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vollständig begraben haben, ihn nicht anzurufen wagen, beten sie zu den Buddha's andrer Welten, die sicherlich erst eine spätere Entwicklung der Mahâyâna-Lehre sind. Jetzt spielen im Buddhismus die grösste Rolle Amitâbha, Vairocana, Akshobhya und Andre. Beweist dies aber nicht ein allgemeines Bestreben der Menschheit überhaupt nach denjenigen Begriffen, welche wir mit der Gottheit verbinden?"

Unter den drei Beilagen ist für jetzt die wichtigste die zweite: Die Darstellung der Spaltung des Buddhismus in die achtzehn alten Schulen (S. 222-257), aus dem Sanskrit des Vasumitra ins Tibetische und Chinesische übersetzt, und aus dem erstern, jedoch mit Benutzung der chinesischen Übersetzungen und Ergänzungen und mit sonstigen Mittheilungen, ins Russische von Hn Wassiljew. So kurz auch die Geschichte und die Differenzen der buddhistischen Schulen hier behandelt sind, und so wenig das kleine Werkchen zu einem tieferen Verständniss seines Gegenstandes ausreicht, so erhalten wir doch damit eine, im Wesentlichen sicher zuverlässige Grundlage für Untersuchungen über die älteren buddhistischen Schulen, die sich, sobald grössre Fülle des Materials zugänglich ist, daran anreihen mögen; es ist für einen neuen Wissenszweig stets ein Gewinn, ein einigermassen zuverlässiges Schema als Grundlage zu erhalten.

Die interessanteste der drei Beilagen dagegen ist die dritte: 629 die Auseinandersetzung der philosophischen | Systeme des Buddhismus in einem Auszuge aus einem sehr umfangreichen tibetischen Werk. Leider sind diese Auszüge viel zu kurz und können fast nur dazu dienen, die höchste Begierde nach umfassenderen Mittheilungen aus dem tibetischen Werke zu erregen. Es wird uns damit ein Schatz indischer Philosophie erschlossen, der sicher mehr werth ist, als Alles zusammen, was bis jetzt aus dem buddhistischen Litteratur-Kreis veröffentlicht ist. Es fehlt zwar auch hier nicht an den bodenlosen und ungeheuerlichsten Thorheiten, wie sie der Buddhismus der menschlichen Schwäche seinen Tribut zahlend nun einmal trotz seiner tiefsinnigen Richtung nicht umhin konnte zu entwickeln, aber zugleich zeigt sich eine Tiefe der Speculation, Schärfe und Feinheit der Reflexion, wie sie nur von einem gleich tiefsinnigen Volk wahrhaft gewürdigt werden können. Aus den leider oft schon bis zur Unverständlichkeit

verkürzten Mittheilungen bei Hrn Wassiljew einen Auszug zu machen, ist so gut wie rein unmöglich; im Gegentheil glaube ich im Sinn aller wissenschaftlich Denkenden zu handeln, wenn ich den Wunsch ausspreche, dass Hr Wassiljew oder wem sonst das tibetische Werk zugänglich ist, das Bedeutendste desselben vollständig und verständlich - ohne alle Scheu vor der etwa nothwendigen Weitläuftigkeit veröffentlichen möge, wie ich denn überzeugt bin, dass wenigstens in Deutschland eine solche Arbeit ihr Publicum, wenn auch kein grosses, finden werde. Um dem Leser jedoch wenigstens etwas aus den Mittheilungen des Hrn Verfs auf diesem Gebiet vorzulegen, erlaube ich mir, insbesondre ihrer Kürze und Verständlichkeit wegen, die Stelle über die Monaden zu übersetzen. Sie findet sich S. 279 und lautet: „Die Crâvaka's (darunter sind die ältesten Buddhisten zu verstehen) nahmen überhaupt 630 Monaden an, welche keine Theile haben; nach der Meinung des Lehrers Samgharakshita bleiben diese Monaden nicht eine an der andern kleben, sondern einen Zwischenraum zwischen sich lassend, umringen sie einander wechselseitig, um einen Körper zu bilden, nach den Worten des Tsunpa: 'wenn gleich auch nicht unmöglich ist, dass zwischen ihnen kein Zwischenraum wäre, so muss man doch eher annehmen, dass sie sich einander nicht berühren'; andre Lehrer sagten, dass weder eine Berührung, noch ein Zwischenraum Statt findet, sondern, dass sich die Monaden, indem sie einen Körper bilden, in einer Aneinandergrenzung befinden. Ausserdem schliesst der Autor aus den erhaltenen Berichten über den Streit der Sautrântika's mit den Yogâcârya's (zwei späteren Schulen des Buddhismus), dass (wenigstens einige) diesem Gedanken folgende Sautrântika's die Monade als aus Theilen bestehend annahmen; aber auf jeden Fall sagen Alle, dass die Monade etwas Untheilbares (nicht in Stücke Zerbrechbares) ist und dass sie, wenn man sie zertheilt, vernichtet wird. Nach den Worten des Abhidharmasamuçcaya müssen die Monaden selbst wenn gleich aus der Vereinigung derselben ein Körper oder ein Rûpa gebildet wird dennoch als etwas Unkörperliches gedacht werden; dies ist die alleräusserste Theilung, die man sich vorstellen kann. — Die Monade ist der 2401ste Theil der Spitze eines Haars, oder der siebente Theil eines Atoms. - Überhaupt nehmen alle buddhistischen

