Page images
PDF
EPUB
[merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small]

ritorien, und Einleitung in ihre Geschichte und ålteren Staats- Einrichtungen. Ein Handbuch für Staatsmånner, Rechtsgelehrte und Verwals tungsbeamte von W. v. d. N.

Nicht geringe Schwierigkeiten bey der Un: wendung des Rechts entstehen in unserem gegenz wärtigen Rechtszustande dadurch, daß wohl in keinem deutschen Lande in dem ganzen Umfange des Staatsgebiets ein gleichförmiges Recht gilt, sondern daß meistens in den verschiedenen Bes zirken desselben neben dem für den ganzen Staat gültigen Recht noch viele bloß dem einzelnen Bezirk angehörenden Rechtssäge zur Anwendung tommen. Diese Verschiedenheiten erklären sich zum Theil daraus, daß viele Jahrhunderte hindurch fast alles in Deutschland geltende Recht entweder Gewohnheitsrecht war oder auf Autonoz mie beruhte, und daß es in beiden Fällen, wenn es auch gleich allenthalben in den der deutschen Nation eigenthümlichen Rechtsideen eine gleiche Grundlage hatte, sich doch schon nach der Natur des Gewohnheitsrechts und der Autonomie nach Verschiedenheit des Orts und der Lebensverhält nisse verschiedenartig gestalten mußte. Zum Theil find fie aber auch daraus hervorgegangen, daß die meisten der jeßigen Bundesstaaten aus einer beträchtlichen Anzahl kleiner Territorien entstan, den sind, welche bey ihrer Vereinigung schon eis ne besondere Gesetzgebung hatten, und daß diese nicht selten, wenigstens theilweise, bis auf den heutigen Tag in Gültigkeit geblieben ist. Es könnte nun zwar scheinen, als ließen sich je: ne Schwierigkeiten am leichtesten dadurch ents fernen, daß man diese Rechtsverschiedenheiten burch ein neues Gesch aufhöbe. Allein wenn kein rechtloser Zustand eintreten soll, so ist dieß

nicht anders möglich, als wenn zugleich andere rechtliche Bestimmungen an die Stelle der abge: schafften gesetzt werden, und einem solchen Unters nehmen stellen sich alle die Gründe entgegen,. welche gegen die Promulgation eines vollständigen Gesenbuchs sprechen. Ferner haben aber auch viele particulare Rechtsverschiedenheiten so tiefe Wurzeln in den Ansichten, Bedürfnissen und Le= bensverhältnissen des Volks geschlagen, daß sie fich nicht ohne großen Nachtheil für das gemeine Beste aufheben lassen. Ueberhaupt möchte, ganz abgesehen hiervon, eine völlige Verbannung der Particularrechte (wenn gleich eine Beschränkung derselben sehr zweckmäßig seyn würde), kaum zu wünschen seyn, da es weit zuträglicher ist, wenn Das Recht sich nach den einmal von der Natur gegebenen localen Verschiedenheiten unter den Menschen richtet, als wenn der Einzelne der bloßen starren Gleichförmigkeit zu gefallen, sich einer Rechtsregel unterwerfen muß, die entweder feinem angeborenen Rechtsgefühle widerstrebt oder ihm in seinem gewohnten Geschäftskreise störend entgegen tritt. In der That ist dieß auch in als len neueren Gefehbüchern, so sehr auch einige derselben die Particularrechte in den Hintergrund gedrängt haben, stillschweigends dadurch anerkannt, Daß keins derselben sie ganz ausgerottet hat. Una ter diesen Umständen ist es daher beynahe noth wendig an die Entfernung der Schwierigkeiten, welche bey der Rechtsanwendung aus dem Vor: handenseyn der Particularrechte entspringen, zu denken. Diese Schwierigkeiten bestehen nun aber hauptsächlich darin, daß es zuvörderst sehr schwer halt, sich eine gehörige Kenntniß von den auch nur in einem einzelnen Staat geltenden Parti: cularrechten zu verschaffen, indem nicht nur ein

