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Die Malerei schildert Körper, und andeute tungsweise durch Körper, Bewegungen.

Die Poesie schildert Bewegungen, und andeutungsweise durch Bewegungen, Körper.

Eine Reihe von Bewegungen, die auf einen Endzweck abzielen, heißt eine Handlung.

Diese Reihe von Bewegungen ist entweder in eben demselben Körper, oder in verschiedene Körper vertheilt. Ist sie in eben demselben Körper, so will ich sie eine einfache Handlung nennen, und eine collective Handlung, wenn sie in mehrere Körper vertheilt ist.

Da eine Reihe von Bewegungen in eben demsel ben Körper sich in der Zeit ereignen muß: so ist es klar, daß die Malerei auf die einfachen Handlungen gar keinen Anspruch machen kann. Sie verbleiben der Poesie einzig und allein.

Da hingegen die verschiedenen Körper, in welche die Reihe von Bewegungen vertheilt ist, neben einander in dem Raume existiren müffen; der Raum aber das eigentliche Gebiet der Malerei ist: so gehören die collectiven Handlungen nothwendig zu. ihren Vorwürfen.

Aber werden diese collectiven Handlungen deßwegen, weil sie in dem Raume erfolgen, aus den Vorwürfen der poetischen Malerei auszuschließen feyn?.

Nein. Denn obschon diese collectiven Handlun`gen im Raume geschehen: so erfolgt doch die Wir

kung auf den Zuschauer in der Zeit. Das ist: da der Raum, den wir, auf einmal zu übersehen fähig sind, seine Schranken hat; da wir unter männigfaltigen Theilen neben einander uns nur der wenigsten auf einmal lebhaft bewußt seyn können: so wird Zeit dazu erfordert, diesen größern Raum durchzit= gehen, und uns dieser reichern Mannigfaltigkeit nach und nach bewußt zu werden.

Folglich kann der Dichter eben sowohl das na ch und nach beschreiben, was ich bei dem Maler nur nach und nach sehen kann; so daß die collectiven Handlungen das eigentliche gemeinschaftliche Gebiet der Malerei und Poesie sind.

Sie sind, sage ich, ihr gemeinschaftliches Gebiet, das sie aber nicht auf einerlei Art bebauen können.

Gesest auch, daß die Betrachtung der einzelnen Theile in der Poesie eben so geschwind geschehen könnte, als in der Malerei: so fällt doch ihre Berbindung in jener weit schwerer, als in dieser, und das Ganze kann folglich in der Poesie von der Wir kung nicht seyn, als es in der Malerei ist.

Was sie daher am Ganzen verliert, muß sie an den Theilen zu gewinnen suchen, und nicht leicht eine collective Handlung schildern, in der nicht jeder Theil, für sich betrachtet, schön ist.

Diese Regel braucht die Malerei nicht. Son dern da bei ihr die Verbindung der erst einzeln be= trachteten Theile so geschwind geschehen kann, daß

wir wirklich das Ganze auf einmal zu übersehen glauben: so muß sie vielmehr sich eher in den Thei= len, als in dem Ganzén vernachlässigen; und es ist ihr eben so erlaubt, als zuträglich, unter diese – Theile auch minder schöne und gleichgültige Theile zu mengen, sobald sie zu der Wirkung des Ganzen etwas beitragen können.

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Diese doppelte Regel, nämlich, daß der Maler bei Vorstellung collectiver Handlungen mehr auf die Schönheit des Ganzen, der Dichter hingegen mehr darauf sehen muß, daß so viel möglich jeder eins zelne Theil schön sey, spricht das Urtheil über eine Menge Gemälde des Künstlers und des Dichters, und kann beide in der Wahl ihrer Vorwürfe sicher leiten.

3. E. Angelo hätte ihr zufolge kein jüngstes Gericht malen sollen. Nicht zu gedenken, wie vieldieses Gemälde durch die verjüngten Dimensionen von der Seite des Erhabenen verlieren muß, da das allergrößte noch immer ein jüngstes Gericht en miniature ist: so ist es gar keiner schönen Unorde nung fähig, die auf einmal ins Auge fallen könnte; und die allzu vielen Figuren, so gelehrt und kunstreich auch eine jede für sich selbst ist, verwirren und ermüden das Auge.

Der sterbende Adonis ist bei dem Bion ein vortreffliches Gemälde. Allein ich zweifle, daß es einer schönen - Anordnung unter der Hand des Malers fähig ist, wenn er, ich will nicht sagen

alle, sondern nur die meisten Züge des Dichters beibehalten will. Die um ihn heulenden Hunde, ein so rührender Zug bei dem Dichter, würden unter Den Liebesgöttern und Nymphen, dünkt mich, einen schlechten Effect thun./

XV.

Wie der Dichter Körper nur andeutungsweise durch Bewegungen schildert: so sucht er auch sicht liche Eigenschaften des Körpers in Bewegungen aufzulösen. Als z. E. die Größe. Beispiel von der Höhe eines Baumes. Von der Breite der Pyramiden, Von der Größe der Schlange.

XVI.

Von der Bewegung in der Malerei; warum nur Menschen und keine Thiere fie darin empfinden.

Den Schranken der bildenden Künste zufolge sind alle ihre Figuren unbeweglich. Das Leben der Be= wegung,' welches sie zu haben scheinen, ist der Zusag unserer Einbildung; die Kunst thut nichts, als daß fie unsere Einbildung. in Bewegung fest. 3eu ris, erzählt man, malte einen Knaben, welcher Trauben trug, und in diesen war die Kunst der Natur so nahe gekommen, daß die Vögel darnach

flogen. Aber dieses machte den 3 euris auf sich felbst unwillig. Ich habe, sagte er, die Trauben besser gemalt, als den Knaben; denn hätte ich ́auch diesen gehörig vollendet, so hätten sich die Vögel vor ihm scheuen müssen. Wie sich ein bescheidener Mann doch oft selbst schikanirt! Ich muß mich des Zèuris wider den Zeuxis an= nehmen. Und hättest du, lieber Meister, den Knaben auch noch so vollendet, er würde die Vögel doch nicht abgeschreckt haben, nach seinen Trauben zu fliegen. Thierische Augen sind schwerer zu täuschen, als menschliche; sie sehen nichts, als was fie sehen; uns hingegen verführt die Einlildung, daß wir auch das zu sehen glauben, was wir nicht sehen.

XVII.

Von der Schnelligkeit, und den verschiedenen Mitteln des Dichters, sie auszudrücken.

Die Stelle beim Milton B., X. v. 90. Die allgemeine Reflexion über die Schnelligkeit der Götter ist bei weitem von der Wirkung nicht, als das -Bild würde gewesen seyn, welches uns Homer auf eine oder die andere Art davon gemacht hätte. Vielleicht würde er, anstatt ,, er stieg fogleich herab, “ gesagt haben: er war herabgestiegen.

Die Schnelligkeit ist eine Erscheinung zugleich.

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