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XII.

Nachtrag zu der Anzeige von: Histoire de la vie de Hiouen-Thsang traduite du Chinois par Stanislas Julien, Membre de l'Institut etc. Stück 1-4, S. 1-28.

Götting. gel. Anzeigen, 1855, St. 20, S. 199.

In Bezug auf die oben genannte Anzeige ist Hr Stan. Julien so freundlich gewesen, Unterzeichnetem eine Notiz zuzusenden, welcher er um so freudiger eine grössere Verbreitung zu geben eilt, als sie einerseits die entschiedne Hoffnung gewährt, das so lange ersehnte Originalwerk des berühmten chinesischen Reisenden Hiouen-Thsang bald unsrer Benutzung zugänglich gemacht zu sehn, andrerseits aber ganz dazu angethan ist, unsre schon so hoch gespannten Erwartungen von demselben zu einem noch viel höheren Grad zu steigern.

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Hr Stan. Julien hat mit seiner bekannten ausserordentlichen Thätigkeit schon die Übersetzung der ersten Hälfte von Hiouen-Thsang's Werk vollendet. Diese wird einen Octavband von 600 Seiten bilden und ist schon der kaiserlichen Druckerei übergeben. Die andere Hälfte wird ohne Verzug nachfolgen. Dieses Originalwerk nun und das ist es, wodurch das Interesse für dasselbe, insbesondre für alle Indianisten, so sehr 200 gesteigert wird ist weniger ein persönlicher Be- richt des Reisenden, als eine Reihe von Abhandlungen (Mémoires) über die verschiedenen während siebenzehn Jahre von ihm durchreisten Königreiche, welche er, in Kraft eines kaiserlichen Decrets aus dem Sanskrit nach Texten übersetzt hat, die von ihm aus Indien mitgebracht waren, und sich ohne Zweifel heut zu Tage weder in China, noch in den Ländern, aus denen sie stammten, mehr vorfinden. Der wörtliche Sinn des Titels des Originalwerkes ist:

„Abhandlungen (Mémoires) über die westlichen Länder, übersetzt aus dem Sanskrit, in Kraft eines kaiserDecrets, von Hiouen-Thsang, Priester (religieux), vertraut mit der Kenntniss der drei Sammlungen, und redigirt von Pien-ki, Samaneer des Klosters Ta-tsong-tchi".

Die Übersetzung und Bearbeitung der chinesischen ReiseBerichte, welche mit dem Werke, zu dessen Anzeige wir diesen

Nachtrag geben, von Hn Stan. Julien begonnen ist, ist auf vier Bände berechnet, deren zweiten und dritten das eben erwähnte Werk von Hiouen-Thsang bildet.

Vielen wird es von Interesse sein, zu erfahren, dass Hr St. Julien zugleich zwei andre für Industrie und Chemie wichtige Werke vorbereitet, nämlich: Die Geschichte und Fabrication des chinesischen Porzelan, und ferner: Übersetzung aller industriellen Verfahrungsweisen der Chinesen, welche mit Chemie in Verbindung stehen.

XIII.

Paris. Imprimé par autorisation de l'Empereur à l'Imprimerie impériale. 1857. Mémoires sur les contrées occidentales, traduits du Sanscrit en Chinois, en l'an 648, par Hiouen-Thsang, et du Chinois en Français par M. Stanislas Julien, Membre de l'Institut, Professeur de langue et de littérature chinoise etc. etc. Tome Premier, contenant les livres I à VIII et une carte de l'Asie centrale. LXXVIII und 493 S. in Octav.

Götting. gel. Anzeigen, 1857, St. 177-179, S. 1762.

Es ist diess der erste Band des lange sehnlich erwarteten Werks, zu dessen würdiger Bearbeitung Herr Stan. Julien sich durch die umfassendsten Vorarbeiten seit langer Zeit vorbereitet hat. Er ist zugleich auf dem sogenannten Schmutztitel als 2ter Band der „Voyages des Pèlerins bouddhi- stes" 1763 bezeichnet, deren ersten Band die früher erschienene und von uns (1855 St. 1-4 [[o. S. 173]]) angezeigte „Histoire de la vie de Hiouen-Thsang et de ses voyages dans l'Inde" bildet. Der 3te Band wird durch den 2ten Band dieser Mémoires gebildet werden. Diese selbst sind von den chinesischen Herausgebern als Übersetzungen aus dem Sanskrit bezeichnet, weil sie zum grössten Theil mit Hülfe von Documenten, welche HiouenThsang aus dem Sanskrit übersetzt hatte, von einem ausgezeichneten chinesischen Schriftsteller Pien-ki redigirt sind; ein nicht geringer Theil beruht aber augenscheinlich auf Reisenotizen, welche Hiouen-Thsang mündlicher Erkundigung oder