Systeme gleichmässig an, dass es keine kleinere Form als diese gibt und dass sie weder gespalten noch getheilt werden kann; sie weichen von einander nur darin ab: ob eine Mo631 nade aus Theilen besteht, | oder nicht und wenn dabei auch (im ersten Fall) gesagt wird, dass die Monade aus acht Elementen gebildet sei, d. h. acht Seiten habe, so sagt doch Niemand, dass sie eine Verkettung (Verbindung) sei; denn sie hat keine andern Monaden, welche sie hätten zusammensetzen können; ja sogar der Begriff der Monade als etwas Reales würde eine Meinung der Tîrthika's (der ketzerischen Philosophen) sein". In dem letzten Satz liegt schon ein Übergang zu der Stellung, welche die Monaden in derjenigen buddhistischen Entwicklung einnahmen, welche die Existenz von irgend etwas Äusserem leugnet, alles Äussere nur als etwas Scheinbares, Conventionelles betrachtet, welches nur vom Gedanken geschaffen, dessen äusserlicher Reflex ist, wie etwa der Reflex des Mondes im Wasser. Von dieser Entwicklung, deren Bekenner die Yogâcârya's sind (auch Idealisten genannt) heisst es S. 289: „Idealisten nennt man sie deshalb, weil sie behaupten, dass alle drei Welten in Wahrheit nur im Gedanken (d. i. in der Idee) existiren, dass der Körper und der, welcher damit begabt ist, nur eine Idee des Geniessenden sind". S. 309 heisst es: Im Lankâvatâra wird gesagt „was Äusseres scheint, existirt ganz und gar nicht; nur die Seele manifestirt sich in verschiednen Formen". Äussere nur Product des Gedankens sei, beruht auch ihre Auf dem Satz, dass alles Theorie von den Wundern. bringen diejenigen, welche die in der Beschaulichkeit (Contem„Deswegen (heisst es S. 308) plation) liegende Macht erlangen, Alles was sie irgend Lust haben (aus sich (ihrem Gedanken)) hervor: Wasser, Erde u. s. w.“ Interessanter sind die ziemlich zahlreich mitgetheilten Auszüge aus den Untersuchungen der Buddhisten über den Process der 632 Erkenntniss, das | Verhältniss des Erkanntwerdenden zu dem Erkennenden; doch bedürfte das Verständniss derselben mancher Zusätze, die zu vielen Raum einnehmen würden. Ich muss daher den, welcher für indische Philosophen ein Interesse hegt, auf das Werk selbst, insbesondre S. 275. 280. 282. 309 ff. verweisen. Auch auf die Auffassung der drei Zeiten (S. 331) durch die Schule der Prasanga's erlaube ich mir die Aufmerksamkeit des Lesers zu lenken. Beiläufig mache ich auch

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auf die Erwähnung des Gebrauchs des Sanskrits, Prâkrits, Apabhramça und der Paiçâcî in buddhistischen Schriften aufmerksam (S. 264 u. 267 ff.), obgleich ich gestehe, dass mir insbesondre die letzteren Mittheilungen sehr apokryph und nur Folge der indischen Systematisirsucht zu sein scheinen.

