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die starre Isolirung der Fylken zu brechen," erweist sich solchen Erwägungen gegenüber als völlig haltlos, zumal da eine derartige Tendenz der Anschauungsweise der älteren Zeit durchaus fremd und überdies mit der Begründung der neuen Ämterhierarchie auf die Eintheilung des Landes in hèröd und fylki geradezu unvereinbar war; aber auch Munchs und Keysers Annahme einer allgemeinen Confiscation alles Grundbesitzes im Reiche wird kaum den obigen Bedenken gegenüber sich halten lassen. Man beruft sich freilich darauf, daß nach allgemeiner altgermanischer Auffassung der Übergang des Obereigenthumes an allem eroberten Lande auf den erobernden König sich von selbst verstanden habe; aber dem gegenüber darf denn doch als feststehendes Ergebniss aller neuerer Forschungen bezeichnet werden, daß der Grundsatz: „nulle terre sans seigneur", wie ihn das spätere französische und englische Recht allerdings aufstellt, dem älteren germanischen Rechte durchaus fremd war, daß das Lehenswesen sogar im fränkischen und angelsächsischen Reich erst sehr allmälig von ziemlich bescheidenen Anfängen aus zu seiner späteren politischen Bedeutung emporwuchs, und selbst in diesen seinen Anfängen mit der Eroberung Galliens oder Britanniens in gar keinem unmittelbaren Zusammenhange stand; daß ferner von entsprechenden feudalistischen Anschauungen in Skandinavien sich vollends auf Jahrhunderte hinaus keine anderweitigen Spuren nachweisen lassen. Ist hiernach in keiner Weise abzusehen, wie K. Harald, dessen Unternehmung sich ohnehin nur durch die Größe ihres Zieles und ihres Erfolges von denen seiner nächsten Vorgänger unterschied, zu jener monarchischen Theorie gelangt sein sollte, welche man ihm neuerdings wohl zu imputieren sucht, so ist auch nicht zu übersehen, daß deren Consequenzen sich doch jedenfalls nur auf die von ihm eroberten, nicht auch auf die von ihm ererbten Lande beziehen konnten, während doch unsere sämmtlichen Quellen von einer Einziehung und Besteuerung alles Grundbesitzes im ganzen Reiche sprechen, und hinterher ganz besonders den günstigen Eindruck der Rückgabe der Odelsgüter in den Hochlanden hervorheben, in einer Landschaft also, die von K. Harald gutentheils ererbt, nicht erobert war, nicht zu übersehen ferner, daß am Anfange wenigstens das Vorgehen dieses Königs ganz deutlich nur gegen das Kleinkönigthum als solches gerichtet war. Nur unter dieser Voraussetzung begreift sich nämlich die geringe Theilnahme, welche dessen Untergang bei dem ganzen übrigen Volke fand. Man betrachtete den Kampf um dessen Fortbestand offenbar nur als eine Angelegenheit, welche die Angehörigen der verschiedenen regierenden Häuser unter sich auszufechten hätten, und bei welcher die kleineren Leute höchstens

