herausgegeben), Berlin, 1784. S. 255. ..In das Jahr 1750 fällt der Auffah wohl nicht, sondern etwa 1755. Nämlich in diesem Jahre verschaffte Leffing, nach einem Brief an seinen Vater vom 11 April, einem Pastor Rohde einen Verleger für ein Buch „Schlüßel von Herrnhut“ und es wäre ganz in seiner Art, wenn die Gedanken über die Herrnhuter bei Gelegenheit desselben entstanden wären." S. Th. W. Danzel, Leffing, sein Leben und seine Werke 1. Band, S. 234: die Anmerkung.

v. M.

Glück nemlich, seinen Antheil von ihren bewundernswürdigen Thaten zurücknehmen wollte?

Laßt den und jenen großen Gelehrten in einem andern Jahrhunderte gebohren werden, benehmt ihm die und jene Hülfsmittel, sich zu zeigen, gebt ihm andre Gegner, sezt ihn in ein ander Land; und ich zweifle, ob er derjenige bleiben würde, für den man ihn jeto hält. Bleibt er es nicht, so hat ihn das Glück groß gemacht.

Ein Sieg, den man über Feinde davon trägt, welche sich nicht vertheidigen können oder nicht wollen, welche sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen oder ermorden lassen, welche, wann sie einen Gegenstreich führen, aus Mattigkeit durch ihren eigenen Hieb zu Boden fallen; wie ist so ein Sieg zu nennen? Man mag ihn nennen, wie man will; so viel weiß ich, daß er kein Sieg ist; ausser etwa bey denen, die, wenn sie siegen sollen, ohne zu kämpfen siegen müssen.

Auch unter den Gelehrten giebt es dergleichen Siege. Und ich müßte mich sehr irren, wenn nicht die Siege unserer Theologen, die sie bisher über die Herrnhuter erhalten zu haben glauben, von dieser Art wären.

Ich bin auf den Einfall gekommen, meine Gedanken über diese Leute aufzusetzen. Ich weiß es, sie sind entbehrlich; aber nicht entbehrlicher, als ihr Gegenstand, welcher wenigstens zu einem Strohmanne dient, an dem ein junger und muthiger Gottesgelehrter seine Fechterstreiche in Uebung zu bringen, lernen kann. Die Ordnung, der ich folgen werde, ist die liebe Ordnung der Faulen. Man schreibt wie man denkt: was man an dem gehörigen Ort ausgelassen hat, holet man bey Ge= legenheit nach: was man aus Versehen zweymal sagt, das bittet man den Leser das andremal zu übergehen.

Ich werde sehr weit auszuholen scheinen. Allein, ehe man sichs versieht, so bin ich bey der Sache.

Der Mensch ward zum Thun und nicht zum Vernünfteln erschaffen. Aber eben deswegen, weil er nicht dazu erschaffen ward, hängt er diesem mehr als jenem nach. Seine Bosheit unternimmt allezeit das, was er nicht soll, und seine Verwegenheit allezeit das, was er nicht kann. Er, der Mensch, sollte sich in Schranken seßen lassen?

Glückselige Zeiten, als der Tugendhaftefte der Gelehrteste war! als alle Weisheit in furzen Lebensregeln bestand!

Sie waren zu glückselig, als daß sie lange hätten dauern können.

Die Schüler der sieben Weisen glaubten ihre Lehrer gar bald zu übersehen. Wahrheiten, die jeder fassen, aber nicht jeder üben kann, waren ihrer Neubegierde eine allzuleichte Nahrung. Der Himmel, vorher der Gegenstand ihrer Bewunderung, ward das Feld ihrer Muthmaßungen. Die Zahlen öfneten ihnen ein Labyrinth von Geheimnissen, die ihnen um so viel angenehmer waren, je weniger sie Verwandschaft mit der Tugend hatten.

Der weiseste unter den Menschen, nach einem Ausspruche des Orakels, in dem es sich am wenigsten gleich war, bemühte sich die Lehrbegierde von diesem verwegenen Fluge zurückzuholen. Thörichte Sterbliche, was über euch ist, ist nicht für euch! Kehret den Blick in euch selbst! In euch sind die unerforschten Tiefen, worinnen ihr euch mit Nußen verlieren könnt. Hier untersucht die geheimsten Winkel. Hier lernet die Schwäche und Stärke, die verdeckten Gänge und den offenbaren Ausbruch eurer Leidenschaften! Hier richtet das Reich auf, wo ihr Unterthan und König seyd! Hier begreifet und beherrschet das einzige, was ihr begreifen und beherrschen sollt; euch selbst.

