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der Absurdität führte, sogar gewissermassen compensirt ward. Die Predigt, welche in der ältesten Form des Buddhismus eine Hauptstelle angenommen zu haben scheint, hat sich als 432 wesentlicher Theil des Cultus nur bei den südlichen Buddhisten erhalten, im Norden tritt sie vor dem Ceremonialwesen in den Hintergrund. Aufzüge, Umgänge und Wallfahrten sind. schon verhältnissmässig alt und auch jetzt noch eifrig geübt. Die Darbringungen, welche natürlich unblutig sind, bestehen in Blumen, welche vor den Reliquien und Heiligenbildern niedergelegt werden, in Wohlgerüchen, die man ihnen anzündet, Perlen, Edelsteinen, Kostbarkeiten etc., mit denen man sie schmückt. Das wichtigste Moment bildet die Beichte, welches zugleich das älteste Institut ist und demgemäss schon in den unzweifelhaft ältesten Legenden eine Hauptrolle spielt. Die Cultusstätten bilden reich geschmückte Tempel. Termine des Cultus gewährten ursprünglich der Tag des Vollmonds und Neumonds, an denen gebeichtet und das Gesetz verlesen ward. Später trat noch einer und auch zwei hinzu, so dass jetzt fast bei allen Buddhisten, wie bei allen höher entwickelten Religionen regelmässig vier Tage im Monat heilig sind. Dazu treten dann Jahresfeste, deren der Hr Verf. vier als bei den Buddhisten allgemeiner gebräuchlich aufführt. In den Anfängen und ersten Entwicklungen des Buddhismus gab es auch eine alle fünf Jahre wiederkehrende festliche Versammlung. Auch die hervorstechenden Familienhandlungen erhalten ihre Weihe durch einen Geistlichen, welcher zugleich als Gewissensrath betrachtet wird und die Beichte und übrige Seelsorge in der Familie verwaltet.

Der fünfte Abschnitt ist überschrieben „Die Beschauung". Durch Richtung des Geistes auf einen Punkt gelangt dieser nach buddhistischem Glauben allmählich zu vier Stufen des reinen Denkens (der Beschauung); das charakteristische Merk433 mal der ersten ist das Vergnügen der Unterscheidung und von Raisonnement und Urtheil begleitet; das der zweiten Zurückführung des Geistes zur Ruhe, die Befriedigung der Meditation und Freiheit von Raisonnement und Urtheil; das der dritten Verschwinden jener Befriedigung, dunkles Gefühl eines körperlichen Wohlbehagens, Anfang der Indifferenz, d. i. des Verlustes von Gedächtniss und Selbstbewusstsein: in der vierten Stufe ist die Indifferenz vollendet; der in diese Anschauung

Versunkene hört nicht mehr, sieht nicht mehr, denkt nicht mehr, geniesst schon den Vorschmack des Nirvâna, dieser in Existenzlosigkeit gesetzten Seligkeit.

Der „Abhidharma", der speculative Theil, die Metaphysik des Buddhismus, ist von dem Herrn Verf. in Rücksicht auf das Fragmentarische der bis jetzt zugänglichen Hülfsmittel sehr kurz behandelt und mehr Schema als Entwicklung. Wir begnügen uns daher mit der Erwähnung desselben.

Am Schluss hebt der Hr Verf. die Hauptpunkte der weitern äussern Geschichte des Buddhismus nach Asokas Zeit hervor. Es wäre wünschenswerth, dass auch sie bald eine ähnliche klare Darstellung finden könnten. Wenn sich der Hr Verf. dazu entschlösse, würde seine Fortsetzung dieses Werks gewiss eine ebenso anerkennende Aufnahme finden.

XVI.

St. Petersburg, zu beziehen von den Commissionären der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften: J. Glasunow in Moskau, P. Doldschikow in Kiew, Eggers und Comp. in St. Petersburg, Enfjaddschjanz und Comp. in Tiflis, Sam. Schmidt in Riga 1857: Буддизмъ его догматы, исторія и литература. Часть первая: общее обозрѣніе. Сочиненіе В. Васильева, Профессора Китайскаго языка при Императорскомъ Санктпетербургскомъ Университетѣ. (Der Buddhismus, seine Dogmen, Geschichte und Literatur. Erster Theil: Allgemeine Übersicht. Von W. Wassiljew, Professor der Chinesischen Sprache an der Kaiserlichen Universität zu St. Petersburg). XI und 356 S. in Octav.

