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MISCELLEN.

ANMERKUNGEN ZU TOM BROWN'S SCHOOLDAYS.
(Engl. stud. VI, 3 und VII, 3). NACHTRAG.

Durch die tendenz meines aufsatzes war eine gewisse abgerissenheit und kürze meiner glossen bedingt, die an einigen stellen dem missverständnisse ausgesetzt sein dürfte und desshalb nachträglich einige theils ergänzende, theils berichtigende bemerkungen nöthig macht. Wie ich in der einleitung und im schlussworte andeutete, wollte ich mit besonderer beziehung auf den unterricht mitwirken zu einer vertiefung in der auffassung und behandlung phraseologischer und idiomatischer sprachgebilde. Diese vertiefung suche ich vornehmlich in der akribie bei feststellung der bedeutung, ferner in der reconstruction der zu grunde liegenden anschauung und endlich in dem aufsuchen eines deutschen äquivalentes oder auch nur einer analogie des deutschen sprachgebrauches. Für diese hermeneutischen grundsätze weiss ich keine bessere illustration als die besprechung eines exegetischen verfahrens, das durch ungenauigkeit und unbestimmtheit vom rechten wege abirrt und das nicht in den eigentlichen geist der sprache eindringt. Ich ging keineswegs darauf aus, eine kritik der Pfeffer'schen schulausgabe zu liefern; ich wollte nur die für die auslegung massgebenden grundsätze im einzelnen exemplificiren. Gerade in dem gegenüberstellen des Englischen und Deutschen, in der vergleichung verschiedener sprachen, in dem ringen der übersetzungskunst finde ich das wichtigste geistbildende moment des fremdsprachlichen schulunterrichts und zugleich einen grossen gewinn für die wissenschaft. Denn fast überall wird man finden, dass man für den englischen ausdruck nicht einen ganz adäquaten deutschen zur verfügung hat, dass die entsprechenden wortbegriffe sich nicht vollkommen decken. Also gilt es, in der übersetzung dem englischen ausdrucke möglichst nahe zu kommen, und zwar (das ist mein princip) nicht bloss dem sinn und der bedeutung nach, sondern auch in hinsicht der stilistischen färbung und des zu grunde liegenden vorstellungsbildes. So habe ich beispielsweise (Engl. stud. VII, p. 390) bei der verdeutschung der worte »Arthur launched into his home history« der matten und trivialen wiedergabe »fing an, die geschichte zu erzählen« eine übersetzung entgegenzustellen versucht, die der drastischen und frischen bildlichkeit des englischen ausdrucks gerecht wird: »er liess seine familiengeschichte vom stapel. Natürlich

ist diese übertragung dem intransitiven begriffe von to launch into nicht conform, und ich zog desshalb auch andere deutsche ausdrücke zur vergleichung heran, die in dieser beziehung wenigstens besser entsprechen, wie: sich ergehen, sich verbreiten über. Aber da meines wissens hier ein deutsches gegenbild fehlt, so glaube E. Kölbing, Englische studien. VIII. 1.

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ich, dass die wendung er liess seine familiengeschichte vom stapel noch am besten den ton und die färbung der phrase trifft. Der deutsche ausdruck ist ebenso behaglich als der englische. Nicht minder können deutsche analoga die zahlreichen slangartigen oder provinziellen ausdrücke in's rechte licht setzen. schlug ich für grube verpflegung vor. Bei der stelle that's the best grub for tea würde ich futter vorziehen. Der vielumfassende gebrauch des beliebten amerikanismus to fix (to fix one's hair, supper, room etc.)« verliert seine räthselhafte wunderlichkeit, wenn man sich des verallgemeinernden begriffswandels erinnert, den ähnliche deutsche provinzialismen zeigen. Für zurechtmachen ist am Mittelrhein allgemein üblich: in die reihe bringen oder in die reihe machen (sein haar, den thee, das zimmer, die bücher etc. in die reihe machen). Die bedeutungsgeschichte weist hier einen durchaus ähnlichen process auf. Weil hunderterlei dinge gerade durch ein packen, befestigen, feststellen einerseits, ebenso wohl aber auch durch ein einfügen in die ordnungsmässige reihe andrerseits zurecht gemacht werden, sind die beiden besonderen begriffe zu allgemeinen erhoben worden 1). Nicht bloss die phonetik und grammatik, auch die lexikologie und phraseologie wird durch das vergleichende verfahren gefördert und vertieft. In ähnlicher weise suchte ich die phrase to be put to it to be driven to extremities, to be at a loss der deutschen anschauung näher zu rücken, indem ich 1) hinsichtlich des gebrauches von »put« auf das deutsche »jem. arg zusetzen verwies (vgl. put to, Hoppe's Supplement-lexikon), 2) hinsichtlich des unbestimmten »to it unser »jem. schlimm dran kriegen zur vergleichung heranzog. Zu bemerken ist freilich, dass to put one to it, das wiederholt bei Shakespeare vorkommt, heute veraltet ist, während »to be put to it noch immer cursirt, ebenso wie »a put to« und »to put one to a thing..

