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Jurisprudenz.

[8] Theorie und Casuistik des gemeinen Civilrechts von Dr. Rud. Freiherrn von Holzschuher. 1. Bd. 2., sorgfältig umgearb., verm. u. verb. Aufl. Leipzig, Baumgärtners Buchh. 1856. XII u. 761 S. gr. 8. (3 Thlr. 15 Ngr.)

Wir freuen uns, die zweite Auflage eines Werkes anzeigen zu können, dem sein innerer Werth eine bleibende Stelle in der juristischen Literatur gesichert hat. In der Ueberzeugung, dass dem Praktiker Lehrbücher nicht genügen können, die meist nur vereinzelte Meinungen geben, war es dem Vf. darum zu thun, die verschiedenen Ansichten über die wichtigeren Rechtsfragen nicht allein. zu sammeln, sondern auch vom praktischen Standpuncte aus zu beleuchten und zu beantworten, mit andern Worten ein speculum juris zu liefern, welches den gegenwärtigen Stand der Rechtswissenschaft im ganzen Umfange des bürgerlichen Rechts möglichst vollständig vor Augen stellt und für die Rechtswissenschaft dasjenige leistet, was Lehrbücher nur für die Kenntniss der aus grauer Vorzeit uns überlieferten Gesetze leisten können, während deren richtige Uebung noch so überaus viele literarische Hülfsmittel nöthig macht, dass diese zu concentriren ein wahres Verdienst um Jedermann ist, der nicht Zeit oder Geld genug hat, um diese Hülfsmittel sich zu verschaffen. Hiermit ist die Grundidee des Werkes angedeutet. Dass diese geschickt und zweckmässig durchgeführt worden sei, beweist ausser den günstigen, in kritischen Blättern gefällten Urtheilen, der rasche Absatz der 1. Auflage des Werkes. Aber wie jede literarische Arbeit erst im Laufe der Zeit durch fortgesetzte Feile und zweckentsprechende Nachträge einer grössern Vollendung entgegengeführt werden kann, so hat auch der Vf. sein Werk mit vieler Sorgfalt neu bearbeitet, indem er in der Form der Darstellung Einzelnes änderte, und die neuere Literatur, namentlich die seit der ersten Auflage erschienenen Sammlungen von Entscheidungen der Obergerichtshöfe gewissenhaft berücksichtigte und nachtrug. So ist schon dieser 1. Band bei compendiösem Drucke gegen 8 Bogen stärker geworden, als er in der 1. Aufl. war. Von einer speciellen Angabe einzelner Lehren, welehe vorzüglich erweitert worden sind, müssen wir hier absehen, sind aber dessen gewiss, dass diejenigen, welche durch fortgesetzten Gebrauch mit diesem Werke sich vertraut gemacht haben, mit dem Ref. darin übereinstimmen werden, dass die Worte des Titels,,zweite, sorgfältig umgearbeitete, vermehrte und verbesserte Auflage" die vollste Wahrheit aussprechen, wie es leider sonst nicht immer der Fall ist. Der 2. Band wird binnen Kurzem folgen.

[9] Das Senatus consultum Macedonianum. Eine civilistische Monographie von Dr. Gust. Dietzel, ausserord. Prof. an der Univ. Leipzig. Leipzig, Hirzel. 1856. IV u. 154 S. gr. 8. (n. 24 Ngr.)

Der Vf. bemerkt S. 6 ausdrücklich, dass die zahlreichen Dissertationen, welche das Sct. Maced. betr. in dem vorigen Jahr1857. I.