unmittelbarer Anschauung verdankte. Die Übersetzungen aus dem Sanskrit scheinen mit einer wörtlichen Genauigkeit gemacht zu sein; denn nicht selten ist selbst noch durch die französische Übersetzung hindurch der sanskritische Ausdruck zu erkennen; so ist z. B. S. 245, 10 in der Stelle: , alors, montrant du doigt la Ville des fleurs (Kousoumapoura), il voulut aller saluer le roi et lui demander (une de ses filles)" in den Worten montrant du doigt das sanskritische uddiçya zu erkennen, welches wörtlich „aufgezeigt habend nach" heisst, dann aber überhaupt die Richtung bezeichnet, so dass der wahre Sinn der sanskritischen Stelle im Gegensatz zu der mitgetheilten etymologisch treuen Übersetzung bloss war „darauf wollte er nach Kusumapura gehn, um den König zu begrüssen etc."

Der vorliegende erste Band umfasst die auf der Reise nach Indien durchwanderten Länder Centralasiens, und den grössten Theil Indiens im Norden vom Dekhan. Obgleich aus 1764 dem Inhalt dieser Partien schon Manches früher | mitgetheilt ist (im Foe koue ki und in der Histoire de la vie), so tritt uns dennoch die wahre Fülle und der Werth dieser Mittheilungen erst hier recht entgegen und auch das schon Bekannte gewinnt durch den Zusammenhang, in welchem es nun erscheint, neues Licht. Wir haben hier die einzige Schilderung dieser Länder, welche aus dieser Zeit auf uns gekommen ist und eine augenscheinlich mit grosser Gewissenhaftigkeit und Sorgfältigkeit vorbereitete. Leider - obgleich sich dies aus dem ursprünglichen Zweck dieser eigentlich nur buddhistischen Pilgerfahrt erklärt und entschuldigt ist das religiöse Interesse insbesondre für heilige Orte und sich daran knüpfende Legenden zu überwiegend gewesen und dessen Befriedigung nimmt einen Raum ein, welchen wir lieber zu Gunsten ausführlicherer geographischer, historischer und ähnlicher Mittheilungen verringert sehen möchten; doch sind auch diese in reicher Fülle vorhanden. Auf das Einzelne, insbesondre auf den damals schon sehr verödeten Zustand Indiens hier näher einzugehn, würde zu weit führen; ich will nur einiges Allgemeine hervorheben. Von dem Einfluss, welchen damals indische Cultur auf die Länder Centralasiens übte, gibt der Umstand einen Begriff, dass unter dem 42° n. Br. im Reiche 'O-ki-ni indische Bücher zum Unterricht der Geistlichen dienten

