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gewesen, alles reichlich hervorzubringen, was zur Erhaltung der Welt, unseres Wesens und Wohlseyns dient. Und sie werden in dem gegenwärtigen, wenn es Gott gefällt, nicht Muße haben. Das zwei und vierzigste Jahr dieses Jahrhunderts hat uns überflüßige Mittel angeboten, die hohen Absichten unseres Schöpfers, weswegen wir leben und da sind, zu erfüllen. Und das drei und vierzigste wird gegen uns Unwürdige eben so freigebig seyn, wenn wir es erkennen wollen, und es an nichts fehlen lassen, was. zu unserm und der ganzen menschlichen Gesellschaft Besten dienet. Hatte das vorige Jahr seine Plagen, die uns der starke Arm des Höchsten überwinden half, so wird auch das jetzige zu unserer Prüfung seine Uebel haben. Doch getrost, wir sind in Gottes Hand! Jezt verehre ich die allerhöchste Majestät in tiefster Demuth, und danke ihr mit der reinesten Regung meiner Seele für alles das Gute, das sie die Welt und uns hat genießen lassen, und welches sie uns fernerhin, wie mich mein Glaube versichert, erzeigen wird. Ich preise nebst Ihnen die weise und mächtige Liebe des höchsten Regenten, die Zeit, und auch unsere Tage, die gegen uns stets neu ist, und niemals alt wird, mit vergnügtem und zufriedenem Herzen. Ich wünsche endlich mit der Redlichkeit und mit dem Eifer, der Christen gebührt, der Geist des Höchsten wolle uns also regieren, daß wir uns Gottes Willen allezeit gefallen lassen, daß wir die beständige Mischung des Guten und Bösen von seiner Hand also annehmen, daß wir dabei weder übermuthig noch kleinmuthig werden, daß wir die Kräfte und Wirkungen der Welt also gebrauchen, daß wir sie nicht mißbrauchen, daß wir die Mittel zu unserer Seelenrühe und unserer Glückseligkeit und der allgemeinen Wohlfahrt so anwenden, wie es die Ehre unseres Herrn erfordert. Mir wünsche ich von Ihnen in diesem Jahre gleiche Liebe, gleiches Gebet, gleiche Vorsorge, gleiche Treue und gleichen Beistand. Ich verspreche Ihnen dafür gleiche Dankbeflissenheit, gleiche Ehrerbietung, gleichen Gehorsam, gleiche Begierde, Ihnen gefällig zu werden, gleichen Eifer, Gott für Dero Wohlseyn anzuflehn. So werden wir in der That erfahren, daß wir in den goldenen Zeiten leben, daß ein Jahr dem andern gleich ist.

Abhandlung von den Pantomimen der Alten.'

§. 1.

Es werden wenige von meinen Landes Leuten seyn, welche nicht jezo das Wort Pantomimen unzehlichemal gehört und selbst sollten im Munde geführt haben, ohne vielleicht zu wissen was es eigentlich bedeute. Und wer weiß ob Herr Nicolini selbst den wahren Begriff davon mag gewust haben, sonst würde er ung wohl schwerlich seine stummen Poßenspiele unter diesem Namen aufgedrungen haben. Doch was wird er sich darum viel bekümmern? Hat er doch überall seinen Endzweck erlangt. Und er ist es werth, daß er ihn erlangt hat, da er auf eine so anlockende Art fich die Neugierigkeit und den läppischen Geschmad der jetzigen Zeiten zinnsbar zu machen gewust hat. Doch mit seiner und aller derer Erlaubniß, welche ihn bewundert haben, behaupte ich, daß seine kleinen Affen nichts weniger, als Pantomimen sind. Er darf deßwegen eben nicht auf mich böse werden, denn ich stehe ihm dafür, daß er dieser Anmerkung halber gewiß keinen einzigen Zuschauer weniger bekommen wird. Denn ich zweiffle sehr, ob einer von denen, die ihn so offt besucht haben und noch besuchen werden, meine Abhandlung lesen wird. Nach dem Geschmacke dieser Herren und Damen wird sie wohl nicht seyn; die es vielleicht lieber sehn würden, wenn ich einen Commentar über die Geburt des Arlequins oder über den hinkenden Teuffel schrieb, und ihnen darinen die schönen Verwandelungen, die niedlichen Posituren und den kunstreichen

1 Im zweyten Theile des theatralischen Nachlaffes S. 223 gedruckt; unter den Breslauer Papieren erhalten und danach berichtigt.