So ermahnte Sokrates, oder vielmehr Gott durch den Sokrates. Wie? schrie der Sophist. Lästerer unserer Götter! Verführer des Volks! Pest der Jugend! Feind des Vaterlandes! Verfolger der Weisheit! Beneider unsers Ansehens! Auf was zielen deine schwärmerische Lehren? Uns die Schüler zu entführen? Uns den Lehrstuhl zu verschließen? Uns der Verachtung und der Armuth Preiß zu geben?

Allein was vermag die Bosheit gegen einen Weisen? Kann sie ihn zwingen, seine Meynung zu ändern? die Wahrheit zu verleugnen? Beweinenswürdiger Weise, wenn sie so stark wäre. Lächerliche Bosheit, die ihm, wenn sie es weit bringt, nichts als das Leben nehmen kann. Daß Sokrates ein Prediger der Wahrheit sey, sollten auch seine Feinde bezeugen, und wie hätten sie es anders bezeugen können, als daß sie ihn tödteten?

Nur wenige von seinen Jüngern giengen den von ihm gezeigten Weg. Plato fing an zu träumen, und Aristoteles zu schließen. Durch eine Menge von Jahrhunderten, wo bald dieser, bald jener die Oberhand hatte, kam die Weltweisheit auf uns. Jener war zum göttlichen, dieser zum untrüglichen geworden. Es war Zeit, daß CartesiusTM aufstand. Die Wahrheit schien unter seinen Händen eine neue Gestalt zu

bekommen; eine desto betrüglichere, je schimmernder sie war. Er eröfnete allen den Eingang ihres Tempels, welcher vorher sorgfältig durch das Ansehen jener beyden Tyrannen bewacht ward. Und das ist sein vor= zügliches Verdienst.

Bald darauf erschienen zweh Männer, die, troß ihrer gemeinschaftlichen Eifersucht, einerley Absicht hatten. Beyden hatte die Weltweisheit noch allzuviel praktisches. Ihnen war es vorbehalten, sie der Meßkunst zu unterwerfen. Eine Wissenschaft, wovon dem Alterthume kaum die ersten Buchstaben bekannt waren, leitete sie mit sichern Schritten bis zu den verborgensten Geheimnissen der Natur. Sie schienen sie auf der That ertappt zu haben.

Ihre Schüler sind es, welche jezo dem sterblichen Geschlechte Ehre machen, und auf den Nahmen der Weltweisen ein gar besonders Recht zu haben glauben. Sie sind unerschöpflich in Entdeckung neuer Wahrheiten. Auf dem kleinsten Raum können sie durch wenige mit Zeichen verbundene Zahlen Geheimnisse klar machen, wozu Aristoteles unerträgliche Bände gebraucht hätte. So füllen sie den Kopf, und das Herz bleibt leer. Den Geist führen sie bis in die entferntesten Himmel, unterdessen da das Gemüth durch seine Leidenschaften bis unter das Vieh herunter gesezt wird.

Allein mein Leser wird ungeduldig werden. Er erwartet ganz was anders, als die Geschichte der Weltweisheit in einer Nuß. Ich muß ihm also sagen, daß ich blos dieses deswegen vorangeschickt, damit ich durch ein ähnliches Beyspiel zeigen könne, was die Religion für ein Schicksal gehabt hat: Und dieses wird mich weit näher zu meinem Zwecke bringen.

Ich behaupte also: es gieng der Religion wie der Weltweisheit.

Man gehe in die ältesten Zeiten. Wie einfach, leicht und lebendig war die Religion des Adams? Allein wie lange? Jeder von seinen Nachkommen sezte nach eignem Gutachten etwas dazu. Das Wesentliche wurde in einer Sündfluth von willkührlichen Säßen versenkt. Alle waren der Wahrheit untreu geworden, nur einige weniger, als die andern; die Nachkommen Abrahams am wenigsten. Und deswegen würdigte sie Gott einer besondern Achtung. Allein nach und nach ward auch unter ihnen die Menge nichts bedeutender und selbst erwählter Gebräuche so groß, daß nur wenige einen richtigen Begrif von Gott behielten, die übrigen

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