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ten, leicht unterdrückt wurde. Ein zweites Hauptstück,,,die Geistlichkeit" überschrieben, führt uns die allgemeinen kirchlichen Verhältnisse der damaligen Zeit vor. Es ist alles im Weltlichen aufgegangen und zerrüttet. Die Kirche, könnte man recht füglich sagen, war eben nur noch Kirche, der christlichen Religion hatte sie sich entkleidet. Dass dem so war, geht aus der klaren Schilderung des Vfs. hervor, aber er hütet sich wohl, es bestimmt auszusprechen, weil er, wie sich nachmals zeigt, überall wo von der Reformation die Rede ist, entschieden auf der Seite der alten Kirche steht, und somit von vorn herein die unbedingte, und so zu sagen christliche Nothwendigkeit der Reformation nicht zugestehen kann. Sonst ist die Schrift trefflich, und in einem durchgängig maassvollen Tone gehalten. Es werden dann weiter, nachdem noch über die Humanisten Einiges gesagt worden, die Spuren der Verbreitung lutherischer Lehren in der Münsterschen Umgegend verfolgt, wobei denn das oben Angeführte deutlich hervortritt. Wenn das Volk, meint der Vf., Luthern zufällt, so hatte das nur in dem Zorne über kirchliche Missbräuche und Druck seinen Grund. Eine Sehnsucht also nach dem Evangelium fand nicht statt. Der Vf. muss eine sehr geringe Ansicht von den Deutschen haben, wenn er glaubt, in Sachen des Glaubens liessen sie von Geld und Geldeswerth sich leiten und bestimmen. Die Dinge, welche er selbst erzählt, stehen damit in Widerspruch, er geht aber über den Widerspruch hinweg. Doch wir wollen dies hier ganz bei Seite lassen, da es ja in der Sache nichts ändert, und lieber hervorheben, dass die Schrift ein ungemein reiches, auf einem sicheren, geschichtlichem Boden ruhendes Gemälde von den Bestrebungen und Gegenbestrebungen in Westfalen zur Zeit der Reformation enthüllt. ist dort, wie überall, die evangelische Begeisterung, welche der Vf. freilich eine revolutionäre Bewegung nennt, sie will sich Bahn brechen, und die Ketzermeister und Ketzergerichte, bei dem Vf. das consertive Element genannt, treten mit der Schärfe der Gewalt und des Schwertes entgegen. Interessant ist dabei die Bezeichnung der besondern Stellung, die Cleve's Herzog in dieser bewegten Zeit einnimmt. Das Interesse an der Schrift hebt sich mit ihrem Schlusse. Rothmann tritt auf und eine evangelische Gemeinde wird in Münster gegründet. Dieses Ereigniss ist ebenfalls in seinem Gange und in allen seinen Einzelnheiten mit Genauigkeit verfolgt und dargestellt. Das 1. Buch bricht in dem Augenblicke ab, wo, wie auch der Vf. sehr richtig bemerkt, eine dritte Partei hervortreten will, die beide, Katholische sowohl als Evangelische, mit Vernichtung bedroht. Etwa ein Viertheil des Buches ist durch die Mittheilung schätzbarer Urkunden ausgefüllt. Im 2. und 3. Buche wird das Publicum somit die Geschichte der interessanten wiedertäuferischen Bewegung, in welcher Münster eine Hauptrolle spielte, zu gewärtigen haben. Es ist dabei keine Frage, dass das Verfahren des Vfs. Alles aus Urkunden und Documenten zu gestalten und zu beweisen bei dem vorlieg. Stoffe zu vielen neuen und wich

Es

tigen Aufschlüssen führen wird, weshalb man der Fortsetzung und dem Schlusse dieser Schrift mit Verlangen entgegen sehen muss.

[401] Geschichte Richard Cromwells und der Wiederherstellung des Königthums in England von Frz. Guizot. Mit dem Portrait des Generals Monk. Leipzig, Lorck. 1856. VI u. 297 S. gr. 8. (n. 1 Thlr.)

Auch unt. d. Tit.:
Historische Hausbibliothek.

40. Band.

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Herausgeg. von Prof. Dr. Bülau.

