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legt sein soll, wie Mone p. 9 will, ist nicht recht ersichtlich Daß auch auf Dörfern Osterspiele aufgeführt wurden, wissen wir ja zur Genüge aus der famosen 13. H. in Murners Ulenspiegel. Es ist ein gewonheit hie," spricht der Pfarrer, „das die bauern allwegen zu den ostern in der nacht ein osterspil halten wie unser her entstet usz dem grab." (ed. Lappenberg p. 16.) Wenn das in gewöhnlichen Dörfern geschah, so konnte es um so mehr in Redentin der Fall sein. Redentin wurde 1192 von dem Fürsten Heinrich Borwin I. dem Cistercienserkloster Doberan geschenkt (Meckl. Urkb. a. a. O.) und von diesem bis zur Reformationszeit durch einen Conversen bewirthschaftet, Redentin war der Hauptort der Klosterbesitzungen "); was Wunder also, wenn dort zu den kirchlichen Feierlichkeiten eben so große Anstalten getroffen werden wie etwa in den Städten, und wenn sich Jemand findet, der ein Osterspiel verfertigt.

Die Localisierung der Handlung in Redentin ist so vortrefflich gelungen, daß kaum an eine einfache Substituierung der Namen an Stelle ursprünglich anderer gedacht werden kann. Zwar wenn der Wächter auf dem Thurme von Hiddensee und Mone (V. 206) spricht, so ist das eine gewaltige Aufschneiderei; beide Inseln, Hiddensöe und Mön, sind von Redentin aus - noch weniger natürlich von Wismar nicht zu sehen. Aber es liegt durchaus im Charakter des Wächters, der die schlafenden Grabeshüter foppt, sie zu wecken bei einer Gefahr, die noch in weiter nebliger Ferne schwebt, ja fast nicht sichtbar ist. Wohl aber liegt Pöl den Redentinern so zu sagen vor der Thür; nur ein schmaler Meeresarm trennt die Insel von der Redentiner Feldmark, und so ist es durchaus im Sinne der Localität, wenn der Ritter sagt: "Segghe mywen se sint by Pole, so wil ik my to der were stellen." (V. 212.)

Man sieht, es liegt kein Grund vor, den Schauplatz des Stückes von Redentin weg zu verlegen. Auch der Grund ist nicht zwingend, den man für eine Aufführung in der Stadt geltend machen könnte: daß nämlich die dem Teufel in die Hände gefallenen und durch ihre eigene Beichte dem Gespötte des Publicums preisgegebenen armen Seelen größtentheils Handwerkern angehören. Einmal bot eine vorwiegend bäuerliche Bevölkerung in ihrer Gleichförmigkeit, da sie sich

2) Dies ergibt sich daraus, daß das betreffende großherz. Amt, welches jetzt seinen Sitz in Wismar hat, eben von Redentin den Namen trägt. Zu Redentin gehörte auch das angrenzende Farpen (s. Beiträge zur Statistik Mecklenburgs 1865 Bd. IV p. 124); dort steht noch heute ein altes großes Gebäude, jetzt Kornspeicher, welches die Tradition als ehemaliges Kloster bezeichnet.

nicht in gewerbliche Gruppen theilte, keine Handhabe für diesen Zweck, und sodann waren doch Schneider und Schuster und Krämer und gar der Schenkwirth dem Landvolk so wichtige und bekannte Personen, übten vielleicht mit besonderer Vorliebe ihre Künste an dem für weniger gerieben geltenden Bauern, daß man sie mit Erfolg einem ländlichen Publicum vorführen konnte.

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Wie nun verhält es sich mit der Quelle des Stückes? Mone nimmt an, daß dem Schreiber der Handschrift die beiläufig nicht Autograph des Verfassers ist ein älteres Stück vorgelegen habe, welches er theils übersetzte, theils bearbeitete, und zwar wäre dies Original ein niederrheinisches (p. 7). Das glaubt Mone aus der Sprache des Stückes schließen zu sollen, welche nicht rein die mecklenburgische Mundart wiedergebe, sondern Formen zeige, die zunächst auf den Niederrhein weisen. Dieser Anschauung hat schon Ettmüller im Allgemeinen widersprochen (p. VII); es sei erlaubt, hier eines Näheren darauf einzugehen.