bedeutender Theil derselben niemals aufgezeichnet ist, sondern auch von den geschriebenen viele nie gedruckt, und die gedruckten meistens nicht in den Buchhandel gekommen und daher nicht selten bis auf wenige Eremplare verloren gegangen find. Wenn man aber auch die Particularrechte eines Staats gehörig kennt, so ist es ferner oft sehr schwierig, auszumitteln, welches unter dies sen in jedem einzelnen Ort desselben gilt. Hiers zu reicht es nämlich nicht hin zu wissen, zu wels chem Territorium der einzelne Bezirk zur Zeit seiner Vereinigung mit dem jezigen Bundesstaat gehört hat, sondern es ist dazu auch eine Bez kanntschaft mit der früheren Geschichte desselben erforderlich, weil es möglich ist, daß dieser Bezirk nicht von Anfang an einen Bestandtheil jenes Territoriums gebildet hat, und dann nicht selten das Particularrecht des lesteren in demselben nicht gültig ist, sondern in ihm noch das Recht zur Anwendung fömmt, was er vor seiner Vers einigung mit diesem Territorium hatte. Demnach ist es zur Beseitigung jener bey der A1 = wendung der Particularrechte entstehenden Schwiez rigkeiten erforderlich, daß zuvorderst alle in eis nem Staat geltenden Particularrechte gehörig gesammelt, und daß ferner Werke veranstaltet wers den, worin angegeben wird, welches derselben in jedem einzelnen Orte des Staats gilt, Dies fer leştere Zweck läßt sich nur dadurch erreichen, daß man untersucht, welchem früheren Territo= rium jeder einzelne Ort angehört, und ob er einen ursprünglichen Bestandtheil desselben gebil det hat, oder erst später zu demselben hinzu ges kommen ist. Daher wird ein jedes solches Werk auch immer eine kurze Geschichte der einzelnen Bestandtheile, aus welchen das jezigė Staats

I

gebiet allmählich erwachsen ist, enthalten müssen. Auf diese Weise nun hat der schon durch seine Sammlung der merkwürdigeren Entscheidungen des herzoglich Nassauischen Oberappellationsge= richts rühmlich bekannte Verfasser der bey Anwendung der Particularrechte entstehenden Ungez wißheit für die an beiden Ufern des Rheins lie genden deutschen Länder, mit Ausnahme des Großherzogthums Baden (weil es ihm für die: ses Land an den nöthigen Notizen fehlte) im vorliegenden Werke ein Ende zu machen gesucht. Nirgends war wohl eine solche Arbeit ein größe: res Bedürfniß, als gerade hier, da jene Länder allmählich aus ungefähr 150 kleineren Territo rien entstanden sind, von welchen wenigstens ein fehr großer Theil eigenthümliche particularrechtliche Bestimmungen hatte, und diese noch theilweise bis auf den heutigen Tag gelten. Denn wenn gleich der noch jest auf dem linken Rheinufer gültige Code Napoléon die Particularrechte im Allgemeinen aufgehoben hat, so duldet er sie doch in denjenigen Materien, über welche er entweder teine Bestimmungen enthält, oder die er ausdrücklich den Ortsgewohnheiten überlassen hat; und wenn ferner auch auf dem rechten Rheinufer in allen Staaten, am meisten im Herzogthum Nassau, das altere Particularrecht durch neuere gefeßliche Bestimmungen geändert und verein: facht ist, so ist es doch hier als Hauptrecht beybehalten und gilt noch jest in einer großen Menge von Rechtsmaterien.

Die beiden ersten Bånde des vorliegenden Werks enthalten eine Sammlung der Rheinischen Particularrechte, indessen diese keineswegs vollständig, sondern nur die geschriebenen, und von diesen auch nur einen Theil. Das geschriebene Parti

« PreviousContinue »