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mitzutheilen, und was ich hier liefere, ist zunächst eine zweite sehr vervielfachte Auflage jener zwei Druckseiten. Es ist mir nicht bekannt geworden, daß in diesen fünf Jahren jemand die von mir angeregte Sache weiter geführt habe, und da gegenwärtig von allen denjenigen, die zu solchen Studien aufgelegt und berufen sind, gewiß niemand das hier ganz eigenthümliche Quellenmaterial in so reichem Umfange und zu so freier Benutzung vor sich liegen hat als ich, so lag darin für mich eine Aufforderung, mich der Sache weiter anzunehmen.

Anfänglich dachte ich daran, nur seltenere und interessantere Gewerbebezeichnungen in dieses Verzeichniss einzutragen; indessen ich erwog bald, daß ja jeder Lexikograph das ganz Gewöhnliche und scheinbar ganz Werthlose gleichfalls in seinem Wörterbuche verzeichnet, schon deshalb, um an der Häufigkeit des Häufigen die Seltenheit des Seltenen ermessen zu können und um bei Synonymen die geographische, historische oder begriffliche Sphäre der einzelnen Ausdrücke zu bestimmen. Auch ist es mit der Seltenheit und Häufigkeit in unserem Falle ein ganz eigenes Ding; während man gewiß nur noch in einem kleinen Theile Deutschlands von einem Bader, überall von einem Schneider spricht, sind die Badergassen der häufigste aller Straßennamen, während eine Schneidergasse von mir noch nicht entdeckt ist.

Auf zwei Klippen muß ich hier noch aufmerksam machen, die man bei diesem Gegenstande suchen muß nach Möglichkeit zu vermeiden. Erstens nämlich können solche Straßennamen sich unter Umständen nicht auf die betreffenden Gewerbtreibenden, sondern auf den Familiennamen eines Mannes beziehen; eine Fleischergasse z. B. kann leicht von einem gewissen (oder berühmten) Herrn Fleischer benannt sein. Denn mit der Befolgung der genauen sprachlichen Regel, daß im letzteren Falle Fleischersgasse geschrieben werden müßte, hat man sich selten befasst, und meines Wissens hat es noch niemand getadelt, daß die zahlreichen seit 1859 entstandenen Schillerstraßen nicht richtiger Schillersstraßen geschrieben werden. An der zweiten Klippe bin ich selbst einmal gescheitert. Ich hatte nämlich in dem oben erwähnten Verzeichnisse auch die Lauferstraße in Nürnberg erwähnt, des guten Glaubens, daß sie von irgend welchen cursores, Trabanten oder dergleichen den Namen habe; da belehrte 'mich ein anonym mir zugesandter Brief aus Nürnberg unter andern werthvollen und wohlwollenden Mittheilungen, daß jene Lauferstraße nach der Stadt Lauf hinausführe, die gleichwie Nürnberg an der Pegnitz liegt. Kann nicht eben so irgend eine Gerbergasse diejenige sein, durch die man nach dem Dorfe Gerbe oder Gerber (beide Orte kommen in Würtemberg vor)

hinausgeht? vgl. Plattnergasse und den gar nicht seltenen Ortsnamen Platten u. s. w. Das sind, wie gesagt, zwei Klippen, doch sind beide bei einiger Vorsicht nicht so gefährlich, als es auf den ersten Blick scheint.

Noch habe ich zu erwähnen, daß, wo ich den Namen nur aus älterer Zeit kenne, ich entweder die Zeit seines Vorkommens oder wenigstens ein in Parenthese geschlossenes früher" beifüge; in manchen dieser Fälle ist es mir unbekannt, ob der Name noch gegenwärtig existiert.

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Nun zunächst das kleine Glossar selbst, in welches ich auch einige niedere Beamtenklassen aufnehme, die dem Gewerbebetrieb nahe stehen.

Altbüßergasse Breslau. Altbüterstraße Stettin. Unter Altbüßern könnten zwar alle diejenigen begriffen werden, welche alte Gegenstände ausbessern, doch hat der Sprachgebrauch das Wort auf die Schuhmacher beschränkt, nur selten auf die Schneider ausgedehnt. Jacobssons technologisches Wb. führt als Synonyma an: Altflicker, Altreiß (so), Altputzer, Altlapper, Altmacher. Das mhd. Wb. kennt schon altbüezer und schuohbüezer; bei Grimm erscheinen Altbüszer, Schuhbüszer und das mnd. Oltbôter, eben so auch Altflicker, Altlapper u. s. w. Der letzte Theil des Wortes begegnet auch in Kettelböter (s. unten).

Amidammachergang Hamburg (a. 1787, s. Hess Beschreibung von Hamb. I, 273; doch auch noch jetzt vorhanden). Das dänische amdam, besonders in Jütland und Schleswig, bedeutet Stärke, Kraftmehl, daraus ist es in mehrere deutsche Mundarten übergegangen; so hat das Bremisch - Niedersächs. Wb. I, 15 Amedam, Frisch schreibt Amelmeel. Die zuweilen begegnende Schreibung Amidon führt auf das Etymon, griech. άuviov, lat. amylum. Das mhd. Wb. kennt das Wort nicht, aber Grimm hat Amelmehl.

