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Einleitung.

Wie ich im ersten Bande den historischen Verlauf der Lautzeichen, der Laute, der Accentuation und der Flexionen dargestellt habe, so versuche ich in diesem zweiten Bande die syntaktischen Formen in gleicher Weise zu behandeln. Indem die Darstellung vom Angelsächsischen ausgeht, dessen Weiterbildung im Neuangelsächsisben nachweist und die mannigfachen Formen des Englischen zusammenstellt, die vom Altenglischen bis zum Neuenglischen unter dem Zutritt und dem Einfluss des Romanischen sich bisweilen eigenthümlich gestalten; indem dieselbe nicht die durch Abstraction gewonnenen logischen Verhältnisse, sondern die vorliegenden grammatischen Formen zu Grunde legt; so gibt sie ein klares und anschauliches Bild von der Bildung und dem Verlauf des Satzes und seiner Formen. Neues Licht fällt auf die Formen, die in der modernen Sprache vorliegen: sie erscheinen als nothwendige Entwicklungen, die zwar von fremden Einflüssen vielfach berührt, aber selten beeinträchtigt, in germanischem Geiste erfolgt sind.

Die Bedeutung der ags. Verben erweitert sich, denn mannigfache Compositionen fallen zusammen, oder sie schwinden und ihre Bedeutung fällt dem Simplex zu. Sogar Verben, die in Form und Inhalt streng geschieden waren, fliessen in eine Form zusammen und diese bewahrt die doppelte Bedeutung. Manche unpersönlichen Verben werden zu persönlichen, und Empfindung erscheint als ein Act des Bewustseins und der Freiheit. Die begriffliche Bedeutung der sogenannten Hilfsverben steht mit dem auxiliaren Gebrauche im engsten Zusammenhang; jene mindert sich, wenn dieser zunimmt. Die mehrfachen Bildungsweisen des Passivs mindern sich im Ae., seit dem Me. wird das Verbum substantivum ausreichend. Die beiden einfachen Zeitformen reichen ursprünglich für alle temporalen Verhältnisse aus. Aber schon im Ags. treten genauere zusammengesetzte Formen hinzu, die sich ausbreiten und befestigen, manche erst in sehr später Zeit. Streng unterschieden liegen die Modusformen neben einander; lautliche Schwächung erleichtert Vermischung, der Conjunctiv wird seltner, der Ersatz desselben durch Auxiliarien häufiger, sodass er zwar

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nicht aus der Literatur, aber aus der Sprache des Lebens fast gänzlich verschwindet. Neuere Schriftsteller gebrauchen denselben wieder häufiger. - Der Infinitiv ist nur ein einziger, in Folge der zusammengesetzten Zeitformen wird er zahlreicher. Elfric bildet die lateinischen Infinitive nach, und Elfred weiss sogar gerundivische Bedeutung wiederzugeben. Der Infinitiv mindert sich wieder mit den Hilfsverben oder mit Änderung der Bedeutung der letzteren. Schon frühe liegt er in zwei Formen im weiten Umfang vor. Aber der nackte Infinitiv wird durch den präpositionalen und in bestimmter Bedeutung auch durch das Particip Präs. Act. erst eingeschränkt und dann fast ganz verdrängt. Die Präposition, die sich mit dem Infinitiv verbindet, schwächt sich, eine Verstärkung tritt ein, aber weder diese noch die in den nördlichen Dialecten gebräuchlichen Präpositionen können Verbreitung und Befestigung gewinnen. - Die Vermehrung der Participien erfolgt erst spät, vielleicht unter romanischem Einfluss, aber nach deutscher Weise.

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Der präpositionale Infinitiv und das Verbalsubstantiv (-u ng), die im Ags. streng unterschieden neben einander liegen, nähern sich im Nags. und fliessen im Ae. in eine Form zusammen, aber die verschiedene Rection klingt noch fort. Da die Präposition vor dem Substantiv bisweilen ausgefallen ist, so nimmt man sie irrthümlich für das Particip in passiver Bedeutung, und ein vermeintliches Streben nach Eleganz lässt dann das Particip Präs. Pass. eintreten. Die zusammengesetzten Verbalsubstantiven, die den Participien analog gebildet sind, sind noch nicht zur vollen substantivischen Rection gelangt, durch die absolute Participialconstruction beeinträchtigt.