Das Hauptargument ist für Mone ein starkes Schwanken namentlich der Verbalformen, welches der Mundart zuwider sei. Hier aber scheint Mone manigfach irre geleitet zu sein durch die Autorität von Ritter (Gram. der mecklenb. Mundart 1832), der er seine Kenntniss der Mundart verdankt. Daß der sächsischen, speciell mecklenburgischen Mundart die 2. Pl. Präs. und Prät. auf en nicht eigen sein soll, ist eine durchaus irrige Behauptung: vielmehr geht noch heute die Form auf en neben der auf t her, und zwar nicht bloß in der 2., sondern auch noch heute in der 1. wie auch in der 3. Pl. Präs., wovon Mone (p. 6) Beispiele aufführt. Ebenso bestimmt kann versichert werden, daß die von Mone der mecklenb. Mundart abgesprochene 2. Pl. Präs. sint (p. 4) in der getrübten Aussprache sünt noch heute geläufig ist. [Vgl. Nerger S. 67. 167.]

Daß Reime zwischen u und o, û und ô Beweise für eine fremde Mundart seien (p. 5), ist gleichfalls irrig. Dies Schwanken zwischen o und u, das allerdings bei Gottfried Hagen zahlreich belegt ist, bindet sich keineswegs an den Niederrhein. Dies Schwanken ist recht ein Charakteristicum des Niederdeutschen; vom Rhein bis über die Elbe hinaus reimt noch bis ins 16. Jahrhundert u mit o, weil vielleicht beide Vo cale, wie das noch heute in der Mundart geschieht, durch eine breite Aussprache vermittelt und einander nahe gerückt wurden. Nur diese auch heute noch nicht ganz bewältigte Unsicherheit der Aussprache, dieses Streben, einem zwischen zweien schwebenden breiten Vocal zu seinem graphischen Ausdruck zu verhelfen, ist es, was in die niederdeutschen Handschriften die Schreibungen û und hineingebracht hat, die sonst keine Bedeutung haben. [Vgl. Nerger S. 34 fg. 134.]

Ganz ebenso verhält es sich mit dem von Mone beanstandeten ey. Wenn Hoffmann im Reineke Vos und Ettmüller in seinen Ausgaben niederdeutscher Dichtungen durchaus ê schreiben, so ist das ungerechtfertigt. Die heutige sehr breite Aussprache des ê lässt ein i stark durchklingen, eine Eigenthümlichkeit, die in dem Wechsel der Schreibung in den Handschriften und alten Drucken ihren berechtigten Ausdruck findet und nicht verwischt werden sollte. [Vgl. Nerger S. 32.]

Ein anderer Stein des Anstoßes für Mone ist die Varietät in den Formen des Personalpronomen 1. und 2. Person. Hier finden sich allerdings, selbst im beweisenden Reim, neben dem überwiegenden Gebrauch des über den größten Theil des niederdeutschen Sprachgebietes verbreiteten mi und di abweichende Formen, z. B. alleweldich dich 343. alweldich mich 677. sik: mik 939. tir: hir 734. Daneben mik dat.: 926. 1421. 1793. mik acc. 1402. 1420. dik dat.: 1533. 1604. 1605. 1853. 1907. dich acc. 1730. In Bezug auf diese Formen muß zugegeben werden, daß sie der heutigen Mundart fremd sind. Da sie jedoch in linkselbischen Gegenden noch heute gebräuchlich sind, so ist anzunehmen, daß ihre Herrschaft sich einst weiter östlich erstreckte und allmählich zurückwich. Zum Beweise übrigens, daß das Redentiner Spiel mit diesen Abweichungen nicht allein steht, mögen hier noch einige andere Belege stehen 3).

mik (mek) dat. Zeno 141. 379. 418. 609. 992. Baumg. 169. Theoph. 641. Fl. 66. 1011. 1136. N. u. V. 645. 833. Fastn. '1071, 4. mik (mek) acc.: Kranesh. 42. Fl. 90. 1255. Fastn. 1065, 5. dik (dek) dat.: Baumg. 70. Dere rat 27. Brand. 626. 938.

