Page images
PDF
EPUB

nicht berücksichtigt zu werden. Der zweite der Astronomie nicht nur, sondern der Indischen Dinge überhaupt sehr kundige Arabische Schriftsteller hat uns zuerst einen genauern Bericht von den fünf in Indien im Umlauf seienden Siddhanta oder astronomischen Lehrbüchern mitgetheilt1). Der Vasishtha-Siddhanta hatte zum Verfasser den Vishnukandra, der Brahma-Siddhânta den Brahmagupta, den Sohn Gishnu's, der Paulica-Siddhanta den Griechen Paulos, aus einer Stadt, deren Name fehlt, der aber wahrscheinlich ein Alexandriner war; der Romaka-Siddhanta den Crishena oder Cricena; der Verfasser oder richtiger Ueberarbeiter des Surja-Siddhanta, welchen die Inder dem Asura oder Daitja Maja zuschreiben, ist Lâța, wenn er wirklich so hiefs. Diese Schriften werden als Nachahmungen einer ältern angesehen, deren Urheber Brahma oder Pitamaha gewesen sein soll, dem von den Indern der Ursprung der Astronomie zugeschrieben wird; dieses Lehrbuch heifst daher Paitâmaha-Siddhânta. Varáha Mihira hatte in seinem Panka – Siddhânta diese fünf ältern Schriften zu Rathe gezogen, jedoch ihren Inhalt nicht ganz in die seinige aufgenommen. Der Hellenische Astronom Paulos lebte gegen den Schlufs des vierten Jahrhunderts nach Chr. G. und die Indische Bearbeitung seines Werkes muss in das fünfte gesetzt werden. Eine ähnliche Bewandtnifs hat es mit dem Werke Crishena's oder Çriçena's, weil Romaka, d. h. Rùm, bei den Muslimischen Schriftstellern die Griechen bezeichnet. Arjabhatta hat endlich eine Bearbeitung und beziehungsweise eine Berichtigung des BrahmaSiddhanta geschrieben, welche auf den Befehl des Khalifen Almançur von Muhammed-ben Ibrâhîm in's Arabische übertragen und der grofse Sindhind betitelt wurde.

Von der Eintheilung der Zeit bei den Indern erfahren wir folgende Einzelnheiten von Albiruni 2). Das am meisten gebrauchte Jahr ist das lunarische, indem im Laufe von zwei bis drei Jahren ein Monat eingeschaltet wird; der Anfang des Jahres ist in den verschiedenen Theilen Indiens verschieden; in dem Schaltjahre wird der Schaltmonat an das Ende des Jahres verlegt; er heifst mùlamasa, eigentlich Wurzelmonat; er wird von den Indern

1) REINAUD a. a. O. p. 331 flg. nebst den Erläuterungen oben II, S. 1130 fig. 2) Bei REINAUD a. a. Q. p. 352 flg.

als unheilschwanger betrachtet 1). Die Inder theilen bekanntlich die Monate in zwei Hälften ein, welche von dem Arabischen Schriftsteller ardhamasa, d. h. Halbmond, von den Einheimischen. hingegen paxa genannt werden. Die Inder kannten drei verschiedene Bestimmungen des Tages 2): erstens den Savanamâna oder nur Savana geheifsenen Tag, d. h. der solarische Tag oder die zwischen zwei auf einander folgenden Sonnenaufgängen verlaufene Zeit; er ist daher von verschiedener Länge und wird in 60 dhâta, von diesen jeder in 60 vindḍika und von diesen jeder in 60 vipala getheilt; er enthält 1/365 Theil des Solarjahres + oder