vermöge ihrer persönlichen Sympathieen oder Antipathieen für oder gegen diesen oder jenen einzelnen Fürsten betheiligt seien. Aber auch im späteren Verlaufe seines Vorschreitens kann der König im Großen und Ganzen keine andere Linie eingehalten haben. Zwei unserer ältesten und zuverlässigsten Quellen sagen ausdrücklich von ihm in Bezug auf seine spätere Regierungszeit: „gladdisc hann af þegnum sinom oc þegnar af honum, en rikit af hvaurotveggia 1);" ein Nachruhm dieser Art aber mochte zwar allerdings einem gewaltigen Könige, der durch hartnäckige Kämpfe die Einheit seines Reiches gegründet hatte, auch dann noch zu Theil werden, wenn er sich drückender Zwangsmaßregeln zur Durchführung dieses seines Zweckes schuldig gemacht hatte, indessen doch immer nur unter der Voraussetzung, daß der geübte Druck die große Masse seiner Unterthanen unberührt gelassen, oder doch wenigstens nicht allzutief verletzend berührt hatte, unmöglich aber konnte derselbe einem Despoten gespendet werden, welcher den privatrechtlich wie politisch werthvollsten Theil des Vermögens seiner sämmtlichen Unterthanen ohne jeglichen Rechtsgrund confisciert und bis an sein Ende widerrechtlich in der eigenen Hand behalten hatte. Auf dasselbe Ergebniss führt endlich auch noch eine weitere Erwägung hinaus. Weder der Mönch Theodorich, noch das Ágrip af Noregskonúnga sögum, noch das mit beiden zusammenhängende Breve chronicon Norvegiae weiß irgend etwas von der Einziehung des Grundeigenthums durch K. Harald, noch von dessen Zurückgabe durch K. Hákon; die Fagrskinna aber schweigt von der letzteren ebenfalls ganz, während sie bezüglich der ersteren sich nur auf die kurze Notiz beschränkt, þar eptir siðaðisk landit, guldusk skattar hit efra sun hit ytra“ *). Es ist kaum begreiflich, daß alle diese Quellen von einer so weittragenden Gewaltsmaßregel, wie die Einziehung aller Odelsgüter gewesen sein mußte, gar keine Kenntniss gehabt, oder daß sie, falls sie solche Kenntniss hatten, derselben Erwähnung zu thun unterlassen haben sollten, während sich ganz wohl begreift, daß die bloße Auflegung einer Steuer von ihnen nur im Vorbeigehen erwähnt oder selbst ganz übergangen werden konnte, und es stimmt hiezu recht wohl, daß auch die oben ausgeschriebenen Stellen sammt und sonders die Belastung des Grundeigenthumes durch Abgaben ganz besonders hervorheben, und daß die

1) Ágrip, cap 4, S. 380 (FMS. X); Heimskríngla, Haralds s. hárfagra cap. 25, Seite 67.

2) §. 14, S. 9; vgl. dazu Flateyjarbók, I, S. 575: „hereftir ruddiz landit ok sidadizst. Haralldr konungr skattade landit hit efra sem hit ytra.“ GERMANIA. Neue Reihe II, (XIV.) Jabrg.

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Heimskringla wenigstens die ganze Neuerung mit dem Bestreben Haralds in Zusammenhang bringt, durch möglichste Hebung der Einkünfte des Königthumes die Dotation seiner Jarle und Hersen zu steigern, um dadurch den Eintritt in den Königsdienst auch für die vornehmsten Männer lohnend und lockend zu machen.

Aber freilich lässt sich gegen alle diese Erörterungen ein Einwand erheben, der sie vollständig zu Boden zu schlagen geeignet scheinen möchte, der Einwand nämlich, daß ihnen der übereinstimmende Wortlaut der sämmtlichen Quellen, welche überhaupt K. Haralds und K. Hákons Verfügungen besprechen, in bestimmtester Weise widerspricht. Sammt und sonders sprechen diese Quellen in unzweideutigster Weise von einer Aneignung des Grundbesitzes Seitens des Königs, und hierin liegt die unbestreitbare Schwäche der von Torfaeus, Schöning, Tyge Rothe verfochtenen Ansicht; fragt sich indessen, ob der kategorische Widerspruch, der hier zwischen den klarsten Ergebnissen der Quellenauslegung und den zwingendsten Erwägungen der geschichtlichen Construction zu bestehen scheint, nicht etwa durch die Heranziehung anderweitiger geschichtlicher Thatsachen sich lösen lasse. Es ist längst bekannt, daß noch in zwei anderen Fällen von einem Übergange aller Odelsgüter einer bestimmten Landschaft in die Hand ihres Fürsten berichtet wird; diese geschichtlichen Parallelen aber zur Bewältigung der vorliegenden Schwierigkeiten heranzuziehen hat wunderlicher Weise noch Niemand versucht, obwohl zumal Munch auf die Analogie der drei Vorkommnisse wiederholt hingewiesen hat '). Ich will nun diesen Versuch hier anstellen. - Der eine der hiehergehörigen Fälle hängt mit der Unterwerfung der Insel Man durch K. Guðröðr Crovan zusammen, welche etwa in den Jahren 1070—1080 vor sich gegangen zu sein scheint, und wird in der einzigen darüber berichtenden Quelle, der Chronica regum Manniae et Insularum, S. 4 (ed. Munch) folgendermaßen erzählt: „Godredus sequenti die optionem exercitui suo dedit, vel si mallent Manniam inter se dividere et in ea habitare, vel cunctam substantiam terrae accipere, et ad propria remeare. Illis autem magis placuit totam insulam vastare et de bonis illius ditari, et sic ad propria reverti. Godredus autem paucis qui secum remanserant de insulanis australem partem insulae, et reliquiis Mannensium aquilonarem tali pacto concessit, ut nemo eorum aliquando auderet jure haereditario sibi aliquam partem terrae usurpare. Unde accidit ut usque in hodiernum diem tota insula solius regis sit, et omnes redditus ejus