Vorlieg. Schrift ist als Ergänzung von Bd. 14 und Bd. 34 der histor. Hausbibliothek anzusehen, in denen, gleichfalls von der Feder F. Guizots, die Geschichte der Revolution Englands und der Ausbeutung letzterer durch Oliver Cromwell geschildert ward. Cromwell, der Vater, hatte bis an seinen Tod (3. Sept. 1658) die Regierung behauptet; sein Sohn konnte es nicht, da er, obgleich ein vortrefflicher Privatmann, doch weder irgend eine Regenteneigenschaft noch einen Anhang und Verbindungen im Heere hatte. Treffend bemerkt Brunet in der Geschichte seiner Zeit über ihn: quoique déclaré protecteur en consequence du choix de Cromwell lui-même, choix de la réalité duquel néanmoins bien des gens doutèrent, (il) n'avoit ni l'habitude ni la capacité des affaires. Il était innocent de tous les crimes de son père, aussi n'y avoit-il aucune prévention contre sa personne, et tant les royalistes que les presbytériens tous s'imaginèrent être favorisés par lui, quoiqu'il se donnât pour indépendant. Doch wir verweisen den Leser einfach auf das Guizot'sche Werk, in welchem eben so gewandt als umfassend die Persönlichkeit dieses Protectors, wie nicht minder der ganze an Thorheiten und Verbrechen so reiche Verlauf und das schmähliche Ende der betr. Revolution zur Darstellung gelangt. Wir gestehen offen, dass wir gerade das hier entworfene Bild nur ungern in der bereits so ansprechend abgerundeten histor. Galerie der Hausbibliothek missen würden. Der Uebersetzung darf grosse Treue neben fliessender, oft glänzender Stylisirung nachgerühmt werden, so dass man bei der Lectüre derselben nicht selten das Original selbst zur Hand zu haben meint. Es reicht das Buch bis zum Einzuge Karls II. in London und soll die Schilderung der Stürme, unter denen die englische Verfassung den neuen Geist gewann, der sie seitdem belebt hat, demnächst in einer Geschichte des gänzlichen Erlöschens der Republik zum vollständigen Abschlusse gelangen.

[402] Geschichte der politischen Parteiungen alter und neuer Zeit. Von Dr. W. Wachsmuth. 3. Bds. 2. Abth. Von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts bis auf unsere Zeit. Braunschweig, Schwetschke u. Sohn. 1856. VIII u. 340 S. gr. 8. (1.—3. Bd. 1. Abth. n. 6 Thlr. 20 Ngr.) Vgl. Jahrg. 1854. Bd. II. No. 2240. 1855. Bd. II. No. 1803. 1856. Bd. I.

No. 1135.

Es liegt uns der letzte Theil eines bedeutenden Werkes des ungemein thätigen, rüstigen und in aller Hinsicht würdigen Hrn.

ganz

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Vfs. vor; und wir bewundern an dem 72jährigen Greise eben so die Spannkraft, die zu Vollendung gerade solch eines Werkes gehört, als die Klarheit der Anschauung und das Geschick, die ungeheure Masse des Stoffs nach den einmal aufgestellten Gesichtspuncten zu bewältigen. Der Hr. Vf. scheint wie man aus seinem Schlussworte erkennt nicht zufrieden zu sein mit der Kritik. Wir freuen uns, dass unsere Anzeigen seine Aufgabe so wie er gewollt, nach ihrer Totalität, als Durchschnitt durch die Weltgeschichte, als ein grosses historisches Panorama aufgefasst haben; aber wir haben freilich auch auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, die ein solches Unternehmen von der materiellen, wie von der formellen Seite betrachtet habe; wir haben darauf hingedeutet, dass zwar der Hr. Vf. die ungeheure Geschichtskenntniss im vollsten Maasse besitze, die erforderlich ist, um ein solches Werk zu schaffen, dass aber wenige Menschen unter den Lesern des Werks sein möchten, die im Stande wären, ihm zu folgen; dass eben darum der Eine zu viel, der Andere zu wenig in dem Buche finden und dass es fast allen schwer fallen werde, für die einzelnen Bilder den rechten Rahmen zu finden. Wenn der Hr. Vf. ins Einzelne eingehende Anzeigen vermisst, so mag wohl der Grund dieses Mangels vorzugsweise darin liegen, dass eben Wenige die ganze Geschichte mit all ihren Einzelnheiten so lebendig vor Augen stehen haben, wie er selbst, sodann aber auch darin, dass es bei einem solchen Werke, bei welchem es weniger auf neue Ansichten oder auf Darstellung neuer aus bisher unbekannten Quellen geschöpfter Resultate, als vielmehr darauf ankommt, das Bekannte gehörig zu sichten, an seinen Ort zu stellen und im Ganzen und Grossen Alles aufzufassen, weder nöthig ist, auf Einzelnheiten einzugehen, noch möglich, wenn man nicht ein völlig neues Buch schreiben will. Uns trifft übrigens jener Vorwurf, wenn es ein solcher sein soll, schon um desswillen nicht, weil unsere Blätter überhaupt nicht zu detaillirten Anzeigen bestimmt sind. Unstreitig bietet dieser letzte Band ungemein viel Anziehendes; wie denn der hier behandelte Zeitabschnitt Mitte des 17. Jahrh. bis auf unsere Zeit reich ist an hochwichtigen historischen Momenten: das 17. Buch „von der Ausbildung fürstlicher Machtvollkommenheit bis zur Revolution; das 14. die Zeit der ersten französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft;" das 15. „die Zeit der Restauration und jüngern Revolutionen.“ Als vorzugsweise interessant möchten wir den 1. Abschnitt des 13. und das 15. Buch bezeichnen. Der Hr. Vf. nimmt gewissermaassen Abschied von seinen Lesern; wir können den Gruss nicht annehmen, ohne einen warmen Händedruck und den Wunsch, dass er nicht aufhören möge, seine rüstige Kraft der Universität nicht nur, sondern auch der Wissenschaft, in der er so Bedeutendes gewirkt hat, zu widmen. Er kann des Dankes der Mit- wie der Nachwelt sicher sein.

