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Nachspiele mit Hanswurst.'

§. 1.

Vom Charakter des Hanswurfts.

Es ist falsch, daß dieser Charakter die Erfindung eines Wiener Schauspielers, Namens Stranißky, gewesen; wie Löwe in seiner Geschichte des deutschen Theaters versichert. Es ist falsch, wie eben derselbe uns bereden will, daß die lustige Person, welche die Stelle des Hanswursts vor Stranißky auf unser vaterländischen Bühne vertreten, Wurst-Hans geheissen.

Der ehrliche Hanswurst ist eines weit höhern Alters: denn Luther hat ihn schon recht gut gekannt.

Luther hatte sich dieses Nahmens verschiedentlich bedient; und der Herzog Heinrich von Braunschweig Wolffenbüttel beschuldigte Luthern, daß er unter andern seinen eigenen Herrn, den Churfürsten von Sachsen, so genannt habe: „Welchen Martinus Luther seinen lieben andächtigen Hanswurst nennet."

In der Replique gegen den Churfürsten von Sachsen vem 2. Nov. 1540 beym Hortleder Tom. I. Lib. IV. cap. 16.

Diese Beschuldigung verdroß Luthern gewaltig, und da er in der Replique des Herzog Heinrichs noch so manches andre fand, was er nicht verdauen konnte, so nahm er daher Gelegenheit dem Herzog Heinrich diesen Ehrentitel zu geben, und ihm in einer eigenen Schrift zu antworten, deren Titel ist: Wider Hanswurst. D. Mart. Luther. Gedr. zu Wittenberg. 1541. durch Hans Luft in 4to 16 Bogen.

1 Theatralischer Nachlaß, Th. 1, S. XLIX.

Ich sage aber, Luther hat nicht des Hanswursts allein erwähnet, sondern auch seinen eigentlichen Charakter gekannt, und in wenig Worten so genau beschrieben, daß man nicht allein deutlich siehet, was der Hanswurst damals gewesen, sondern auch, was er noch seyn muß, wenn er als ein ursprünglich deutscher Charakter auf unserer Bühne wieder erscheinen soll. So schreibt Luther:

Du zorniges Geistlein (den Teufel meynend) weissest wol, dein besessener Heing auch sampt ewren Tichtern und Schreibern, daß dis Wort, Hansworst nicht mein ist, noch von mir erfunden, sondern von andern Leuten gebraucht wider die groben Tolpel, so klug seyn wollen, doch ungereimbt und ungeschickt zur Sache reden und thun. Also hab ichs auch oft gebraucht, sonderlich und allermeist in der Predigt. Und weiß mich nicht zu erinnern in meinem Gewissen, daß ich jemals eine Person insonderheit gemeinet hätte, weder Feind noch Freund. Sondern wie die Sachen sich zugetragen, so hab ichs gebraucht.

Aus einer andern Stelle ist zu schlüßen, daß man ihn, den Hanswurst, gern stark, fett und völliges Leibes gewählt habe. Bey seiner Tölpeley also auch noch ein Fresser; und zwar ein Fresser, dem es bekömmt. Harlequin ist auch ein Fresser; aber dem es nicht so ansett, damit er schlank, leicht und geschmeidig bleibt, welches sich zu seinem Charakter eben so wohl schickt, als der fette Wannst zum Charakter des Hanswursts.

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Worte, Einfälle, Stoff, Entwürfe zu dergleichen Nachspielen.

Gleich die erste Erzehlung beym Poggius könnte eine vortreffliche Hanswurst-Scene geben. Hanswurst ist vier bis fünf Jahr verreiset und von seiner Frau entfernt gewesen, die sich indeß von einem reichen Manne unterhalten lassen. Er kömmt endlich wieder, da sie es am wenigsten

Das Folgende auf einem Breslauer Blatte

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vermuthet, und wundert sich sie so reinlich und galant, und sein Häuschen sowohl ausgerüstet, und mit allen Nothwendigkeiten und Bequemlichkeiten verfehn zu finden. Er fragt, wo das, wo jenes her sey, und sie antwortet jedesmal, daß sie es Gottes Seegen zu danken habe. (Der liebe Gott hat mirs beschert.) Bis endlich ein kleiner Knabe zum Vorschein fömmt. Was ist das? O ein allerliebstes Kind Ich seh wohl Es heißt Frischen Aber wem ist es denn? Es wird eben heute vier Jahr alt Wem ist es denn? O Mann, du mußt ihm zum Angebinde etwas schenken Aber wem ist es denn? Meine ist es. Deine? Und wie bist du denn dazu gekommen? - Durch Gottes Seegen. (Oder wenn man diesen Ausdruck nicht brauchen wollte Mein gutes Glücke Oder das Koboldchen. Denn man könnte fingiren, daß sie dieses den Mann beredt; und da er böse wird, daß ihn das Koboldchen auch damit versehen, so kann sie ihn bereden, daß dieses Knäbchen das Koboldchen selber wäre. Und so nach könnte das ganze Stück das Koboldchen heißen.)