Die absoluten Participialconstructionen stehen im Dativ, selten im Nominativ. Jener klingt noch im Me. fort, dieser dagegen breitet sich aus und verdrängt jenen. Letzterer befestigt sich. Substantiv und Verb fliessen zusammen, sie werden in Bedeutung dem mit einem Attribute verbundenen Verbalsubstantiv gleich und lassen sich in die Construction anderer Sätze einordnen.

Die einfache Rection ändert sich seltner als die mehrfache, wie bei den Verben mit Accusativ und Instrumentalis, mit Dativ und Genitiv. Der Accusativ erhält sich nicht nur in fast gleichem Umfange, sondern ist oft als Objectivcasus für den Dativ eingetreten und bei den Adjectiven des Masses im Ae. auch für den Genitiv. Jetzt ist er hier gewöhnlicher. Nur bei den Personalund interrogativen Relativpronomen ist er fast überall verdrängt durch den Dativ, der im Nags. für beide Casus ausreicht, also zum Objectivcasus wird und in seiner eigentlichen Bedeutung, auch schon im Nags., durch to oder till unterschieden wird. Im singularen Neutrum des demonstrativen Personalpronomens liegen noch im Me. Dativ und Accusativ neben einander, der Dativ geht verloren und wird durch den mit to verbundenen Accusativ er

setzt. Der Objectivdativ bei Verben und Adjectiven wird im Nags. selten mit to und bei Orm auch mit till, seit dem Ae. gewöhnlich mit to ersetzt. Der instrumentale Dativ, noch im Ae. erkennbar, wie der modale, temporale, distributive werden frühe durch Präpositionen ersetzt oder klingen noch im Objectivcasus fort. Neben dem comparativen Dativ steht schon im Ags. die Conjunction (ponne-than); letztere allein von dem Nags, an. -—Der Instrumentalis wechselt schon im Ags. mit Präpositionen und wird im Nags. durch diese ersetzt; der temporale auch durch den Objectivcasus. Für den Instrumentalis beim Comparativ tritt vor diesem im Nags. der Objectivcasus, hinter demselben im Ae. und Me. die Präposition ein. Neben dem Genitiv in partitiver Bedeutung steht schon im Ags. die Präposition, die jenen in einigen Bedeutungen beschränkt, in andern gänzlich verdrängt. Das Genitivzeichen, allgemein geworden, wird im Ne. zur Bezeichnung logischer und syntaktischer Einheit verwandt. Die Genitive der Personalpronomen kommen als Objecte nur im Ags. vor, als Attribut und zwar hauptsächlich mit Numeralien verbunden noch im Me.; erst im Ne. werden sie in gewöhnlicher Weise ersetzt. Das Adjectiv stösst schon im Ags. bisweilen die Beziehungsformen ab, bewahrt aber die Spuren derselben bis ins Me. Da sie früher schwinden am Superlativ als am Positiv, am zweiten Object als am Prädikate und Attribute, so ergibt sich, dass die Beschaffenheit des Worts und die syntaktische Stellung nicht ohne Einfluss sind. Die attributiv gebrauchten Numeralien werfen schon im Ags. bisweilen die Flexionen ab und bereiten den englischen Gebrauch vor. Die Mannigfaltigkeit der zusammengesetzten Ordinalien vereinfacht sich im Nags., schwankt im Ae. und Me. und befestigt sich erst im Ne. dahin, dass das letzte Wort das Ordinalzeichen trägt. Die Ordinalien zuerst mit ags dal, dann mit romanischem part verbunden, erscheinen auch ohne letzteres als Bruchzahlen. Früher und rascher als die Adjectiven, verlieren die adjectivisch gebrauchten Possessiven ihre Flexion, während die substantivisch gebrauchten sie länger bewahren.