Zusammenhang des ganzen Stückes auf die lebhafteste Art vorstellte, als daß ich sie mit alten Erzehlungen vergnügen will. Und gesezt auch ich würde von allen gelesen, und gesezt auch er würde mit seiner Benennung von allen ausgelacht, so kan er sich doch gewiße Rechnung machen, so lange seine Kunst was neues ist, daß es ihm niemals an einem vollen Schauplaze fehlen wird. Es sind keine Pantomimen, wird man allenfalls fagen, es sind aber doch Leute die einem die Zeit auf eine ganz artige Art vertreiben. O wenn das ist, Verdienst genug für die heutge Welt! Ist wohl was verdrießlicher, als Langeweile!

§. 2.

Dem Nahmen nach heißer Pantomimen Leute, welche alles nachahmen. Und eine richtige Beschreibung zu machen, welche sich so wohl auf die griechischen als römischen Pantomimen schickt, so waren es Leute, welche tanzend alle Personen eines dramatischen Stücks vorstellen und jeder Person Charakter, Affekten und Gedanken durch die Bewegung ihrer Gliedmaßen ausbrüden konnten (*).

§. 3.

Den ersten Ursprung der Pantomimen müßen wir bey dem Ursprunge des Tanzens suchen. Denn die Tänze der Alten drückten alle etwas aus. Calliachius leitet sie von den Mimis her.

Salmas. in Not. ad Vopis.

Quid vero illis opponemus, qui ejus inventorem Pyladem perhibent? Interpretandi nobis sunt non refutandi: nam et verum illi dixerunt, si recte capiantur. Saltatio quaevis Augusti temporibus in scena versabatur, et quae post illa tempora passim viguit, quaeque nihil amplius commune aut conjunctum habebat cum Comoedia atque Tragoedia, sed seorsum in Orchestram veniebat, inventum procul dubio Pyladis fuit et Bathylli, res vero ipsa et ars illa, saltandi modus, quo omnia, quae dicerentur, manibus expediebantur, quoque ipse etiam Pylades in sua saltatione usus est, longe ante Pyladem nota Scenae et in usu posita fuere, sed in Tragoedia tantum et Comoedia et Satyris locum habebat: nusquam enim sola

(*) Cassiodorus variarum IV. epistola ultima. Pantomimi nomen a multifaria imitatione nomen est. Idem corpus Herculem designat et Venerem, foeminam praesentat et marem: regem facit et militem: senem reddit et juvenem, ut in uno videas esse multos, tam varia imitatione discretos.

per se ante id tempus ooxnors in Orchestra comparuerat. Primus Pylades saltationis artem a T. et C. separatam in Scenam Latinam introduxit.

Dieses widerlegt Calliachius mit der Stelle [Lib. V. c. 7.]: Ex quibus omnibus colligendum est, saltationem pantomimicam non fuisse Pyladis inventum: nec ab ipso primum extra Comoediam et Tragoediam in scenam Latinam invectam, sed magis excultam: atque exornatam, atque cum tibiis pluribus, fistulis atque Choro exhibitam. Ratione cuius novitatis, et majoris etiam fortassis in saltando dexteritatis, et concinnitatis adeo commendatus est, ut inventor illius salt. per hyperbolen audiverit. Euseb. in Chron. Pyl. Cilix Pant. πρῶτος τὰς σύριγγας καὶ τὸν Χορὸν ἑαυτῷ ἐπάδειν ἐποίησε.

Macrob. Sat. lib. 3. c. 14.

Diomedes lib. II. cap. de variis Poematum generibus.

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Servius ad illud Eclog. 5. v. 73. Saltantes Satyros.

Suet. in Aug. c. 43. et 45. Lip. in Comment. ad Tacit. Ann. I. cap. 54.

§. 3.

Wie man aber angefangen hatte, das Tanzen auch mit auf den Schauplaz zu bringen, so bemühte man sich immer mehr und mehr damit auszudrücken, und zwar das was in dem vorgestellten Stücke war gesagt oder gethan worden. Einer der ältesten von diesen Tänzern, war der Tänzer des Aeschylus, von welchem uns Athenäus (*) Nachricht giebt. Er hieß Telesis oder Telestis. Er erfand unterschiedne Arten die Reden durch die Hände sehr deutlich auszudrucken. Und wie Aristocles erzehlt so soll er sonderlich, da er die sieben Helden vor Theben getanzt, alle ihre Thaten sehr wohl vorgestellet haben.

§. 4.