1) Vgl. z. B. Det norske Folks Historie, I, 1, S. 516; Chronica Manniae, S. 53. 54.

ad ipsum pertineant." In diesem Falle liegt nun, falls unsere Überlieferung anders glaubwürdig ist, eine wirkliche Einziehung alles Grundeigenthumes unzweifelhaft vor, und in diesem Falle stützt sich dieselbe unzweifelhaft wirklich auf das Recht der Eroberung; nach beiden Seiten hin also lässt dieser Fall sich für die Munch - Keyser'sche Ansicht geltend machen. Aber es darf doch nicht übersehen werden, daß der Bericht unserer Chronik einen ziemlich sagenmäßigen Anstrich hat, und wie Munch selber zugibt, recht wohl hinterher entstanden sein kann, um die eigenthümlichen Besitzverhältnisse auf der Insel zu erklären, nachdem deren wirkliche Entstehung bereits dem Gedächtnisse entschwunden war. Zu berücksichtigen ist ferner, daß der Vorgang, wenn derselbe wirklich geschichtlich begründet sein sollte, jedenfalls um etwa zwei Jahrhunderte von K. Haralds Lebenszeit abliegt, und nicht Norwegen selbst, sondern den Inseln des Westens angehört, auf denen das wildeste Vikingerleben von jeher seinen Sitz hatte; daß ferner aus der Möglichkeit einer Einziehung alles Grundbesitzes auf einer nicht einmal 20 M. großen Insel nicht wohl auf die Durchführbarkeit einer gleichen Gewaltmaßregel in einem Reiche wie Norwegen geschlossen werden kann. Endlich ist auch nicht unbeachtet zu lassen, daß die Folge der Einziehung nach der Chronik selbst die war, daß für die Zukunft auf der Insel jedes Erbrecht an Grund und Boden für die Unterthanen völlig ausgeschlossen, und deren Besitzrecht somit im vollsten Sinne des Wortes auf das Recht eines bloßen Pächters, sei es nun auf Zeit oder auf Herrengunst, herabgedrückt war, während doch für Norwegen eine gleich radicale Durchführung des ausschließlichen Herrenrechtes kaum Jemand wird behaupten wollen, und z. B. aus der Eigla, cap. 57 S. 124 klar ersichtlich ist, daß ein Erbrecht an liegenden Gütern eben so gut wie an der Fahrhabe daselbst auch unter K. Eiríkr blóðöx, also zu einer Zeit anerkannt war, welche zwischen der Einziehung der Güter durch K. Harald und deren Rückgabe durch K. Hákon in der Mitte lag. Aus dieser Parallele also glaube ich für die Erklärung der von K. Harald getroffenen Verfügung Nichts entnehmen zu dürfen. - Der zweite der hier zu besprechenden Fälle dagegen gehört dem Schlusse des 9. Jhds. an, also der Regierungszeit K. Haralds selbst, und bezieht sich auf die Orkneys. Zwei Söhne eben dieses Königs hatten den Rögnvald Maerajarl erschlagen. Ein Sohn des Getödteten, Torf-Einarr, der Beherrscher der Orkneys, hatte sodann einen der Schuldigen in Übung der Blutrache grausam ums Leben gebracht und war dafür von dem Könige seinerseits mit Krieg überzogen worden. Endlich wurde ein Vergleich geschlossen, zwischen dem Könige einerseits und dem Jarle