Doch man gestatte mir jetzt, in der reihenfolge meines aufsatzes diejenigen stellen aufzuführen, für welche ein nachtrag erforderlich erscheint.

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Engl. stud. VI, p. 338. buxom. Der Pfeffer'schen übertragung flink konnte ich nicht beitreten, denn dies wäre = nimble. Indessen vereinigt der begriff > buxom<< so verschiedenartige seiten, dass man mit einer kurzen definition nicht ausreicht und dass man kein hochdeutsches wort finden wird, das allen jenen seiten vollkommen gerecht wird. Buxom schliesst wohl die begriffe gesund und lustig ein, aber nicht jeder beliebige, oder jede beliebige, die beides ist, gesund und lustig, kann desswegen auch »buxom genannt werden. Die meinung des wortes ist eine speciellere und individuellere. Nachdem es auf den älteren stufen der sprache einen höchst interessanten bedeutungswandel durchgemacht hatte, ist es im modernen sprachgebrauch zu einer eigenartigen begriffsbesonderung gelangt. Es wird nur auf weibliche personen angewendet. Buxom ist eine frau, die sich einer kräftigen gesundheit erfreut, volle, runde körperformen hat, ohne jedoch fett genannt werden zu können und die zugleich frisch, aufgeräumt und munter ist. Der begriff frolicsome (den Webster der definition beifügt), »given to pranks, oder »wanton liegt für die heutige sprachempfindung nicht mehr in dem

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1) Ebenso wird uns der amerikanismus a spell (of coughing etc.) anschaulicher, wenn wir uns unseres colloquialen eine tour erinnern, womit man ebenfalls eine periodische anwandlung des hustens zu bezeichnen pflegt. Spell ist ja eigentlich die periodische reihenfolge, welche arbeiter inne zu halten haben. (Vgl. Cummins, the Lamplighter, p. 14: another violent coughing spell decided him at once to share with her his shelter, fire and food).

worte. Dralle entspricht etwa der somatischen seite des wortbegriffs, aufgeräumt, alert der psychischen seite desselben. Da unser sprachgebrauch in dem worte frisch in ähnlicher weise dem inneren zusammenhange der begriffe gesund und munter einen ausdruck leiht, so dürfte sich dieses wort wohl noch am besten zur übersetzung eignen. (Ganz analog ist »kregel in der westfälischen volkssprache, nur dass es auch von der männerwelt gilt.)

VI, p. 338. He had even gone the length of taking out his flint and steel and tinder. Dr. Pfeffer nennt »the length« einen accusativ des zweckes, während er doch nichts anderes ist als der accusativ des raumes, den der Deutsche wie der Engländer gebraucht in sätzen wie: he walked three miles, er legte diese strecke zurück. Mag auch die anschaulichkeit des ausdruckes »length< an der citirten stelle durch die beziehung auf die geflissentliche langsamkeit und umständlichkeit des feuerschlagens in ihrer wirkung auf den leser gewinnen, so muss doch berichtigend bemerkt werden, dass to go the length of doing a thing« nichts anderes heisst als: soweit gehen, etwas zu thun. (Man vergleiche die von weitgehenden wirkungen und einflüssen übliche redensart: to go a great way [in...].) Auch bei ganz raschen handlungen, zu denen man sich, wie der Deutsche in einem anderen bilde sagt, versteigt, ist die phrase to go the length of doing am platze.

VI, p. 338 unten. to knock one out of time. Ergänzend dürfte noch bemerkt werden, dass die redensart aus dem prizefighters' slang stammt. Wenn dr. Pfeffer erklärt: »eigentlich jem. umbringen, so scheint er time als die zeit im gegensatze zur ewigkeit zu fassen. Aber es handelt sich doch nur um einen sehr starken, betäubenden schlag. In der »Taalstudie‹ (V, 3) wird als die der phrase zu grunde liegende vorstellung bezeichnet: that the victim loses all sense of time and places. Diesen deutungen erlaube ich mir eine dritte entgegenzustellen. Jeder neue gang (round) des faustkampfes wird durch den die uhr in der hand haltenden unparteiischen (referee) mit dem stereotypen rufe: time! angekündigt. Hierauf nimmt die redensart to knock one out of time« bezug: jemand so schlagen, dass er für den ruf time« verloren ist, dass er für einen weiteren mit time!« anzukündigenden round nicht mehr in betracht kommt. Man vergleiche Guy Livingstone, p. 26 (T.): the prizefighter . . . was . . crashed down.. at his feet, a heap of blind, senseless humanity. >Time! You must call louder yet, before he will hear. Thackeray, Vanity Fair I (T.), p. 61: and the fact is, when time was called, Mr. C. was not able . . . to stand up again. Guy Livingstone, p. 158: when I saw him so floored as not to be able to come to time. Dickens, Hard Times (T.) p. 8: He was certain to . . render that unlucky adversary deaf to the call of time. Vom volkswitze wurde dann jenes out of time << scherzhaft erweitert zu der phrase to knock one into next week..