Ankerschmiedegasse Danzig. Außer dem Deutschen hat auch das Nnl. das Compositum ankersmid gebildet; s. Grimm.

Apothekergasse Görlitz, Heidelberg. Apothekerstraße Duderstadt. Offenbar erst eine jüngere Wortbildung; denn während apotêke uns schon im Mhd. begegnet, kann Grimm das Wort Apotheker erst aus Canitz belegen. Noch jetzt ist Apotheke nicht in allen deutschen Mundarten seinem Begriffe nach specialisiert, so daß man noch in Königsberg von einer Medicinapotheke spricht. Uns thäte eine Art von Wörterbüchern Noth, die sich nur die einzige Aufgabe stellten, von jedem Worte nach Möglichkeit die ältesten Belege herbei

zuschaffen; von solchem Materiale aus ließen sich anziehende Blicke in die Werkstatt der Bildung und der Entlehnung von Ausdrücken thun. Aschgeberstraße Stettin; irgendwo habe ich diese Straße auch Aschweberstraße genannt gefunden. Die Wörterbücher so wie die technologischen Quellen lassen mich hier völlig im Stich; ich weiß nicht einmal, ob hier an Asch Topf oder an Asche cinis zu denken ist; zunächst möchte man die Potasche herbeiziehen.

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Bäckergasse Breslau, Cölleda, Döbeln in Sachsen (a. 1727), Freiberg, Halle, Sontra in Hessen. Bäckerstraße Düsseldorf, Hamburg (urkundlich platea pistorum), Hannover, Wien. Das Wort begegnet im Ahd. und Mhd. sehr selten (offenbar weil das Backen vorherrschend eine häusliche, keine gewerbliche Thätigkeit war). Daß Graff III, 24 den Ort Chuchelebaccharo marca ganz mit Unrecht hieher zieht, ist aus meinem Namenbuche zu ersehen.

Badergasse Arnstadt, Aschersleben, Bingen, Bischofswerda (früher, jetzt Bahnhofstraße), Breslau, Brieg, Calbe an der Saale (a. 1720, s. Hävecker Chronik v. Calbe), Colditz in Sachsen, Dresden, Eilenburg, Elbing, Frankfurt a. O., Gartz a. O., Jüterbogk, Königsberg in der Neumark (a. 1715), Leisnig in Sachsen, Lengenfeld im Voigtlande, Meerane in Sachsen, Mügeln in Sachsen, Mühlhausen in Thüringen, Oschatz, Reichenstein in Schlesien, Thorn, Zwickau. Badergässchen Breslau, Eisenach, Salzburg (hierin noch a. 1794 das Seelen- oder Armeleutebad). Baderstraße Thorn. Baderberg Meissen. Badgasse Altdorf bei Nürnberg. Badestraße Uelsen (a. 1735). Dieses Gewerbe mit seinem Baden, Haarschneiden, Aderlassen und Schröpfen ist theils ganz in das der Barbiere (welche an vielen Orten neben den Badern bestanden) übergegangen, theils durch die neueren Badeanstalten überflüßig geworden.

Badstüberstraße Cöslin a. 1765 (Haken Gesch. v. Cöslin); vgl. Badstubenstraße in Wolgast. Das schwerfällige und unnütze Badstüber für das einfache Bader ist nur niederdeutsch, weder Grimm. noch die hochdeutschen Dialectwörterbücher kennen es, dagegen findet sich Badstäwer im Bremisch- Niedersächs. Wb., die Statuten der Badstover zu Lübeck aus der Mitte des 14. Jhd. werden von Wehrmann Die Lübeckischen Zunftrollen (Lübeck 1864) mitgetheilt.

Bandschneidergasse Königsberg. Zwar kommt Bandweber für Bortenwürker oder Posamentier vor (s. Jacobsson techn. Wb.), doch ist mir Bandschneider sonst nicht begegnet; vielleicht steckt darin nur ein missverstandenes Wandschneider.

Becherergasse Worms (Becherergaze a. 1315; vgl. Baur Hess. Urkunden Bd. II, Nr. 770). Becherergässchen Köln (Beggirgasse

a. 1280, Beggergasse a. 1286; vgl. Ennen Quellen zur Gesch. v. Köln III 164, 241). Bechergässlein Speier. Becherer oder Bechler sind zwar in einigen technologischen Werken als eine besondere Art der Böttcher, die sogenannten Kleinbinder erwähnt; doch möchte ich bei diesen Becherergassen lieber an die Verfertiger zinnerner Becher denken.

Beckenwerperstraße Braunschweig; eine ganz moderne Verdrehung des Wortes, noch 1806 finde ich diese Straße richtiger Beckenwerkerstr. geschrieben. Das Neutr. Beckenwerk führt Grimm aus Hans Sachs an. Es sind hier wohl wieder zinnerne Becken gemeint, obwohl bei diesem so wie dem folgenden und vorhergehenden Worte hölzerne Geräthe nicht ganz abzuweisen sind.