und die daselbst gebrauchte Schrift die indische war (S. 2). Interessant ist die allgemeine Schilderung von Indien aus der Mitte des 7ten Jahrh. (S. 57 ff.). Sie behandelt zuerst die Namen Indiens, dessen Lage und Ausdehnung, Klima und Boden, Längenmaasse, Zeitmaasse, Städte und Dörfer; öffentliche Gebäude, Klöster, Wohnhäuser. Bemerkt wird z. B., dass die Strassen krumm sind; Metzger, Fischer, | Komödianten, 1765 Henker und die, welche Unreinigkeiten wegschaffen, müssen ausserhalb der Stadt wohnen; die Häuser sind grösstentheils von Ziegelsteinen gebaut und theils mit Binsen, theils mit trocknen Kräutern, theils mit Ziegeln und Holz gedeckt. Die Klöster sind mit ausserordentlicher Kunst aufgeführt. Die Wohnungen der Privatleute sind von innen elegant, von aussen einfach. Die Thüren sind an der Ostseite". Dann folgt: Sitze und Betten, Thron, Kleidungsstücke, Haarschmuck, Toilette. „Die Kleidungsstücke sind nicht geschnitten, noch verarbeitet. Die Männer umhüllen sich die Achseln und Lenden, setzen ihre Mützen in die Quer und werfen die Enden ihres Gewands auf die rechte Seite. Die Frauen tragen ein langes, bis zur Erde herabhängendes Kleid; ihre Schultern sind ganz bedeckt; einen Theil ihres Haares tragen sie als Schopf auf dem Scheitel, die anderen lassen sie frei hängen. Manche Männer schneiden sich den Schnurbart ab, schmücken ihr Haupt mit Blumenkränzen und ihren Hals mit reichen Ketten". Die Kleider der Ketzer (d. h. hier der den verschiednen Formen des Brahmathum zugethanen) sind sehr verschieden. Einige tragen eine Feder aus einem Pfauenschweif, Andre schmücken sich mit Kränzen von Schädelknochen (die kapâladhârin), Einige gehen ganz nackt (nirgrantha), Einige bedecken ihren Körper mit Stücken von geflochtenen Gräsern“. „Die Çramanas (buddhistische Asketen) haben nur drei Gewänder, deren Schnitt und Form nach den Schulen (zu denen sie sich bekennen) variiren". „Die Könige und ihre Minister schmücken ihren Kopf mit Blumenguirlanden und mit Mützen, welche mit Edelsteinen bedeckt sind, und tragen Arm- und Halsbänder". „Im Allgemeinen ge- hen die Inder baarfuss". Ihre Zähne 1766 färben sie roth und schwarz". Sie haben lange Nasen und grosse Augen". Beides musste natürlich dem Chinesen am meisten auffallen. Die Inder sind sehr reinlich, waschen sich stets vor dem Essen die Hände und berühren die Reste des

Essens nie zum zweitenmale". „Ein irdenes oder hölzernes Tafelgeschirr muss, sobald es einmal gebraucht ist, weggeworfen werden; metallne müssen nach jedem Essen abgerieben und geputzt werden. Wenn die Inder gegessen haben, reinigen sie sich Zähne, Mund und Hände".

„In Mittelindien ist die Sprache edel und harmonisch und tönt wie die der Götter. Die Aussprache ist klar und rein und sie gilt allen als Muster". „Besondere Beamte sind beauftragt, merkwürdige Reden (die Edicte?) aufzuschreiben, andre, alles was sich begeben hat". Die Sammlung der Annalen und königlichen Edicte heisst Nîlapița (das blaue Buch)".

Der erste Unterricht der Kinder beginnt mit einer Fiebel. Sobald sie sieben Jahr alt sind, werden sie nach und nach mit den fünf Wissenschaften bekannt gemacht: Grammatik, Technologie, Medicin („handelt von magischen Formeln und geheimen Wissenschaften etc."), Ätiologie („darin prüft und scheidet man Wahrheit und Irrthum; und sucht sorgfältig die Natur des Wahren und Falschen zu ergründen"), esoterische Philosophie („darin ergründet man den Charakter der fünf Wagen der Erkenntniss und die Principien der Ursachen und Wirkungen"; es ist die buddhistische Religionsphilosophie gemeint). Die Brahmanen studiren die vier Veda's. Der erste ist der Âyur-Veda, handelt von den Mitteln das Leben zu 1767 erhalten und das Naturell des Menschen zu ver- bessern. Der zweite ist der Yajur-Veda, handelt von Opfern und Gebeten. Der dritte ist der Sâma-Veda, handelt von Gebräuchen und Ceremonien, von der Wahrsagekunst, Kriegskunst und den verschiedenen Heerestheilen. Der vierte ist der Atharva-Veda, handelt von besondern Künsten, wie z. B. Zauberformeln und Medicin. Sonderbarer Weise ist in dieser Aufzählung der Âyur-Veda an die Stelle des Rg-Veda getreten, und die Charakterisirung des Sâma-Veda ist höchst auffallend. „Wenn fähige und talentvolle Schüler daran denken zu fliehen, um sich ihren Pflichten zu entziehen, werden sie angebunden und eingeschlossen". Wenn ihre Erziehung vollendet ist und sie das dreissigste Lebensjahr erreicht haben, ist ihr Charakter ausgebildet und ihr Wissen gereift". „Einige ziehen sich in die Einsamkeit zurück, leben ausserhalb der Welt und erheben sich über weltliche Dinge". Sie sind weder für Ruhm noch Schande empfindlich". „König und Volk ehren sie". „Sie widmen sich

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