Theoph. 101. 456.

dik (dek) acc.: Zeno 141. 1367. Dere rat 58. Theoph. 351. Fl. 1385. N. u. V. 341.

mir (: hir) 3 Kon. 50.

3) Von den hier und in der Folge viel gebrauchten Citaten stehen Zeno, Baumgarten (Baumg.), Lob der Frauen (Vruwenl.), Rathsversammlung der Thiere (Dere rat), Marinus (Mar.), Brandan (Brand.), Flos und Blankflos (Fl.) und Theophilus (Theoph.) bei Bruns altplattd. Gedichte; Holsteinsche Reimchronik (Holst.) bei Staphorst Hamburg. Kirchengesch. II 118 ff.; Van der bort Christi (Bort Ch.), Van dem holte des h. krutzes (Hdhk.), Van eynem eddelen krutgarden (Krutg.), kranszhals (Kranesh.), Unser leven frouwen rozenkrantz (Rosenkr.), Namelosz und Valentyn (N. u. V.) und Van dren konyngen (3 Kon.) bei Staphorst IV 175 ff. Cl. B. bedeutet Claws Bur, Verl. S. den Verlornen Sohn, beide in der Ausg. von Höfer, R. V. den Reineke Vos ed. Lübben. Sündenfall, Marienklage und Osterspiel ed. Schönemann. De deif van Brugghe (Deif v. Br.) und Fuchs und Hahn (F. u. H.) stehen Zeitschr. V, 385 ff. Die Fastnachtspiele (Fastn.) sind citiert nach der Ausg. von Keller (Bibl. d. litt. Vereins Bd. 28-30), Lauremberg (Laur.) nach der von Lappenberg (Bibl. des litt. Ver. Bd. 58).

In allen den genannten Gedichten ist der Gebrauch der Formen mi und di weit überwiegend, ebenso im Sündenfall und der Marienklage, obwohl in diesen beiden die Formen mik und dik auffallend zahlreich belegt sind. Hier finden sich auch sonst auffallende Formen: myr Marienkl. 84, mich dat. ibd. 100. me dat. ibd. 154, und zwar diese Formen ohne Nöthigung durch den Reim; im Reim dagegen me acc. (: nocte) Sündenf. 3361. me dat. (: wê) ibd. 2363. (: de) ibd. 3793. (: sẽ) ibd. 3929. Über solche und ähnliche Schwankungen im Niederrheinischen s. Schade, Geistl. Ged. vom Niederrhein p. 244, wo eine sehr wünschenswerthe ausführlichere Abhandlung über diesen Gegenstand verheissen ist.

Hier sei gleich eine Bemerkung angeknüpft über die Frage, ob uns oder us? Ettmüller hat bekanntlich, sich stützend auf den Reim us: clus 712, letztere Form durchgeführt, damit aber entschieden der Sprache Gewalt angethan. Auch kommen nicht etwa beide Formen gleich oft vor, wie Ettmüller p. X meint, sondern es stehen beiläufig 98 uns, unser, unsem u. s. w. gegen 25 us u. s. w., wobei immer noch anzunehmen ist, daß der Schreiber, der es schrieb, gar manches Strichlein vergass. Einige Belege für us aus andern Dichtungen sind Vruwenl. 65. Mar. 203. Brand. 117. 989. 1108 und durch den Reim us: hus gesichert Bort Ch. 211. Besonders häufig, aber keineswegs ausschließlich finden sich us u. s. w. im Sündenfall, dessen linkselbische Heimat gesichert ist. Es wird auch hier wie oben angenommen werden müssen, daß us durch uns, neben dem es lange bestand, allmählich über die Elbe zurückgedrängt wurde. Schon Lauremberg kennt es nicht mehr 1); der heutigen Mundart ist es ganz fremd.