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hundert erschienen, ihm unzugänglich gewesen seien, sich jedoch wie aus Glück hervorgehe, vorzugsweise nur mit einzelnen Fragen zu beschäftigen schienen. Im Allgemeinen mag es richtig sein, dass aus der älteren Dissertationenliteratur in der Regel nicht viel Goldkörner zu erheben sind. Allein der Ref. stellt an den Vf. einer Monographie das Anverlangen, dass er, eben um Andern die Mühe des nochmaligen Nachsuchens zu ersparen, das vorhandene Material vollständig ausklopfe. Von Unzugänglichkeit desselben kann namentlich in Leipzig nicht füglich die Rede sein. Theils existirt die früher Goethesche, jetzt im Besitz von T. O. Weigel befindliche Dissertationensammlung, über deren Reichthum das nach den Namen geordnete, jedoch auch mit einem vollständigen Materienregister versehene Lexicon literaturae Acad.-Jurid. von Dr. Em. Vogel bis mit dem J. 1837 reichend, Auskunft giebt; theils ist die Universitätsbibliothek, zumal nachdem die Leplaysche Sammlung dazu gekommen, in der Branche juristischer Dissertationen jetzt so reichhaltig, dass an beiden Stellen, wenigstens aber an der einen oder der anderen fast alles zu erlangen ist, was man sucht. So weist z. B. das Vogelsche Lexicon unter den Rubriken exc. Sct. Mac. und Maced. Sct. 24 Dissertationen nach, welche bei T. O. Weigel zumeist käuflich zu erlangen sind. Hierzu kommen noch die ziemlich ausführliche Abhandlung von B. H. Reinoldus in dessen Opusculis p. 412-445, eine Reihe von Abhandlungen in Zeitschriften u. s. w., welche in Sickels Repertorium II. p. 190 verzeichnet sind, die Diss. v. J. D. Löbenstern. Marb. 1828 und die beiden Leipziger Programme (von Marezoll), deren der Verfasser S. 132 und 149 gedenkt. Doch abgesehen von diesen beiläufigen Bemerkungen, sich dem Vf. das Zeugniss nicht versagen, dass er seinen Plan einer quellenmässigen Behandlung der Lehre im Hauptwerke mit eben so viel Scharfsinn als Gewandtheit verfolgt hat, Ref. kann ihm in die Details nicht ausführlicher folgen, und glaubt das Interesse der Leser im Wesentlichen dadurch zu wahren, dass er das Ergebniss mittheilt, zu welchem der Vf. in Bezug auf die Geltung des Senatusconsultes im heutigen gemeinen deutschen Rechte (S. 152 f.) gelangt. Der Vf. meint, da die Gründe des Senatusconsultes folgende gewesen: 1) die Vermögensunfähigkeit des Darlehnsempfängers; 2) der Schutz des Vaters gegen die actio de peculio; 3) die gefährliche Natur des mutuam pecuniam accipere; nun aber der dritte mindestens ohne den ersten nicht durchschlagen könne, indem, wer dieses meine jenem Gesetze die Bedeutung eines Polizeigesetzes, einen criminalistischen Gesichtspunct gäbe, der erste Grund dagegen h. z. T. nicht mehr praktisch sei, eben so aber h. z. T. die Haftung des Vaters de peculio nicht mehr Platz ergreife, so gelte das ius singulare des Senatusconsultes nicht mehr, vielmehr hafte das Hauskind wegen mutua pecunia data bei uns wie aus jedem anderen Contracte. Allein dieses Resultat entspricht abgesehen von der Frage, in wie fern ihm, wenn

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es sich de lege ferenda handelt, Berücksichtigung zu empfehlen, wenigstens der Praxis nicht, und wie in Sachsen das Sct. Maced. unverrückt Geltung hat, (vgl. u. a. Siebenhaars Repertorien zu der Sächs. Zeitschr. f. Rpfl. u. Verw. und zu dem Jur. Wochenblatt), so ergiebt das gleiche Resultat theils die Vergleichung der oben bemerkten von Sickel aufgeführten Abhandlungen bewährter Praktiker, theils die Einsicht der Spruchliteratur der Länder des gemeimeinen Rechts. Noch hat Ref. einen Punct hervorzuheben, in welchem er der Erörterung des Vfs. mit Spannung entgegensah, wo jedoch letztere auf nicht zutreffende Prämissen zu fussen scheint. Ref. meint die Frage: wie kommt es, dass bei Gleichlaut der betreffenden Worte des Sct. Macedonianum und Vellejanum, bei jenem die naturalis obligatio nicht alterirt wird, bei diesem auch eine solche abzusprechen ist? Der Vf. findet nun S. 138 f. den Grund dieser Verschiedenheit darin, dass aus mutua pecunia data eine naturalis obligatio entstehe, diese Thatsache, dass mutua pecunia data sei, durch das Sct. nicht aufgehoben werde, folglich die naturalis obligatio fortbestehe, dagegen in dem Falle des Sct. Vellej. eben so wie bei dem der lex Cincia eine stipulatio sine causa vorliege, somit aber eine naturalis obligatio, welche fortdauern könne, gar nicht entstanden sei (S. 146. 147). Allein wer möchte wohl dem Vf. in der Annahme beistimmen, dass nicht an sich durch die intercessio eine naturalis obligatio im weiteren Sinne begründet worden? Paulus in der L. 84. §. 1. D. d. R. J. (L. 17.) sagt: Is natura debet, quem jure gentium dare oportet, cuius fidem secuti sumus. Trifft diess aber nicht auch den Fall, wenn z. B. Jemand einem Dritten, mit Rücksicht auf die Verbürgung der mulier Geld vorstreckt, oder es ihm lässt, weil die mulier intercedirte?