Die in Übersetzung hervorgehobenen Mittheilungen mögen zugleich als Probe der Darstellung des Hrn Verf. dienen. Sie weicht in vielen Beziehungen von den Forderungen ab, welche wir an eine wissenschaftliche Darstellung machen; doch ersetzt sie auch Manches, was wir vermissen, durch eine gewisse Lebendigkeit und andre Eigenschaften, die unser wissenschaftlicher Stil gewöhnlich zu entbehren pflegt. Eins jedoch scheint uns ein Mangel, von welchem wir wohl wünschen möchten, dass er in den nachfolgenden Arbeiten des Herrn Verf. auf diesem Gebiet minder hervortrete, nämlich der Mangel eines direct bestimmten umschweiflosen Losgehens auf das beabsichtigte Ziel.

Und so scheiden wir denn mit unserm aufrichtigsten Danke von diesem Werk, welchem wir gern bekennen, für mannichfache Belehrung und Anregung verpflichtet zu sein.

XVII.

Paris. Imprimerie impériale. Études sur la grammaire védique. Prâtiçâkhya du Rig-Véda (Première lecture ou chapitres I à VI). Par M. Ad. Regnier, Membre de l'Institut. Extrait no 4 de l'Année 1856 du Journal asiatique. 1857. 2 Bl. 315 S. in Octav. (Deuxième lecture ou chapitres VII à XII). Extrait no 12 de l'Année 1857 du Journal asiatique. 1858. 2 Bl. 145 S. (Troisième lecture ou chapitres XIII à XVIII). Extrait no 5 de l'Année 1858 du Journal asiatique 1859. 2 Bl. 299 S.

Götting. gel. Anzeigen. 1859, St. 102-104, S. 1009.

Mit dem Schlusse des vorigen Jahres hat Hr Regnier diese höchst verdienstvolle Arbeit, deren Anfang im Jahre 1856 erschienen ist, vollendet. Sie bildet eine Zierde der drei Jahr

gänge von 1856-1858 des Journal asiatique und ist zugleich in einem besondern Abdruck publicirt, welcher uns bei unsrer Anzeige vorliegt.

Das Prâtiçâkhya des Rg-Veda ist unter den bis jetzt 1010 bekannten Prâtiçâkhya's, welche zu ver-schiedenen Theilen der Veden gehören und über die ich im Allgemeinen bei Anzeige von Weber's Bearbeitung des Vâjasaneyi-Prâtiçâkhya gesprochen habe (in diesen Anzeigen 1858 St. 161 ff. S. 1601 ff. [[o. S. 150]]), das wichtigste, theils weil es am sorgfältigsten und umfassendsten ausgearbeitet ist und die eigentliche Aufgabe dieser grammatischen Schriften am treusten, strengsten und vollkommensten erfüllt, theils weil es von einem im Ganzen vortrefflichen Commentar begleitet ist, durch dessen Hülfe uns sein sonst schwer verständlicher, vielleicht kaum erklärbarer Inhalt mit überaus wenigen Ausnahmen vollständig aufgehellt wird. Dadurch, dass dieses - für die Vedensprache, das Sanskrit überhaupt, ja für die tiefere Erkenntniss der Sprache im Allgemeinen insbesondre von ihrer phonetischen Seite so überaus bedeutende Werk in der vorliegenden Ausgabe auf eine höchst anerkennenswerthe treffliche Weise verarbeitet ist, hat sich Herr Regnier um diese Zweige des Wissens kein geringes Verdienst erworben, für welches ihm nicht bloss die Indianisten dankbar sein werden.

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Die Aufgabe dieser Prâtiçâkhya's ist die Art und Weise zu fixiren, wie die Vedenschriften, zu denen sie gehören, vorgetragen werden sollen. Diese wird einerseits mit der minutiösesten Sorgfalt vollzogen, wie sie schon an und für sich für so hochheilige Schriften geziemend scheinen musste, aber noch dadurch gesteigert ward, dass nach indischer Überzeugung nur vom ganz richtigen Vortrag der vedischen Stellen die Erlangung der dadurch erstrebten Früchte oder Segnungen erwartet werden durfte; andrerseits zugleich mit der den Indern eigenen ab ovo beginnenden Gründlichkeit. Letztre insbesondre 1011 theilweise vielleicht | auch erstre - scheint bewirkt zu haben, dass in die älteren Redactionen dieser Schriften Manches, selbst Vieles, Eingang fand, was nicht streng zur eigentlichen Aufgabe gehörte; wie dies insbesondre durch Vergleichung des Rg-Veda-Prâtiçâkhya mit den übrigen wahrscheinlich wird. In der uns vorliegenden Redaction findet sich aber fast keine Spur mehr von solchen Auswüchsen, während statt dessen das

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