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VIII.

Wie die Alten den Tod gebildet.

Eine Untersuchung.

176 9.

Borrede.

Ich wollte nicht gern, daß man diese Untersuchung nach ihrer Veranlassung schäßen möchte. Ihre Veranlassung ist so verächtlich, daß nur die Art, wie ich sie genust habe, mich entschuldigen kann, daß ich sie überhaupt nusen wollen.

Es

Nicht zwar, als ob ich unser jeßiges Publicum gegen alles, was Streitschrift heißt und ihr ähnlich fieht, nicht für ein wenig allzu ekel hielte. scheint vergessen zu wollen, daß es die Aufklärung so mancher wichtigen Punkte dem bloßen Widerspruche zu danken hat, und daß die Menschen noch

"

wenn

über nichts in der Welt einig seyn würden, fie noch über nichts in der Welt gezankt hätten. Gezankt;" "denn so nennt die Artigkeit alles Streiten: und Zanken ist etwas so Unmanierliches geworden, daß man sich weit weniger schämen darf, zu haffen und zu verläumden, als zu zanken.

Bestünde indeß der größere Theil des Publicums, das von keinen Streitschriften wissen will, etwa aus Schriftstellern felbft; so dürfte es wohl nicht die bloße Politesse seyn, die den polemischen Ton nicht, dulden will. Er ist der Eigenliete und dem Selbstdünkel so unbehaglich! Er ist den erschlichenen Namen so gefährlich!

Ater die Wahrheit, sagt man, gewinnt dabei so felten. So selten? Es sey, daß noch durch keinen Streit die Wahrheit ausgemacht worden; so hat dennoch die Wahrheit kei jedem Streite gewonnen. Der Streit hat den Geist der Prüfung genährt, hat Vorurtheil und Ansehn in einer be-ständigen Erschütterung erhalten; kurz, hat die geschminkte Unwahrheit verhindert, sich an der Stelle der Wahrheit festzusehen.

Auch kann ich nicht der Meinung seyn, daß wenigstens das Streiten nur für die wichtigeren Wahrheiten gehöre. Die Wichtigkeit ist ein relativer Begriff, und was in einem Betracht sehr unwichtig ist, kann in einem andern sehr wichtig werden. Als Beschaffenheit unserer Erkenntniß ist dazu Eine Wahrheit so wichtig als die andere: und wer in

dem allergeringsten Dinge für Wahrheit und Unwahrheit gleichgültig ist, wird mich nimmermehr überreden, daß er die Wahrheit bloß der Wahrheit wegen liebt.

Ich will meine Denkungsart hierin niemanden ́ aufdringen. Aber den, der am weitesten davon ents fernt ist, darf ich wenigstens bitten, wenn er sein Urtheil über diese Untersuchung öffentlich sagen will, es zu vergessen, daß sie gegen jemand gerichtet ist. Er lasse sich auf die Sache ein, und schweige von den Personen. Welcher von diesen der Kunstrichter gewogener ist, welche er überhaupt für den beffern Schriftsteller hält, verlangt kein Mensch von ihm zu wissen. Alles, was man von ihm zu wissen begehrt, ist dieses, ob er, feiner Seits, in die Wagschaale des einen oder des andern etwas zu legen habe, welches im gegenwärtigen Falle den Ausschlag zwi schen ihnen ändere, oder vermehre. Nur ein solches Beigewicht, aufrichtig ertheilt, macht ihn dazu, was er seyn will: aber er bilde sich nicht ein, daß sein bloßer kahler Ausspruch ein solches Beigewicht seyn kann. Ist er der Mann, der uns beide übersicht, so bediene er sich der Gelegenheit, uns beide zu belehren.

Bon dem Tumultuarischen, welches er meiner Arbeit gar bald anmerken wird, kann er sagen, was ihm beliebt. Wenn er nur die Sache darunter nicht leiden läßt. Allerdings hätte ich mit mehr Ordnung zu Werke gehen können: ich hätte meine Gründe in ein vortheilhafteres Licht stellen können; ich hätte

noch dieses und jenes seltene oder kostbare Buch außen können; was hätte ich nicht alles!

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Dabei sind es nur längst bekannte Denkmale der alten Kunst, die mir freigestanden, zur Grundlage meiner Untersuchung zu machen. Schäße dieser Art kommen täglich mehrere an das Licht und ich wünschte selbst von denen zu seyn, die ihre Wißbegierde am ersten damit befriedigen können. Aber es wäre fonderbar, wenn nur der reich heißen sollte, der das meifte frisch gemünzte Geld befißt. Die Vorsicht erforderte vielmehr, sich mit diesem überhaupt nicht eher viel zu bemengen, bis der wahre Gehalt außer Zweifel gesezt worden.

Der Antiquar, der zu einer neuen Behauptung uns auf ein altes Kunstwerk verweist, das nur er noch kennt, das er zuerst entdeckt hat, kann ein sehr ehrlicher Mann seyn; und es wäre schlimm für das Studium, wenn unter achten nicht sieben es wären. Aber der, welcher, was er behauptet, nur aus dem behauptet, was ein Boissard oder Pighius hundert und mehr Jahre vor ihm gesehen haben, kann schlechterdings kein Betrüger seyn; und etwas Neues an dem Alten entdecken, ist wenigstens eben so rühmlich, als das Alte durch etwas Neues bestätigen.

Veranlassung.

Immer glaubt Herr Klos mir auf den Fersen zu seyn. Aber immer, wenn ich mich, auf sein Zurufen, nach ihm umwende, sehe ich ihn, ganz seitab, in einer Staubwolke, auf einem Wege einherziehen, den ich nie betreten habe.

„Herr Lessing, „, lautet sein neuester Zuruf dieser Art, *),, wird mir erlauben, der Behauptung, daß die alten Artisten den Tod nicht als ein Skelet vorgestellt hätten (f, Laskoon S. 240), eben den Werth beizuLegen, den seine zween anderen Säße, daß die Alten. nie eine Furie, und nie schwebende Figuren ohne Flügel gebildet, haben. Er kann sich sogar nicht bereden, daß das liegende Skelet von Bronze, welches mit dem einen Arme auf einem Aschenkruge ruht, in der Herzogl. Gallerie zu Florenz, eine wirkliche Antike sey. Vielleicht überredet er sich eher, wenn er die geschnittenen Steine ansicht, auf welchen ein völliges Gerippe abgebildet ist. (S. Buonarotti Oss. sopr. alc. Vetri t. XXXVIII, 3, und Lippert's

*) In der Vorrede zum zweiten Theile der Abhandlungen des Grafen Caylus.

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