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§. Die 109 unter den Facetiis des Poggius gäbe gleichfalls eine gute Hanswurst - Scene: wenn man den Hanswurst zum Stadtrichter eines kleinen Städtchens machte. Er giebt dem Kläger und dem Beklagten Recht, und ist immer auf der Seite deßen, der zuleßt spricht.

Leben und leben lassen.

Ein Projekt für Schriftsteller und Buchhändler. 1

Wie? es sollte dem Schriftsteller zu verdenken seyn, wenn er sich die Geburten seines Kopfs so einträglich zu machen sucht, als nur immer möglich? Weil er mit seinen edelsten Kräften arbeitet, soll er die Befriedigung nicht geniessen, die sich der gröbste Handlanger zu verschaffen weiß seinen Unterhalt seinem eigenen Fleisse zu verdanken zu haben?

Aber Gelehrte, sagt man, die sich mit Bücherschreiben abgeben, stehen doch gewöhnlich in bürgerlichen Bedienungen, durch welche für ihr genugsames Auskommen gesorgt ist.

Ich weiß wirklich nicht, ob dieses die Absicht aller Amtsbesoldungen seyn kann. Ich weiß, daß sehr viele derselben dieser Absicht jezt nicht mehr entsprechen, indem sie zu einer Zeit festgesetzt worden, zu welcher die Preise der Bedürfnisse bei weitem nicht die jetzigen waren.

Aber Weisheit, sagt man weiter, feil für Geld! Schändlich! Umsonst habt ihrs empfangen, umsonst müßt ihr es geben! So dachte der edle Luther bei seiner Bibelübersetzung.

Luther, antworte ich, macht in mehreren Dingen eine Ausnahme. Auch ist es größtentheils nicht wahr, daß der Schriftsteller das umsonst empfange, was er nicht umsonst geben will. Oft ist vielleicht sein ganzes Vermögen darauf gegangen, daß er jetzt im Stande ist, die Welt zu unterrichten und zu vergnügen. Oder sollen ihm die Amtsbesoldungen das zugleich mit gut machen? Der Staat oder Regent bezahlt ihn nur

1 G. G. Fülle born's Nebenstunden. Breslau 1800. Zweytes Stück S. 37–48.

wissen und zu können

Was er mehr weiß,

grade für das, was er wegen seines Amtes zu nothwendig braucht, welches oft wenig genug ist. ist für seine Rechnung: und wenn er über dieses Mehr noch mehr wissen will, das geht den Staat vollends nichts an. Daß gleichwohl so viel junge nichts Gemeines versprechende Gelehrte, in ihrem Amte, das sie anzunehmen sich nicht enthalten können, wie man zu sagen pflegt, verbutten und versauern, kommt größtentheils daher, weil ihre Besoldungen nicht hinlänglich sind und seyn können, um sich die Bücher und Instrumente anzuschaffen, welche zum Fortschreiten in einer Wissenschaft unentbehrlich sind. Warum diesen die Quelle eines Zuflusses verstopfen oder verleiden, der noch oft der einzige für sie ist!

Aber, seht man hinzu, die alten Gelehrten, die Schriftsteller bei den Griechen und Römern begnügten sich doch nur mit der einzigen Ehre, nahmen für ihre Arbeiten kein Geld!

Ey! woher hat man denn das? Etwa, weil Quintilian in der Zuschrift an seinen Verlegers keines Honorarii gedenkt? Oder, weil Eckhard de Edit. librorum apud Veteres nichts davon beigebracht ?

Man denke an Horazens: Gestit numos in loculos demittere! Und Statius, gab er wohl seine Agave umsonst aufs Theater? * Um ein Billiges freylich, denn er mußte froh seyn, wenn ihm der Comödiant gab, was ihm die Großen versagten:

Quod non dat procer, dabit histrio.

Und so viele andre Dichter, welche die Römische Bühne einträglich fanden,

Quoque minus prodest, scena est lucrosa poëtae.

Die erste Hälfte dieses Verses mag jezt von deutschen Theatern oft genug wahr seyn; aber auch die andere?

Und selbst Terenz, auch er verkaufte seine Stücke nicht bloß den Aedilen, und nahm nicht bloß Geld, weil er die Ehre hatte, es vom Staate zu bekommen. Er nahm es vom Schauspieler, ohne diese Ehre, und lachte hoffentlich mit, wenn dieser ihn seines Geißes wegen im Prolog anstach, wo er nicht gar die Spötterey diesem in den Mund gelegt hatte. Wir wissen ja sogar noch, welches Stück ihm ́am theuersten bezahlt worden, und wie theuer. Eunuchus meruit pretium, quantum nulla antea

* Juvenal. VII. 83 sq. Lessing, sämmtl. Werke. XI.

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