[403] Précis des Négociations du Congrès de Rastadt. (1798). Par Mr. H. A. van Dijk, Docteur ès Lettres et en Droit. Utrecht, Kemink et fils. 1856. II u. 181 S. gr. 8. (1 Fl. 90 c.)

Auch eine werthvolle Frucht des rühmlichen Eifers, der in Niederland für eine gründliche, auf der sichern Basis der Geschichte und des Positiven vorschreitende Pflege publicistischer Studien besteht. War auch der Congress zu Rastadt in jeder Beziehung eine der unheimlichsten Erscheinungen einer traurigen und zerrissenen Zeit, wie denn sein furchtbares Ende seines ganzen Charakters würdig war, und kann auch namentlich der Deutsche nur mit Kummer und Ingrimm seiner gedenken, so bot er doch ein überaus lehrreiches Schauspiel und legte das ganze Elend der damaligen Zustände und Verhängungen auf das Schärfste ans Licht. Die vorlieg. Schrift liefert allerdings auf der einen Seite weniger, als ihr Titel verspricht; auf einer andern bietet sie ein Anderes und Mehreres, als man nach dem Titel erwarten möchte. Es ist kein erschöpfendes und detaillirtes Gemälde des Rastatter Congresses, wie es aus geistvoller Benutzung aller darüber zur Zeit erschlossenen Quellen zu entwerfen wäre, sondern die Schrift setzt sich im Wesentlichen aus den Berichten zusammen, welche der geheime Agent, den die batavische Republik nach Rastadt geschickt hatte, Buch, und ein gewisser Lucius, der bei der niederländischen Gesandtschaft in Mainz als Secretair angestellt gewesen war, und sich später nach Hanau und Frankfurt gewendet hatte, an die batavische Regierung über den Gang des Congresses erstattete. Das Dankenswerthe der Schrift besteht also nicht sowohl in der Bearbeitung der vorhandenen, als in der Eröffnung neuer Quellen, welche zwar einen einseitigen und einen fragmentarischen Charakter tragen, aber immerhin sehr beachtenswerth sind. Erfreut hat uns übrigens das Interesse, das der niederländische Verfasser in der Vorrede für Deutschlands Würde und Macht an den Tag legt. Er hebt mit Recht besonders hervor, dass die Betrachtung des Rastatter Congresses namentlich für die deutschen Regierungen lehrreich sein müsse, weil sie ihnen zeige, wohin die inneren Zwistigkeiten, Eifersüchteleien, Vergrösserungsgelüste und Schwächen ihrer Vorgänger geführt hatten, und bricht in den Wunsch aus: ,,Puisse cette Allemagne, qui, unie et bien dirigée, est invincible et peut, à l'orient comme à l'occident, servir de rempart à des ambitions également dangereuses, ne plus s'exposer comme jadis à servir d'instrument et de but aux vues égoistes de ses voisins!"