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VI, p. 339. to give one a lift. Die interpretation Pfeffer's »jem. hilfe

leihen ist viel zu allgemein und weit. Man denke sich nur den unsinn, wenn man die phrase anwenden wollte in sätzen wie: Leiht den bedrängten, unglücklichen hilfe! oder: Gott leiht uns hilfe! Der ausdruck hat ebenso wie unser behilflich sein, unter die arme greifen, zur hand gehen eine viel speciellere verwendung. Er wird zunächst nur von bestimmten kleinen dienstleistungen und gefälligkeiten gebraucht, wobei noch heute die vorstellung, das bild des hebens, voranbringens vorschwebt. Alles das deutete ich an durch den kurzen hinweis auf die wörtliche bedeutung der phrase. (vgl. Webster: lift: [3] assistance in lifting etc.) Zurecht helfen, weiter helfen, voranhelfen wäre besser am platze gewesen; denn to give

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one a lift wird am häufigsten von einem gebraucht, der jem. eine strecke im wagen mitfahren lässt. Bulwer, My Novel (T.) I, p. 170: Perhaps we are going the same way, and I can give you a lift? Collins, the Dead Secret (T.) I, p. 285 he offered to give them a lift as far as the next town. In der betreffenden stelle der Schooldays besteht das giving a lift zumeist darin, dass der freund Tom's reisegepäck besorgen lässt und ihm, wie man sagt, von der stelle hilft. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass diese colloquiale redewendung nicht auch einmal in drastischer, übertragener weise gebraucht werden könnte. Nur muss auch dann die concrete grundvorstellung als unterlage der metapher festgehalten werden, z. b. to give a young fellow a lift in life. (Das leben ist als weg gedacht, auf welchem dem jungen manne vorangeholfen wird.) Oder: Dickens, Hard Times (T.) p. 254: much watching of Louisa, and much consequent observation of her impenetrable demeanour, which keenly whetted and sharpened Mrs. S.'s edge, must have given her as it were a lift, in the way of inspiration. Auch hier kann der Deutsche im bilde bleiben und »to give a lift etwa mit weiter bringen wiedergeben. Ein allgemeines hilfe leihen<< würde die metapher aufheben.

VI, 341. Hier verzeihe man mir einen lapsus calami, wenn ich als phrase aufführte: >to have got a tick at one statt »at a merchant's« oder »at Mr. Sucha-one's«.

VI, 343. spite of one's teeth. The stupid, obtrusive, wakeful entity which we call »I«, as impatient as he is stiffnecked, spite of our teeth will force himself back again. Was die auffassung des interessanten ausdruckes spite of our teeth angeht, halte ich den bemerkungen der »Taalstudie« (V, 3) gegenüber meine behauptung aufrecht. Offenbar liegt das vorstellungsbild des entschlossenen widerstandes zu grunde, wie er sich in dem energischen zusammenbeissen der zähne kund giebt. Auch das französische malgré ses dents ist nicht kurzweg identisch mit malgré lui, sondern bedeutet: malgré sa résistance. Die fragliche stelle aus Tom Brown könnte ganz schicklich so paraphrasirt werden: the obtrusive entity which we call >>I will force himself upon us in spite of our teeth being set (however firmly our teeth are set). Ist doch to set one's teeth eine ganz gebräuchliche redeweise, welche die haltung eines mannes bezeichnet, der seine kräfte energisch zusammenfasst, um sich zu vertheidigen oder ein grosses hemmniss zu besiegen. Von einem wanderer, der von räubern überfallen wird, können wir sagen: He sets his teeth and stands firm, resolved to die rather than yield; oder von einem reiter, der einen gefährlichen sprung wagt: He sets his teeth firmly, puts spurs to his horse and awaits the result. Ebenso läuft auch der metaphorische gebrauch des der wirklichkeit abgelauschten sprachgebildes auf nichts anderes hinaus. He set his teeth against all innovations = he resisted all innovations. Auch bei Shakespeare, The Merry Wives V, 5 ist der sinn kein anderer wie in der oben commentirten stelle. In despite of the teeth of all rhyme and reason.<< Heisst diess etwas anderes als: So sehr sich reim und vernunft dagegen sträuben, oder wie der Deutsche in einem etwas anderen bilde sagt: so sehr es dem reim und der vernunft gegen die haare geht? Man vergleiche auch unser: jemand die zähne zeigen, d. h. zum widerstand gegen jemand entschlossen sein. Es mag eine gewisse berechtigung haben zu sagen, es liege eine synekdoche in solchen redensarten vor; in (to) the teeth stehe für in the face of, to the face of, gegen die haare für gegen den kopf. Aber es ist doch bei der synekdoche durchaus nicht