Götting. gel. Anzeigen, 1859, St. 61-64, S. 601.

Wir erlauben uns im Folgenden eines der bedeutendsten Werke anzuzeigen, welche auf dem Gebiet des Buddhismus und somit auch der indischen Alterthumskunde in letzter Zeit erschienen sind. Dass es bis jetzt so wenig Beachtung 602 ausserhalb Russlands gefunden hat, erklärt sich aus der man kann wirklich mit Recht sagen leider so wenig

verbreiteten Bekanntschaft mit der russischen Sprache. Denn diese so reiche, schöne und gewissermassen noch jungfräuliche Sprache verdient in der That eine viel grössre Beachtung und Bekanntschaft als ihr bis jetzt im westlichen Europa zu Theil geworden ist.

Der Hr Verf. des vorliegenden Werkes, Professor der chinesischen Sprache an der St. Petersburger Universität und zugleich Kenner der tibetischen, hat sich fast zehn Jahr in Peking aufgehalten, sich daselbst vorzugsweise mit der buddhistischen Litteratur beschäftigt und sich, wie es scheint, eine umfassende Kenntniss derselben, insbesondre der in ihr enthaltenen religiösen und philosophischen Producte erworben. Die Quellen, deren er sich zu seinen Studien bediente, sind die chinesischen und tibetischen Übersetzungen der indischen Originalwerke des Buddhismus und insofern secundäre. Es ist demnach keinem Zweifel zu unterwerfen, dass sie jenen indischen Werken selbst bedeutend nachstehen und dass sie, wo diese zugänglich sind, im Verhältniss zu ihnen im Allgemeinen eine untergeordnete Stellung einnehmen, unter Umständen vielleicht kaum eine mehr als litterarische Beachtung verdienen. Allein jene indischen Originalwerke sind vielfach noch nicht zugänglich und scheinen im Verlauf der Zeit überhaupt und insbesondre durch die Vertreibung des Buddhismus aus seinem Geburtsland Indien zu einem grossen Theil ganz eingebüsst und nur in Übersetzungen bei den Völkern, die den Buddhismus angenommen haben, erhalten zu sein. 603 Es ist in diesen Fällen der Mangel der | Originalwerke zwar aufs tiefste zu beklagen, aber ebenso unzweifelhaft, dass die Übersetzungen für uns an ihre Stelle treten und wir uns bestreben müssen, nicht bloss für die Erkenntniss des buddhistischen Lebens, sondern auch für die vieler andrer, insbesondre indischer, Lebensmomente, den möglichst grössten Nutzen aus ihnen zu ziehen. Glücklicher Weise bietet die über alle Massen reiche hieher gehörige Übersetzungslitteratur eine wohl noch für lange Zeiten unerschöpfliche Quelle dar. Der Buddhismus war so lange er in Indien blühte, wie jetzt unzweifelhaft ist, von dem lebendigsten wissenschaftlichen Leben getragen und erfüllt, und dieses wissenschaftliche Leben begleitete ihn in grösserm oder geringerem Umfang nach allen Orten, wohin er sich verbreitete, jedoch nur in der Form eines

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entlehnten. Er wusste allenthalben, wohin er kam, die höchste Achtung vor der buddhistisch-indischen Wissenschaft und Litteratur zu erwecken; in einem wahrhaft Staunen erregenden Umfang wurde in der kürzesten Zeit der grösste Theil der buddhistischen Litteratur und, wie wir jetzt mit Sicherheit annehmen dürfen, nicht bloss die religiöse und philosophische . in die Sprache der bedeutenderen Völker, zu denen der Buddhismus übergegangen war, übertragen. Davon kann man sich am besten durch die Lectüre der vortrefflichen Mittheilungen in Stan. Julien's gründlichen Arbeiten und in denen von Csoma de Körös, J. J. Schmidt etc. überzeugen, zu denen nun auch die von W. Wassiljew treten werden. Ein eignes geistiges Leben auf diesen Gebieten bei den bekehrten Völkern zu wecken scheint dem Buddhismus dagegen nicht gelungen zu sein, und gewiss war es schwer, dass neben den wenn gleich nicht selten spitzfindigen und überspannten doch im Ganzen wunderbar tiefsinnigen Speculationen, Reflexionen 604 und Contemplationen des indischen Buddhismus ein Volk aus einer nicht indogermanischen Raçe etwas Selbständiges und zugleich Beachtenswerthes hervorzubringen vermocht hätte. Ist diese tiefspeculative Geistesrichtung doch ein Erbgut, welches nicht einmal allen Völkern der indogermanischen Raçe gleichmässig zu Theil geworden ist, sondern in seiner imponirenden Bedeutung sich nur fast an den geographischen Endpunkten derselben findet, bei den Deutschen einmal den Germanen überhaupt und den Indern.