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Beckmacherstraße Hamburg (auch Armesünderstraße genannt, urkundlich platea cratificum). Hess Beschr. von Hamburg (1787) I, 179 fragt an: Bechermacher (craterifices)? oder Fassbinder, Böttcher?" In den oben erwähnten Lübeckischen Zunftrollen kommt auch eine der Bekemaker von 1591 vor, wo ganz sicher Kleinbinder gemeint sind.

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Beckschlagergasse Nürnberg (jetzt verdreht Bettschlagergasse gesprochen). Hier sind sicher eine Art von Klempnern gemeint, die das Blech erst nach dem Erkalten schmieden. Beckenschläger kommt bei Grimm vor, doch ohne Erklärung und Citat.

Beutlergasse Danzig, Beutlerstraße Stettin. Das Wort Beutler, mhd. noch nicht nachweisbar, ist jetzt durch das Verschwinden der ledernen Beutel im Untergehen begriffen; Grimm hat es ohne Citat. In den Lübeckischen Zunftrollen begegnet a. 1459 das zusammenge setzte Büdelmaker.

Bindergasse Nürnberg. Bendergasse Frankfurt a. M. (sie heißt sec. 14 doliatorum vicus; s. Baldemar v. Peterweil Beschr. von Frankf., herausgeg. von Euler). Es sind also hier Fassbinder, Böttcher gemeint, nicht Besen-, Bürsten-, Buchbinder.

Bleicherstraße Hamburg (früher Bleichergang). Bleichergasse Altona (a. 1747; s. Schmid Beschr. von Altona). Vgl. Grimm Wb.

Bognergasse Wien. Die einzige Erinnerung an das untergegangene Gewerbe der Bogner oder Armbruster; vgl. Grimm Wb. Bootsmannsgasse Danzig.

Böttchergasse Leipzig. Böttcherstraße Cöslin.

Bräuergasse Dresden. Brauerhof Altona (a. 1747, s. Schmid Beschr. v. Altona). Brauerstraße Hamburg. Vgl. auch Bräugasse Altdorf bei Nürnberg, Passau. Braugässchen Plauen im Voigtlande.

Das mhd

Wb. weist schon briuwer und brouwer nach; Graff hat das Wort noch nicht.

Brauerknechtgraben Hamburg (a. 1787; schon urkundlich fossa famulorum cerevisiam coquentium).

Brennergasse Hamburg. Das Wort hat sich fast in allen Mundarten auf den Begriff von Branntweinbrennern specialisiert; Beispiele allgemeiner Bedeutung gibt noch sowohl das mhd. Wb. als Grimm.

Brückenschmiedgasse Schleusingen. Da ein besonderes Gewerbe der Brückenschmiede mir nirgend begegnet, ich mir auch nichts darunter zu denken vermag, so ist vielleicht hier ein an einer Brücke wohnender Schmid anzunehmen und das Wort hier fortzulassen.

Büttelgasse Mainz (früher). Büttelstraße Elbing (früher). Bei Grimm ist hinzuzufügen, daß das alte und weit verbreitete Wort im Aussterben begriffen ist.

Büttnerstraße Breslau, Görlitz. Böttnergasse Eisenach (früher, jetzt Quergasse). So verbreitet auch Bütte für ein hölzernes Gefäß ist, so hat doch Büttner für Böttcher im nördlichen Deutschland wohl nie allgemeine Geltung gehabt.

Caffamacherreihe Hamburg (a. 1787, s. Hess I, 273). Nach Jacobsson ist Caffas de Bois ein grobes wollenes aus Ryssel bezogenes Zeug. Im vorliegenden Falle ist wohl an einen anderen Stoff zu denken; Richey im Idioticon Hamburgense erwähnt Kaff-Haarmaker Sammetweber und spricht weitläufiger davon. Siehe auch Schütze Holsteinisches Idioticon.

Corduanarios, inter, Köln (a. 1238, s. Ennen Quellen zur Gesch. der Stadt Köln II, 187). So gewiß auch der Name zu dem ursprünglich aus Cordova bezogenen Leder gehört, so kann er doch zwiefach gedeutet werden: 1. als eine Art von Gerbern, die sonst auch Corduanmacher genannt werden, 2. als eine Art von Schuhmachern, die Corduanschuhe verfertigen; so fasst das Wort auf Duntze Gesch. der Stadt Bremen I, 511. Letzterer Sinn liegt auch im franz. cordonnier, so wie im mhd. kurdiwæner.

Dienergasse Danzig, Elbing. Dienerreihe Hamburg. Es sind wohl überall Rathsdiener gemeint, für die wir in den Straßennamen mehrere Synonyma finden.

Drahtziehergasse Hirschberg. Es ist dabei zunächst an Eisendraht, weniger an solchen aus Gold, Silber, Messing u. s. w. zu denken; das Compositum Drahtzieher ist mhd. noch nicht nachweisbar.

Drehergasse Danzig. Tornatorum vicus Frankfurt a. M. (sec. 14, später Drehergasse). In der Regel sind Dreher Drechsler

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