einiger Minuten. Zweitens der Saura- oder Sauramâna - Tag, d. h. die Zeit, in welcher die Sonne einen Grad der Ekliptik durchläuft, und daher länger oder kürzer im Verhältnifs zum apogaion oder perigaion des Tagesgestirns. Er wird eingetheilt in 60 danda oder kala, von diesen jede in 60 vikalå; er enthält 360 Theile des Solarjahres. Drittens der Kandramâna- oder Naxatra-Tag, der auch tithi heifst. Er ist die Zeit zwischen zwei Aufgängen desselben Punktes der Ekliptik. Dieser Tag ist natürlich von derselben Dauer und wird daher in allen astronomischen Berechnungen gebraucht. Es ist der siderische Tag und wird eingetheilt in 60 ghari, diese wiederum in 60 pala3). Diese verschiedenen Eintheilungen des Tages haben die nachtheilige Folge gehabt, dafs in den drei den Arabern zuerst mehr oder weniger genau bekannt gewordenen Siddhânta, dem Árjabhaṭṭija, dem Arkand, d. h. dem des Brahmagupta, und dem xar' §orý v Siddhanta betitelten Lehrbuche die Anfänge der Perioden unsicher

1) In Lahor oder richtiger Lohara (sieh oben III, S. 1064) beginnt das Jahr im November-December, und der Gebrauch dieses Jahres anfangs war 188 Jahre alt. Diese Bestimmung des Anfangs des Jahres war aus Lampâka oder Langhân dort eingeführt worden. Diese Einrichtung galt ebenfalls in Sindhu und in Kanjâkubga; die Bewohner Multan's hatten kurz vor der Anwesenheit des Albìrùni in Indien dieser Einrichtung entsagt und nach dem Beispiele der Kaçmirer den Anfang nach dem Eintreten des Mondes in das Mondhaus Kaitra, d. h. nach März - April, verlegt.

2) Albirùni bei REINAUD a. a. O. p. 353 flg. und JAMES PRINSEP's Useful Tables II, p. 19.

3) Die Eintheilungen der Zeit nach dem Berichte des Hiuen Thsang und dem Mânavadharmaçâstra sind oben S. 5 den Lesern vorgelegt worden. Im täg lichen Leben wird der Tag in 30 muhurta oder Stunden und diese in eben so viele kala oder Minuten eingetheilt.

wurden. Diese Bemerkung gilt besonders von den Khanda-Kataka überschriebenen astronomischen Tafeln des Brahmagupta, in denen er die Bestimmungen seines Vorgängers Arjabhatta berichtigt hatte; diese Tafeln trugen das Datum 587 nach der Çâka-Epoche, d. h. 665 1).

Es erhellt aus den vorhergehenden Mittheilungen, dass die Arabischen Astronomen seit der Zeit des Khalifen Almancur, d. h. seit etwa 772, sich allmählig eine ziemlich genaue Bekanntschaft mit der Indischen Astronomie verschafft hatten. Dieser Fall trat gleichfalls ein in Bezug auf die Griechische Astronomie. Die Arabischen Astronomen haben beide diese Hülfsmittel benutzt, um ihre Wissenschaft weiter zu fördern. Da es aufserhalb des Bereichs dieser kurzen Uebersicht liegt, diese Einflüsse der Indischen und der Hellenischen Astronomie auf die Entwickelung der Arabischen genauer zu verfolgen, kann ich mich damit begnügen, einige Bemerkungen hierüber meinen Lesern vorzulegen. Die Araber nahmen erstens die Eintheilung der Mond - Ekliptik in acht und zwanzig naxatra oder Mondhäuser von den Indern an 2). Die Araber nennen diese Mondhäuser manzil, auch vollständiger manzil-al-kamar, d. h.,,Wohnungen des Mondes".

Es ergiebt sich zweitens aus den Verschiedenheiten des Arabischen Thierkreises von denen des Griechischen, welche mit den ursprünglich Indischen übereinstimmen und trotz des Griechischen Einflusses sich bei den Arabern erhalten haben 3). Die Araber haben doppelte Namen für die folgenden Zeichen: entweder Bogen oder Bogenschütze; entweder Krug oder Wasserspender; entweder einen Fisch oder zwei Fische. Da die ersten Namen beweisen, dafs die Araber früher mit dem Indischen, als mit dem Griechischen Zodiakos bekannt geworden sind, lässt sich dieser Einfluss der Indischen Astronomie nicht in Abrede stellen. Es kommt drittens hinzu, dafs der jedes Jahr veröffentlichte Arabische Ka

1) REINAUD a. a. O. p. 354.

