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XIII.

Kleinere antiquarische Fragmente.

Den

1.

Karyatiden.

en Ursprung dieser figurirten Säulen meldet Vitruv gleich zu Aufange seines Werks, wenn er ein Erempel anführen will, wie nüßlich einem Architekten auch die Kenntniß der Geschichte sey, um von verschiedenen Verzierungen seiner Werke Rechenschaft geben zu können: Carya, civitas Peloponnesi, cum Persis hostibus contra Graeciam consensit, postea Graeci, per victoriam glorioso bello liberati, communi consilio Caryatibus bellum indixerunt. Itaque oppido capto, viris interfectis, civitate deleta, matronas eorum in servitutem abduxerunt. Nec sunt passi, stolas, neque ornatus matronales deponere; uti non uno triumpho ducerentur, sed aeterno servitu- ́ ̧ tis exemplo gravi contumelia pressae poenas dare viderentur pro civitate. Ideo qui tunc architecti

fuerunt, aedificiis publicis designaverunt earum imagines oneri ferendo collocatas, ut etiam posteris nota poena peccati Caryatium memoriae traderetur.

Wenn dieses seine Richtigkeit hat, so werden auch die Karyatiden des Diogenes in dem Pantheon*) dergleichen weibliche, zu Säulen dienende, Figuren gewesen seyn; und ich gestehe es, daß ich nichts davon begreife, wenn Herr Winkelmann bei Gelegenheit dieses Künstlers schreibt: **)

,,Aller Wahrscheinlichkeit nach ist noch eine von den Karhatiden des Diogenes von Athen, welche im Pantheon standen, übrig; sie steht unerkannt in dem Hofe des Pallastes Farnese. Es ist die Hälfte einer männlichen unbekleideten Figur bis auf das Mittel, ohne Arme. Sie trägt auf dem Kopfe eine Art eines Korbes, welcher nicht mit der Figur aus Einem Stücke gearbeitet ist. An dem Korbe bes merkt man Spuren von etwas Hervorragendem, und allem Anschein nach sind es vorgestellte Blätter ge wesen, welche denselben bekleidet haben; auf eben die Art, wie ein solcher bewachsener Korb einem Kallimachus das Bild zu einem korinthischen Kapital soll gegeben haben. Diese halbe. Figur hat etwa acht römische Palmen, und der Korb drittehalb. Es ist also eine Statue gewesen, die das

*) Plin. L. XXXVI. c. 5. XXXVI.

**) Geschichte der Kunst, S. 387.

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wahre Berhältniß zu der attischen Ordnung im Pantheon hat, welche etwa neunzehn Palmen hoch ist. Was einige Scribenten bisher für dergleichen Karyatiden angesehen haben, zeugt von ihrer großen Unwissenheit."

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Hier citirt er des Demontiosii Gallus Romae Hospes, p. 12., den ich denn nothwendig nachsehen müßte. Indeß ist mir mancherlei in den Worten des Herrn W. sehr verdächtig. Seine Karyatide ist eine männliche Figur; nach dem Vitruv aber stellten dergleichen Säulen nur Weiber vor. Die Männer von Karya hatten alle über die Klings springen müssen.

So viel muß ich zwar gestehen, daß mir die Erzählung Bitruv's ziemlich fabelhaft scheint. Ka= rya war ein geringer Flecken in dem lakonischen Gebiete; wie konnte dieser sich unterstehen, mit den Persern gemeinschaftliche Sache zu machen? Auch erwähnt kein einziger alter Geschichtschreiber hiervon das Geringste.

Karya, sagt Pausanias,*) oder, nach ihm, Karyä, war der Diava sud den Nymphen geweiht, deren Fest die lacedämonischen Jungfrauen alljährlich' daselbst mit feierlichen Tänzen begingen. Karyatiden heißen daher auch dergleichen zu Ehren der Diana tanzende spartanische Jungfrauen; und solche Karyatiden waren die vom Praxiteles, deren

+) L. III. c. X. p. 230.

Plinius) gedenkt, wie aus der Gesellschaft, in die er sie mit den Mänaden und Thyaden sezt, zu schließen ist.

Harduin hat daher sehr. Unrecht, wenn er diese Karyatiden des Praxiteles mit denen des Diogenes für einerlei Vorstellungen hält, und bei Gelegenheit dieser in seinen Noten auf sie zurückweist. Dergleichen tanzende Karyatiden waren auf dem Ringe des Klearch. **)

Zufaß von Eschenburg.

Winkelmann redet in einer andern früher herausgegebenen Schrift ***) noch umständlicher von den Karyatiden; und diese Stelle, in der Einiges mit der oben angeführten Übereinstimmendes vorkommt, muß ich vorher mittheilen, ehe ich über beide, und Lessing's Erinnerungen wegen der leztern, nähere Erörterung geben kann.

Karyatiden," sagt er,,,auch Atlantes+) und Telamones ††) genannt, welche anstatt der

*) L. XXXVI. c. 4.

**) S. Plutarch in vita Artaxerxis, ed. Bryant. T. V. p. 285. Junius de Pictura Veterum, p. 114. ***) Anmerkungen über die Baukunst der Alten. Leipz. 1762. 4. S. 57 f.

Athenaeus, Deipnos. L. V. P. 206. lin. 11.

+) Vitruv. L. VI. c. 10.

Sänlen dienten, sieht man an einem Tempel auf ei: ner Münze; *) und in Athen tragen weibliche Fign= ren die Decke eines offenen Ganges an dem fogenann ten Tempel des Erechtheus. **) Es hat dieselben von allen Reifenden Niemand mit demjenigen Verständnisse betrachtet, daß wir belehrt werden können, von was für Zeit dieselben sind: Pausanias meldet nichts von denselben. Die angeführte ***) männliche Karyatide in dem Farnesischen Pallaste ist, wie man vorgiebt, beim Pantheon gefunden worden; undTM es ist glaublich, daß es eine von denjenigen sey, welche vom Diogenes aus Athen gearbeitet waren, und über dem untern Säulengange in dem Tempel stan: den; das ist, welche anstatt der zweiten Ordnung Säulen waren. Die jeßige Kornische auf den unteren Säulen hat zwar nicht denjenigen Vorsprung, welcher zur Base solcher Figuren, wie die gegenwärtige ift, hätte dienen können; man muß aber bedenken, daß dieser Tempel zweimal im Feuer gelitten, und wie derum vom Marco Aurelio nud Septimio Severo ausgebaut worden; es muß also inwendig eine große Veränderung vorgegangen seyn. —- — - Die atti sche Ordnung über die unteren Säulen, welche ein

*) Havercamp Num. Reg. Christ. tab. 19.

**) Pococke's Descript. of the East, T. II. p. 163. ***) W. hatte nämlich schon S. 32. diefer Unmerkung

dieses Truncs einer vermeinten Karyatide Erwähnung gethan.

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