[10] Untersuchungen aus dem römischen Civilrechte von Dr. jur. Gust. Demelius, Docenten d. röm. R. an der k. k. Karl-Ferdinands Univ. zu Prag. 1. Bd. Weimar, Böhlau. 1856. VIII u. 208 S. gr. 8. (n. 1 Thlr. 5 Ngr.)

Der Vf. bietet uns zwei Abhandlungen: I. Geschichte der Klagverjährung, II. Das Dogma von der actio nata. 1) In der ersteren beleuchtet er, nach einer das von ihm gewonnene, unten des Näheren zu bemerkende Resultat einführenden Einleitung die Klagverjährung im alten Civilrechte, die Annalklagen des Edicts, die prätorischen Poenalklagen, das Quinquennium der querula inofficiosi, die Criminalverjährung und weitere Fälle der Annalität; sodann bei Darstellung des gemeinsamen Wesens der Verjährugsfälle im früheren Rechte, den Beginn und die Unterbrechung des Laufs der Verjährung, so wie die Wirkung des Ablaufs; ferner die Theodosianische Klagverjährung, ihre Entstehung, die praescriptio longi temporis, praescriptio XXX vel XL annorum, und deren Ausdehnung auf persönliche Klagen. Das von dem Vf. gewonnene Resultat geht nun dahin, dass man bis Theodosius nicht den Gesichtspunct, dass eine actio wegen Unthätigkeit des Betheiligten

untergehe, wie er seit der Theodosischen Gesetzgebung der leitende wurde, vor Augen hatte, vielmehr früher das tempus actionis als von vorn herein dem Klagrechte anhaftende Beschränkung, als vom Gesetze vorgeschriebenes Maas der Rechtswirkung eines rechtsgründenden Ereignisses gegolten habe. Alles was wir von Voraussetzung, Berechnung, Wirkung der prätorischen oder sonst im älteren Rechte geltenden Verjährung wissen, leite darauf hin, dieselbe einfach als dies actionis (ad quem) anzusehen, durch dessen Ablauf mit der actio ganz dasselbe vorgehe, was mit einer betagten Obligation durch Eintritt des vertragsmässigen Endtermins vorgeht. Erst unter den christlichen Kaisern, namentlich seit Theodosius habe sich die Idee: die Unthätigkeit der Klagberechtigten begründe eine das Bestehen des an sich zeitlich unbeschränkten Klagrechts selbständig untergrabende Thatsache, auf der Ersitzungsidee fussend Bahn gebrochen und liege nunmehr dem System der Justinianischen Klagenverjährung ausschliesslich zum Grunde. 2) Die Einführung der Klagenverjährung in dem Sinne des heutigen Rechts, wie sie zuletzt gedacht wurde, musste zu dem Dogma der actio nata führen. Bei der Ersitzung war dieses Dogma noch nicht wesentlich; denn der Besitzerwerb war auf der andern Seite der des beginnenden silentium. Nothwendig wurde es, als die Verjährung auf persönliche Klagen übergetragen ward. Nach Bestimmung des Wesens des Klagrechts, zeigt nun der Vf. im Anschlusse an v. Savigny und beziehentlich Kierulff gegen Thon, Lenz und v. Vangerow, dass zur actio nata im Sinne der Verjährungsfrage eine Rechtsverletzung gehöre. Hierbei komme es jedoch nicht auf den Willen, wie er sich in jedem einzelnen Falle factisch gestalte, sondern nur auf denjenigen Willen an, welcher durch das Rechtsgeschäft zur bindenden Norm werde. Dieser gestalte sich nun z. B. beim unbetagten unverzinslichen Darlehn dahin, dass der Schuldner durch den Empfang des mutuum zur Rückgabe vom Momente der Hingabe an verpflichtet werde. Dasselbe finde beim Depositum, Commodat und Precarium statt. Desshalb sei bei diesen Verträgen mit Perfection des Vertrages durch Hingabe der Sache auch actio nata vorhanden. Beim verzinslichen Darlehn habe die Zinszahlung die Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung. Bei periodischen Leistungen verjährten nur die jeweiligen Leistungsbeträge vom Zeitpunct ihrer Fälligkeit an. Von dem Rechte auf diese Beträge,, ein Recht im Allgemeinen zu unterscheiden, wie man eine Klage auf Anerkennung eines Forderungsrechtes gestatte, erscheine weder nöthig noch consequent, und führe zu der zuerst von Bulgarus vertretenen, dann aber auch in mehrere Legislationen, namentlich die sächsische übergegangenen Theorie, dass das allgemeine Recht auf jährliche Leistungen erlösche, sobald die Verjährungszeit hindurch Etwas nicht geleistet worden, dadurch aber so ziemlich in die Nähe der Lehre von dem ,,Untergang aller Rechte durch Nichtgebrauch." In einem Nachtrage wird noch Brakenhoefts Aufsatz über den Anfangspunct