Bey den Griechen waren die pantomimischen Tänze allezeit entweder

(*) Athenaeus lib. I. Τέλεσις ή Τελέζης, ὁ ὀρχηςοδιδάσκαλος, πολλὰ ἐξεύ φηκε σχήματα, άκρως ταῖς χερσὶ τὰ λεγόμενα δεικνυούσαις. Αριςοκλής γοῦν φησιν, ὅτι Τελέζης, ὁ Αἰσχύλου όρχηςής, οὕτως ἐν τεχνίτης, ὥς τε ἐν τῷ ὀρχεῖσθαι τοὺς Ἑπτὰ ἐπὶ Θήβας, φανερὰ ποιῆσαι τὰ πράγματα δι ὀρχήσεως.

mit der Tragödie oder Comödie verbunden, zwischen deren Handlungen fie aufgeführet wurden. Der erste aber der sie bey den Römern bekant machte war der Kayser Augustus, der sie, um den müßigen Pöbel durch finnliche Vergnügungen im Zaume zu halten, von der Comödie und Tragödie abgesondert auf den Schauplatz brachte. Dieses bezeugen Svidas (*), Bofimus.

§. 5.

Die ersten und berühmtesten Pantomimen zu des Augustus Zeiten, waren Pylades und Bathyllus. Wie Svidas in dem eben angeführten. Orte bezeugt.

§. 6.

Pylades war ein Cilicier, aus dem Flecken der Mistharner. Seine Tanz-Art, wovon er der Erfinder war, wurde die italienische genannt. Worüber er auch einen ganzen Commentar geschrieben hat, welcher aber verlohren gegangen. Dieses bezeugt Athenäus, und Svidas welcher jenem gefolgt ist, den Ort aber, welchen er ausgeschrieben, ganz falsch verstanden hat. Athenäus (**) sagt, er habe einen Tractat verfertiget, von der italienischen Tanzart, welche Italienische Tanzart aus der comischen, tragischen und satyrischen Tanzart bestünde.. Dieses hat. Svidas so genommen, als hätte Pylades 4 Bücher geschrieben, eins von der Italienischen, das andre von der comischen, das dritte von der tragischen, das vierte von der satyrischen Tanzart.

Chironomiam magnopere expolivit. Nam primus pro una tibia

(*) Suidas sub. voce όρχησις παντόμιμος. Ταύτην ὁ Αύγουζος Καισαρ ἐφεῦρε, Πυλάδου καὶ Βαθύλλου πρώτων αὐτὴν μετελθόντων.

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Idem sub voce Αθηνόδωρος. Αθηνόδωρος, Στωικός φιλόσοφος, ἐπὶ Ὀκ ταουϊανοῦ βασιλέως Ρωμαίων μάλιςα ταῖς Αθηνοδώρου τούτου συμ βουλίαις ἐπείσθη Κατὰ δὲ τοὺς καιροὺς ἐκείνους, καὶ ἡ παντόμιμος ορχησις εἰσήχθη, οὐ πω πρότερον οὖσα καὶ προσέτι γε ἕτερα πολλῶν κακῶν αἴτια γεγονότα.

(**) Die Stelle aus dem Athenäus steht im ersten Buchę p. 20 und heißt fo: - Tovrov τὸν Βάθυλλον φησὶν ̓Αριζόνικος, καὶ Πυλάδην, οὗ ἐξι καὶ σύγγραμμα περὶ ὀρχήσεως, τὴν Ἰταλικὴν συζήσασθαι ἐκ τῆς Κωμικῆς, ἢ ἐκαλεῖτο Κόρδαξ, καὶ τῆς τραγικῆς, ἡ ἐκαλεῖτο Εμμέλεια, καὶ τῆς σατυρικῆς, ἡ ἐλέγετο Σίκιννις. Die Stelle aus tem evitas, unter tem Titel plabes, ift bicfe: Πυλάδης, Κίλιξ, ἀπὸ κώμης Μισθαρνῶν ἔγραψε περὶ ὀρχήσεως τῆς Ἰταλικῆς, ἥτις ὑπ' αὐτοῦ εὐ ρέθη· περὶ τῆς κωμικής καλουμένης ορχήσεως, ἥτις ἐκαλεῖτο Κόρδας. καὶ τῆς τραγικῆς, ἡ ἐκαλεῖτο Σίκιννις· καὶ τῆς σατυρικῆς, ἥτις Εμμέλεια. [Vossius lib. II. Institut. poeticarum will Suidam entschuldigen, indem er sagt, man müsse lesen nicht περὶ, fonbern ἀπὸ τῆς κωμικῆς. Salmasius in Notis ad Vopiscum p. 497.]

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