sammt seinen Unterthanen andererseits, da auch diese von Harald für die That ihres Häuptlinges haftbar gemacht wurden. Da erzählt nun die Flateyjarbók in ihrer Orkneyinga s., Bd. I, cap. 183, S. 224 Folgendes: Haralldr konungr lagde gialld a eyiarnar ok bad þa giallda 60. marka gullz. Einarr jall baudz til at hallda æinn upp gialdinu ok æignaz odul þeirra öll. en bændr uilldu þat þuiat hinir audgu hugduzst leysa mundu odul sin en hinir snaudu höfdu ekki fe til. Einarr greidde upp gialldit ok uar þat leinge sidan at jallar attu odul oll adr Sigurdr jall gaf upp Orknneyingum odul sin." In cap. 186, S. 226227 wird dann hinterher noch berichtet, wie Sigurdr jarl digri am Ende des 10. Jhdts. von den Schotten bedrängt, „gaf Orknneyingum odul sin til liduæitzslu," und wie nach erkämpftem Siege „fengu þa Orknneyingar odul sin;" wenigstens jene erstere Erzählung findet sich aber nahezu gleichlautend auch in der Heimskringla, Haralds s. hárfagra, cap. 32, S. 71-72, wogegen ein kürzerer Bericht über die Geschichte der Inseln, welche in deren Ólafs s. ens helga, cap. 99, S. 322, in die späteren Bearbeitungen dieser letzteren Sage (cap. 81, S. 91, ed. Unger, sowie cap. 91, S. 212 in den FMS., IV), endlich in die Orkneyinga s., S. 2 der Ausgabe Jón Jónsson's eingestellt ist, zwar in Etwas abweicht, aber doch in keiner für unsere Frage irgendwie erheblichen Richtung, und überdies wohl nur in Folge einer Ungenauigkeit in der Wiedergabe seiner Vorlage. Nach jener Erzählung nun ist es ganz und gar nicht irgend welche Eroberung, durch welche die Abtretung der Odelsgüter auf den Inseln bedingt ist, sondern lediglich ein auf einem Vertrage beruhendes Privatgeschäft; der Jarl legt für seine Bauern eine bestimmte Summe Geldes aus, und dafür treten ihm diese sofort ihre Güter ab, ohne daß dabei von der einen oder von der anderen Seite her irgend welche feudalistisch-monarchische Theorie in Mitleidenschaft gezogen würde. Insoweit ist das Geschäft juristisch unzweifelhaft als ein Kaufgeschäft zu construieren, bei welchem nur in Folge eines mit ihm combinierten Zahlauftrages die Erlage des Kaufpreises nicht an die Verkäufer, sondern statt ihrer an einen von ihnen bezeichneten Dritten zu geschehen hatte; aber die eigenthümliche Natur des Handels ist mit dieser Construction allerdings in alle Weite noch nicht vollständig erschöpft. Einmal nämlich blieb doch wohl auch hier, ähnlich wie in Norwegen, der Besitz der abgetretenen Güter nach wie vor bei den abtretenden Bauern, obwohl unsere Quellen allerdings über diesen Punkt vollkommen schweigen; eine Landleihe muß demnach doch wohl auch hier an den Landkauf in der Art sich angeschlossen haben, dass der Käufer jedes einzelnen Besitzthumes

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