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der Klagenverjährung im Archiv f. prakt. R.W. IV. S. 76 ff. beleuchtet. Bei allen diesen Darstellungen, welche sich klar und angenehm lesen, und für den Vf. ein vortheilhaftes Präjudiz erwecken, hat derselbe insbesondere den Satz festgehalten, welcher von ihm auch in dem kurzen Vorworte als leitend bezeichnet ist, dass auf schon gewonnenes Gut nur zu verweisen, nicht aber auch die Darstellung des zweifellosen in den Bereich einer civilistischen Abhandlung zu ziehen sei.

[11] Die Gesetzgebung und Rechtsübung über Strafverfahren nach ihrer neuesten Fortbildung dargestellt und geprüft von Dr. C. J. A. Mittermaier, Geheimer Rath u. Professor in Heidelberg. Erlangen, Enke. 1856. XIỈ u. 686 S. gr. 8. (n. 3 Thlr. 14 Ngr.)

Wie fast in allen Zweigen des menschlichen Forschens und Wissens im Laufe dieses Jahrhunderts eine grosse Thätigkeit sich entwickelt hat, so sind auch in der Gesetzgebung über Strafverfahren Fortschritte gemacht worden, welche die der frühern Jahrhunderte übertreffen. Nicht allein, dass namentlich in Deutschland, Italien und in der Schweiz ein auf völlig neue Grundlagen gebautes, vorzugsweise das französische zum Vorbilde sich nehmendes Strafverfahren eingeführt worden ist, man begann auch bei der Wahrnehmung, dass es keinem Gesetzgeber gelingen kann, durch vollständig erschöpfende Vorschriften scharf die Grenzen der Befugnisse und Pflichten der bei diesem Verfahren thätigen Personen zu regeln, und dass das vielgestaltete Leben eine Masse von Fällen herbeiführt, welche die sorgfältigste Gesetzgebung nicht vorhersehen kann, auf dem Wege der Rechtsübung, die hier ihre hohe Bedeutung geltend macht, mittelst Vergleichung jener Fälle und daran sich knüpfender Combinationen auf Fragen und Wendungen des Criminalverfahrens aufmerksam zu werden, deren Wichtigkeit man früher zu erkennen nicht Gelegenheit hatte, um für die Rechtsübung Grundsätze aufzusuchen, welche diejenigen leiten müssen, deren Beruf sie zum Antheil an der Rechtsübung bestimmt. Die Beobachtung der Erfahrungen der Länder, in welchen schon seit längerer Zeit das Verfahren Geltung erlangt hat, welches in andern Staaten erst eingeführt werden soll oder neuerlich eingeführt worden ist, ist dabei von hoher Wichtigkeit. Indess darf man sich dabei auch nicht der Gefahr aussetzen durch Sammeln nur einiger allgemeinen Ausdrücke, welcher man sich zu Bezeichnung gewisser Grundsätze zu bedienen pflegt, das Verfahren in Bezug auf Gesetzgebung und Rechtsübung regeln zu wollen. Man ist gewohnt, von Mündlichkeit, Oeffentlichkeit, Anklageprincip sprechen zu wollen; aber alle diese Ausdrücke sind so zweideutig, dass eine genaue Beachtung der Art und Weise, wie sie in verschiedenen Ländern durchgeführt sind, bald die grösste Verschiedenheit in der Rechtsanwendung zeigt und daher auffordert, die wahre Natur und den Zweck einer einzelnen Einrichtung zu erforschen, die Erfahrungen über die Durchführung zu sammeln und Lücken, bedenkliche Fol

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