2) Dieses ist dargethan worden in COLEBROOKE's Abhandlung: On the Indian and Arabian Divisions of the Zodiac in As. Res. IV, p. 323 flg., später in dessen Misc. Essays II, p. 321 fig. Die älteste Aufzählung der Indischen naxatra ist die in dem Taittirija-brâhmaṇa, sieh oben II, S. 1117 fig. 3) A. W. SCHLEGEL'S De Zodiaci antiquitate et origine in dessen Opuscula Latina p. 361. Ueber die Verschiedenheiten des Indischen Zodiakos von dem Griechischen sieh oben II, S. 1127.

lender den Titel Kitab-alanua, d. h. Buch der anua oder sechs Haupterscheinungen der physischen Natur führt. Diese Benennung ist daher zu erklären, dafs die Arabischen Astrologen die sechs Phänomene mit den Indischen Mondhäusern in Verbindung setzten und den letztern eine ziemlich gleiche Entfernung von einander anwiesen 1). Sie nahmen aufserdem andere Veränderungen mit diesen Mondhäusern vor, die hier mit Stillschweigen übergangen werden mögen. Dagegen verdient es bemerkt zu werden, dass in dem Kalender von Cordova, welcher im Jahre 961 auf den Befehl des Christlichen Bischofs Hârib-ben Zaid, eines Günstlings des Khalifen Hâkim mit dem Beinamen Almustanser-billah, verfasst worden ist und sowohl für die Muslim als für die Christen bestimmt war, diese Mondhäuser angegeben sind 2). Dieses ist die weiteste bisher ermittelte Verbreitung der Indischen Mondhäuser in westlicher Richtung.

Auch auf dem Gebiete der Medizin giebt sich der Einflufs des Indischen Geistes kund. Einige wilsbegierige Araber suchten bei den Griechen darüber Belehrung, andere bei den Persern, andere hingegen bei den Indern 3). Zu den letztern gehörte Harit ben Kaldah aus der zwei Tagereisen im O. von Mekka gelegenen Stadt Thajef; er hatte seine Studien in der berühmten Schule von Gondi-Sapûr in der Zeit des Muhammed gemacht und begab sich nebst einigen andern Arabern nach Indien, um sich dort weiter auszubilden. Nach seiner Heimkehr liefs sich Hârit in der Stadt Sanaa im südlichen Arabien nieder, wo eine Schule der Medizin blühte. Hier studierte auch sein Sohn Nadr, der auf den Betrieb des Arabischen Propheten getödtet wurde, weil er Indische und Persische Erzählungen in Umlauf setzte, welche dem Muhammed als ungläubige erschienen. Unter der Regierung des berühmten Khalifen Harun-Ar-Rashid beschäftigte sich ein in seinen Diensten stehender Indischer Arzt Namens Mankah besonders damit, Indische medizinische Schriften in die Persische Sprache zu übertragen; auf den Befehl des einer hohen Gunst von Seiten

1) Anù und im Plural anùa bezeichnet die Zeit der Winde, des Regens, der Kälte, der Hitze, der reichen und der schlechten Aernte.

2) REINAUD a. a. O. p. 359. Dieser Kalender ist mitgetheilt worden in LIBRI'S Histoire des sciences mathématiques en Italie.

3) REINAUD a. a. O. p. 314. Diese Nachricht kommt vor in dem Wörterbuche des Ibn - Abù - Uçaibah.

jenes Khalifen sich erfreuenden Barmakiden Jahja übersetzte jener
Inder das älteste Indische System der Medizin, das des Sucruta1).