Neben das natürliche Anredewort ist im Ae. steigernd der Plural getreten, der sich seitdem ausbreitet und im Ne. allgemeiner Ausdruck der Höflichkeit wird. Die einfachen Personalpronomen reichen zuerst als Reflexiven aus; die verstärkten Formen mehren sich besonders im Ae, und sind im objectiven Verhältniss jetzt fast ausschliesslich im Gebrauch. - Die Verstärkung der Personalpronomen artet im Nags. in der 1. und 2. Person aus. Die Ausartung befestigt sich und bringt auch die regelmässige Form vorübergehend ins Schwanken, die sich aber wieder befestigt, so dass die ausgearteten Formen neben den regelmässigen (my-self neben him-self) liegen. - Die substantivisch gebrauchten Possessiven lassen nach Zerrüttung der Flexion in den Formen, die mit den Adjectiven übereinstimmen, wegen der noch fühlbaren genitivischen

Bedeutung das Genitivzeichen, zuerst im Ae., antreten. Erst im Ne. haben sich diese Formen befestigt und ein analog gebildetes Neutrum ist hinzugetreten.

Eigentliche Relativen fehlen. Sie werden durch das Demonstrativ und das Interrogativ ersetzt; von jenem bleibt eine Form, von diesen zwei Wörter.

Die verhärteten Casus, die zu adverbialem Gebrauche gelangen, liegen noch in voller Form im Ags. vor, schleifen sich im Nags. ab und sind im Ae. fast alle unkenntlich. Merkwürdig ist deshalb, dass im Ne. die Genitive, die längst verschwunden sind, von Neuem ersetzt werden.

Das Ags. hat unter seinen zahlreichen Präpositionen nicht viele mit dem Gotischen gemein und darunter wenige mit gleicher Rection. Die Zusammenstellung nach ihrer Verwandtschaft zeigt den ursprünglichen Reichthum, lässt frühere schon geschwundene Unterscheidungen ahnen und erklärt die eintretenden grossen Verluste. Von den Gruppen bleibt nur, was das Bedürfniss erhält.

Jede Satzverbindung ist ursprünglich parataktisch; Demonstrativen, Numeralien und adverbiale Formen reihen Sätze an einander. Die geringere logische Bedeutung schafft erst den Nebensatz, und Zeichen desselben wird entweder das unterschiedene oder das dem Hauptsatz entwichene Demonstrativ. Jenes geht in das Relativ über, dieses verhärtet und wird Zeichen syntaktischer Abhängigkeit. Nachdem die letztere Form des Nebensatzes sich befestigt hat, wird das logische Verhältniss wiederum am vorstehehenden Demonstrativ bezeichnet. Mit Präpositionen verbunden, rückt dies zum zweitenmal in den Nebensatz und die Präposition wird Conjunction. Auf demselben Wege gelangen auch Substantiven zu conjunctionalem Gebrauche. Auf anderem Wege schreiten Numerale und Pronomen; jenes zählt, dieses deutet die Gegenstände an, so dass die Substantiven eigentlich Appositionen sind. Die Bedeutung schwächt sich und Numerale und Pronomen werden Conjunctionen.

Das sind die Hauptzüge, die bei historischer Darstellung der Syntax hervortreten. Manches ist darin unvollständig, schwankend, vielleicht unbegründet. Bei einer ersten Darstellung wird ja Manches übersehen, der Blick ist bisweilen befangen, das Urtheil nicht immer sicher. Aber wenn die Quellen reichlicher fliessen, und eine regere Thätigkeit auf dem Gebiet dieser historischen Studien sich entfaltet, dann wird es nicht schwer sein, das Unvollständige zu ergänzen, das Unsichere zu stützen und das Irrthümliche zu berichtigen.

Eisenach, im August 1865.

Professor Dr. Friedrich Koch.

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