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Der gewöhnliche Nachtheil derartiger secundärer Quellen wird aber im vorliegenden Fall durch die sclavische Treue, welche in dieser Übersetzungslitteratur ein charakteristisches Merkmal bildet, schon jetzt in einem nicht geringen Grade gemildert und wird in Zukunft vielleicht ganz oder wenigstens fast ganz wegfallen. Diese sclavische Treue ist nämlich so gross, dass sie in demselben Grade, in welchem dadurch einerseits das Verständniss der Übersetzungen an und für sich erschwert wird, andrerseits schon für einen Kenner des Sanskrits überhaupt, noch mehr aber für einen in den buddhistischen Schriften bewanderten, die Möglichkeit an die Hand gibt, diese Übertragungen ohne grosse Schwierigkeiten in das Sanskrit gewissermassen zurück zu übersetzen und dadurch zu einem vollen Verständniss derselben zu gelangen.

Es ist aber endlich sogar möglich, vielleicht selbst wahrscheinlich, dass diese Übersetzungslitteratur uns wenigstens theilweis dieselben Vortheile gewähren wird, die uns in andern Übersetzungen von indischen Werken entgegentreten, nämlich eine mehr oder weniger ältere Redaction, als die etwa noch | 605 jetzt zugängliche des Originals ist. In Indien ist, wie schon bemerkt, so lange der Buddhismus dort existirte, das regste. geistige Leben, insbesondre auf seinem eignen Gebiete zu erkennen; zugleich aber zeigt sich sowohl in religiöser als philosophischer Beziehung hier, wie auch in fast allen übrigen Phasen der indischen Geistesentwicklung, das Bestreben, das Neue nicht als neu, sondern als alt, speciell selbst die spätesten Entwicklungen des Buddhismus als die ganz eigentliche Lehre des Buddha also als älteste erscheinen zu lassen. Dieses Streben liess sich schwerlich durch die blossen Künste der Interpretation befriedigen — wenn gleich der scharfsinnige und spitzfindige Inder auch darin das Übermenschliche zu leisten vermochte ; wo sie nicht ausreichten, wurden Umänderungen und Interpolationen, wenn sie diesem Bestreben dienten, sicherlich nicht verschmäht, sondern ohne alle Scheu angewendet. Auf dem Gebiet der Religion diente dieses Bestreben gewissermassen einem dringenden Bedürfniss: das Heilige musste alt sein, um geglaubt zu werden; doch machte es sich auch auf Gebieten, wo kein eigentlich dringendes Bedürfniss vorlag auf dem philosophischen, wissenschaftlichen überhaupt und selbst poetischen geltend. Hier mag es zum Theil darin seine Erklärung finden, dass diese Entwicklungen lange Zeit nur, dann fast nur, endlich wenigstens vorwaltend auf mündlichem Wege, durch mündlichen Unterricht, mündliche Tradition Statt fanden. In Folge davon traten die Resultate derselben weniger als individuelles Erzeugniss, individuelles Eigenthum hervor, sondern wie ein Gemeingut gewisser Schulen, Geistesrichtungen etc.; sie er606 hielten nicht eine besondre, etwa durch den | Autor derselben | gekennzeichnete, Stellung neben den Grundlagen, auf denen die Entwicklung beruhte, sondern wurden in diese Grundlagen und das oder die dieselben repräsentirenden Werke verarbeitet, so dass diese bis zu einem völligen Abschluss den, wie es scheint, mehr äussere als innere Momente veranlassten steten innern Umwandlungen unterworfen waren, ohne dass

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