gleichgiltig, welcher theil für das ganze gesetzt wird. Ueberall handelt es sich darum: Von welchem gesichtspunkt geht die vorstellung aus? Es ist z. b. gar nicht zufällig, dass wir in ähnlichem sinne sagen: es geht mir gegen die haare, denn diese sind es eben, die sich sträuben, wie die zähne sich beim ankämpfen gegen etwas zusammenbeissen und knirschen. Weder der dichter, noch die sprachbildende volksseele verfährt bei solchen vertauschungen nach reiner willkühr. Im hinblick auf die fluthen, welche von dem schiffe durchfurcht werden, nennt der dichter das fahrzeug den kiel. Wenn dieses aber dem harrenden am gestade zuerst in sicht kommt, dann ist die synekdoche segel am platze. Und gedenkt Shakespeare der den gefahren des meeres preisgegebenen kaufmannsgüter, so hebt er den bergenden schiffsbauch (bottom) hervor, dem jene anvertraut sind:

My ventures are not in one bottom trusted.

Innere berechtigung also hat die dichterische synekdoche nur dann, wenn derjenige theil das ganze vertritt, der in naher, beziehung zu der jedesmaligen vorstellung steht. Ebenso aber weist eine psychologische betrachtung der sprache nach, dass die sprachbildende volksseele bei der synekdochischen benennung immer diejenige seite des vorstellungsbildes hervorkehrt, welche für den jedesmaligen standpunkt der betrachtung in den vordergrund tritt. Aus dem vielgliederigen lautapparat des menschen hebt man z. b. gerade die zunge hervor, um sie zur vertreterin des ganzen sprachorgans und fernerhin metonymisch zur vertreterin der sprache überhaupt zu machen (Tongue, ylwooα, lingua, langue). Es geschieht ohne zweifel, weil sie wegen ihrer leichten beweglichkeit und geschäftigkeit eine weit wichtigere rolle zu spielen scheint als lippen, zähne u. s. w. Die ganze vorderseite des menschlichen kopfes heisst uns angesicht, denn der geistige ausdruck der gesichtszüge findet seinen höhepunkt in dem blick, in dem glanz der augen. Ebenso das französische visage yon dem alten vis, das hebr. panim von panah, blicken. Von einem sinnlicheren standpunkt aus konnte man die vorderseite des kopfes die mundgegend oder mundpartie nennen (vgl. os, oris). Ein jägervolk, bei dem sich der geruchsinn fein ausbildete und das gewohnt war, das gesicht der windseite zuzuwenden, konnte auf einen namen wie nasengegend, nasenpartie verfallen. Wenn ein Engländer sagt: he had the cheek to do, ein Deutscher: er hatte die stirn das zu thun, so geht der verschiedene sprachgebrauch von bestimmten verschiedenen gesichtspunkten der vorstellung aus. Die schamlosigkeit des thuns ist treffend gekennzeichnet durch die wange, von der man ein erröthen erwartete. Die dreistigkeit liest man an der stirne. Mag auch das colorit solcher sprachlichen bilder durch den alltäglichen gebrauch der redensarten abgenutzt werden und abblassen, so ist doch auch dem modernen sprachgefühl die kraft des ausdrucks nicht ganz verloren. Niemand wird behaupten, dass es einerlei ist, ob man sagt: to tell to the face of, oder to tell to the teeth of (Hamlet IV, 7: That I shall live and tell him to his teeth: thus diddest thou); in's gesicht sagen oder »in die zähne rücken«. Zu offenbar hebt sich die letztere redeweise durch ihre kräftige kühnheit und anschaulichkeit ab. Man fühlt etwas durch von der unerschrockenheit, die reden will, mag auch der angeredete die zähne weisen oder knirschend zusammenbeissen. Auch in dem Shakespeare'schen to cast into the teeth, to hurl, to throw in the teeth of (Julius Caesar, IV, 3 und V, 1; Othello III, 4) ist die pars pro toto eine bedeutsame und in ihrer bedeutsamkeit vom hörer empfundene. Sollen doch die harten, bösen worte von dem gegner verbissen und hinuntergeschluckt werden. Selbst das französische rire au nez à qn., jemand in's gesicht lachen, darf. nicht

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