[404] Norddeutsche Freiheits- und Heldenkämpfe. Zur Kenntniss deutschen Lebens und zur Beförderung vaterländischen Sinnes bei Jung und Alt. Von Dr. J. C. Kröger, Katechet u. Schulvorsteher in Hamburg. 3. Bd. Leipzig, Brandstetter. 1856. XVI u. 582 S. gr. 8. (1 Thlr. 27 Ngr.; cpl. 4 Thlr. 24 Ngr.) Vgl. Rep. Jahrg. 1854. Bď. II. No. 2426 u. 1856. Bd. I. No. 1138.

Auch u. d. Tit.:

Gemälde norddeutscher Freiheits- und Heldenkämpfe vom Tode

Friedrichs d. Gr. und der Selbstständigkeit der deutschen Literatur bis auf unsere Tage. Von u. s. w.

In dieser gegen die beiden früheren Bände fast um ein volles Drittheil stärkeren Abtheilung wird das an den vorhin bezeichneten Stellen nach Stoff und Form näher bezeichnete, im Ganzen gewiss verdienstliche Werk zum Abschluss gebracht. Durch den Zeit und Art näher heraushebenden Nebentitel wird das Speciellere der hier gemeinten Kämpfe und Errungenschaften dem Leser gleich näher gerückt und es wird noch eines viel geringeren Raumes, als ihn das Inhaltsverzeichniss einnimmt, bedürfen, um die Tendenz des Vfs. für das Ganze seiner Mittheilungen klar werden zu lassen. Der 1. Abschn. (S. 1-81) beginnt mit den Geisteskämpfen für deutsche Sitten und Sprache, Kunst und Wissenschaft. Der Specification der Entartung durch Nachäfferei des Auslandes folgt das contra ire, zunächst an Leibniz, A. H. Francke (nicht: Franke), Lessing und Klopstock sich anlehnend, wie denn durchgängig das biographische Fundament in der Ausführung vorwaltet. Hier können wir dem Verfasser das Monitum nicht ersparen, dass ein Abschluss durch Skizzirung des goldenen Zeitalters der deutschen Literatur durch und unter Schiller und Goethe nicht fehlen sollte; er wird durch das zuletzt hervorgehobene Principat der Deutschen im Gebiete der Literatur nach den verschiedenen Branchen hin nicht ersetzt, besonders da auch Schillers und Goethes Wirksamkeit unter die Kategorie des Kampfes gegen manches Nichtswürdige tritt. Der 2. Abschn. (— 131) berührt Deutschlands Kämpfe gegen das revolutionäre Frankreich und hat Deutschland in seiner schmachvollsten Erniedrigung aufzuzeigen. Die Vorzeichen einer Wendung werden im 3. (— 166) an die sporadischen Einschreitungen von Dörnbergs, Schills und des Herzogs von BraunschweigOels geknüpft; der 4. (228) schildert Preussens und Hamburgs Erhebung, in dem 5. und längsten (445) wird in die Freiheitskämpfe gegen Napoleon und Franzosenthum eingegangen vorherrschend an Scharnhorst, York, Bülow, Kleist, Gneisenau und Blücher anknüpfend; Steins Einfluss findet gebührende Würdigung und dem volksthümlichen Interesse dient die Schilderung des patriotischen Nettelbeck. Dann lenkt sich das Betrachtungsfeld in das ruhigere wissenschaftliche Fahrwasser wieder ein; der Musenhof in Weimar, Arndt und Humboldt bilden Incidenzpuncte, ohne dass das oben Desiderierte ganz erledigt würde. Den Schlussabschnitt (582) füllen Schleswig-Holsteins Freiheitskämpfe, von den frühesten Zeiten an bis auf die der unmittelbaren Gegenwart angehörenden Wort- und Schwertkämpfe gegen die dänischen Uebergriffe. Trotzdem dass wiederholte Ueberarbeitungen der Stoffe manche Einschiebungen nöthig gemacht haben ist der fortschreitende Zusammenhang gut gewahrt; überall spricht sich eine ehrenwerthe Gesinnung aus und kleine Mängel der Darstellung verschwinden hinter der im Ganzen eindringlichen Einkleidung. Nur sind zahlreiche Druckfehler stehen geblieben.

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