Ein besonderes Gewicht legt Mone auf das gleichzeitige Vorkommen rein niederdeutscher und, wie er meint, niederrheinischer Verbalformen. Als Beispiel wird p. 4 sagen neben seggen angeführt. Mag nun sagen immerhin, auf welchem Wege und zu welcher Zeit es wolle, aus dem Hochdeutschen ins Niederdeutsche herübergedrungen sein, jedenfalls war es im 14. und 15. Jahrh. den Dichtern der verschiedenen niederdeutschen Landstriche so durchaus geläufig, daß aus dem gleichzeitigen Vorkommen der aus sagen und seggen gebildeten Formen gar kein Schluß auf eine Übersetzung, sei es aus dem Hochdeutschen oder

*) Bei seinem Zeitgenossen, dem Jeveraner Hermann Scheer, kommt es vor. S. im Anhang zu Lauremberg die Niederd. Satiren und Hochzeitsgedichte 1, 39. S. auch 6, 89 (in Buxtehude entstanden; s. p. 206 der Lappenbergschen Ausg.) 8, 28. 66. 107. 11, 18. 22 (beide Gedichte dem Stift Bremen angehörig, s. p. 206).

dem Niederrheinischen, gezogen werden kann. Eine einfache Zusammenstellung der vorkommenden Formen mit Belegen beweist das. Die nachfolgende Übersicht der verschiedenen Formen von seggen (sagen), der wir eine andere der noch manigfaltigeren Formen von hebben (han) folgen lassen, wird darthun, wie häufig eine und dieselbe Dichtung zwei und mehr Formen neben einander aufweist. Ausdrücklich bemerkt sei, daß wir uns in den Citaten wesentlich beschränken und namentlich aus jedem Gedichte für eine einzelne Form nur eine Belegstelle anziehen. I. Infin. seggen Red. Sp. 1200. Zeno 809. Bort Ch. 113. Fl. 500. Fastn. 965, 18. sagen Red. Sp. 20. Zeno 1503. Bort Ch. 35. Fl. 190. Fastn. 962, 28. Brand. 829. Krutg. 177. 3 Kon. 279. Holst. 184. Deif v. Br. 25.

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1 Sg. Praes. segge Red. Sp. 110. Bort Ch. 26. Bort Ch. 810. Theoph. 158. Fl. 82. Deif v. 2 Sg. Praes. sechst fast durchgehends. Fl. 698.

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3 Sg. Praes. secht Bort Ch. 279. Kranesh. 190. Fl. 32. Bort Ch. 870. Fl. 49. seyt Deif v. Br. 15.

segget Kranesh. 271.

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sacht Fl. 174.

saget

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sagede Zeno 1424. N. u. V. 489.

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sage Mar. 44. Brand. 328.

saget N. u. V. 894.

2 Pl. Imperat. segget gewöhnlich. Part. Praet. gesecht gewöhnlich. -secht Zeno 377. Kranesh. 134. R. V. 6081. gesaget Theoph. 672. Bort Ch. 55. N. u. V. 450.saget Zeno 1400. gesacht Sündenf. 3674. R. V. 1624. Hdhk. 106.

geseit

II. Infin. hebben Red. Sp. 660. Zeno 537. Brand. 404. Cl. B. 296. Verl. S. 549. Bort Ch. 68. Hdhk. 282. Kranesh. 74. Fl. 78. N. u. V. 405. Ostersp. 157. Deif v. Br. 261.han Red. Sp. 186. Zeno 866. Brand. 177. Theoph. 124. Cl. B. Vorr. 3. Bort Ch. 474. Hdhk. 191. Kranesh. 193. 3 Kon. 134. Fl. 41. N. u. V. 168. Ostersp. 36. Fastn. 966, 13. Deif v. Br. 588. Verl. S. 1685. haven Theoph. 407. Kranesh. 196. Marienkl. 122.

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