1) Dieses Werk ist bekanntlich in Kalkutta 1836 gedruckt worden; den Titel
theilt GILDEMEISTER mit in Biblioth. Sanskrit. etc. p. 149. Hinsichts des
Alters des Sucruta weichen die Ansichten sehr von einander ab. WILSON
soll in seiner mir nicht zugänglichen Abhandlung: On the Medical and Sur-
gical Sciences of the Hindus in The Oriental Magazine and Calcutta Review I,
p. 297 dieser Schrift des Sucruta ein sehr hohes Alter zuertheilen, obwohl
er sich nicht ganz bestimmt darüber ausspricht. Diese Angabe theilt we-
nigstens RENÉ BRIAC in seinem Coup d'oeil sur la Médecine des Anciens In-
diens p. 13 mit; auch Dr. NEVERMANN in seiner Schrift: Ist die Richatis
Abdominis in Asche eine Radicalkur oder nicht? und wie erlangt man sie?
Eine historisch-didaktische Erörterung mit einer Abbildung hat S. 13 diese
Bestimmung und zwar, dafs der Ajurveda 1000 Jahre vor Chr. Geb. zu
setzen sei. Dieses dürfte jedoch nach der Anführung der in Rede stehen-
den Stelle von STENZLER nicht richtig sein und eher 1000 nach Chr. G.
zu verstehen sein. WILSON hat aufserdem in The Vishnu Purâna p. 407
und p. 442 angenommen, dafs es eine alte Schule der Medizin in Và-
rânaçi gegeben habe, weil ein König von Kâçi als eine Verkörperung des
Dhanvantari, des Gottes der Medizin, dargestellt wird. Dieses mag aller-
dings an dem sein; aus diesem Umstande läfst sich jedoch kein Schlufs
über die Zeit der Abfassung der in Rede stehenden Schrift ziehen. Eben
so wenig folgt dieses aus den Nachrichten der klassischen Schriftsteller,
welche nach oben II, S. 51 nur die Thatsache feststellen, dafs schon zur
Zeit des Theophrastos die Heilkunst bei den Indern blühte. FR. HESSLER
in seiner Uebersetzung des Sucruta, welche diesen Titel hat: Sucrutas
Ajurvedas. Id est Medicinae Systema a venerabili Dhanvantare demonstratum
a Suçruta discipulo compositum, folgt in der Vorrede p. 1 dieser Be-
stimmung, so wie auch J. A. VULLERS in: Alt-Indische Geburtshilfe im Ja-
nus, Zeitschrift für Geschichte und Litteratur der Medizin, 1846, I, p. 225.
Hiermit im grellen Widerspruche verlegt A. F. STENZLER in seinem Auf-
satze: Zur Geschichte der Indischen Medizin, ebend. p. 444 die Schrift des
Suçruta in das Mittelalter. NEVERMANN endlich glaubt a. a. O. S. 11, dass
der Ajurveda 3000 Jahre vor Chr. G. und 1000 Jahre vor der Abfassung
des Mânavadharmaçâstra zurückzuschieben sei, weil jenes Werk vor der
Entstehung des Vishnuismus und des Civaismus entstanden sei, von welchen
im Ajurveda keine Spur sich entdecken lasse. Bei der Würdigung dieser
verschiedenen Bestimmungen ist nicht zu übersehen, dass der Text des
veröffentlichten Ajurveda in zwei Theile zu zerlegen ist, d. h. in die ältere
Grundlage des Werkes und in die Ausführungen und Erläuterungen des
Madhusudana. Der erste Theil zeichnet sich durch seinen einfachen Stil
und seine ungeschmückte klare Sprache aus und schliefst sich in dieser
Beziehung an die epischen Gedichte an. Wenn das Werk des Sucruta
auch nicht, wie ich früher II, S. 513 annahm, vor die Zeit Vikramâditja's

« PreviousContinue »