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Das Geschlecht der Jadava, dessen Schicksale uns jetzt beschäftigen, betrachtet sich natürlich als zu dem alten Kandravança oder Mondgeschlechte der Altindischen Herrscher gehörig, jedoch mit dem Unterschiede, dafs zwischen Brahmâ und Soma der Vedische Rishi Atri, der in dem ältesten Gesetzbuche als einer der zehn Pragâpati oder Herren der Geschöpfe auftritt, erscheint, während sonst Manu Vaivasvata seine Rolle übernimmt.) Der Name Hoisȧla oder Poisala gehört der Karnata-Sprache und verdankt einer Legende seine Entstehung. 2) Ueber den Stifter dieser Dynastie lauten die Berichte sehr abweichend; nach einem war Sala ein Kuhhirte, nach einem andern ein Landbauer, nach einem dritten endlich ein Häuptling. Diese verschiedenen Berichte lassen sich in der Weise mit einander ausgleichen, dafs Sâla ein mächtiger Vasall eines nicht näher zu bestimmenden Monarchen des südlichen Dekhans oder Maisurs war, der grofse Ländereien und Heerden besafs und eine günstige Gelegenheit

die Nachrichten von FRANCIS BUCHANAN in seinem A Journey from Madras etc. II, p. 88; III, p. 72, p. 96, p. 112 und p. 474 über die Ballâla; I, p. 139; II, p. 75 und p. 81; III, p. 117 über den berühmtesten Vertreter dieser Dynastie, den Vishnuvardhana. Von den Ballâla hat aufserdem WILSON gehandelt in Mackenzie Collection I, p. CVII flg.

1) WALTER ELLIOT a. a. O. im J. of the R. As. S. IV, p. 23; sieh aufserdem oben I, Beilage I, S. XVI und Mân. dh. c. I, 35.

2) WALTER ELLIOT a. a. O. im J. of the R. As. S. IV, p. 23, Note 1. In der Inschrift von Ailgiri (über dessen Lage sieh oben S. 90, Note 2) lautet die Legende wie folgt: In dem glorreichen Geschlechte Jadu's wurde der berühmte Sâla geboren und residirte in Çasakepa. In einem Garten bei dieser Stadt lebte ein frommer, der Bufse ganz ergebener Mann, der von einem grimmigen Tiger angegriffen wurde. In seiner Bedrängniss wandte er sich an Sâla, dessen Waffe er segnete, und sprach: Sala hoi, d. h.,,Sâla tödte". Da p und h in der Karnata - Sprache mit einander vertanscht werden, lautet der Name entweder Hṛisâla oder Prisâla. Die Erklärung des Namens Ballàla in WILSON's Mackenzie Collection I, p. CVIII aus dem Sanskritworte bala, Kraft, Stärke, wird dadurch unzulässig, dafs dieses Wort in der Dekhanischen Sprache die ursprüngliche Form bewahrt nach R. CARDWELL'S A Comparative Grammar of the Dravidian, or SouthIndian Languages p. 469. Da in andern Wörtern das Sanskritische v durch b, wie z. B. in Bâsava statt Vasava, wiedergegeben wird, könnte man an vella, sich bewegen, gehen, denken; diese Ableitung gewährt jedoch auch keinen passenden Sinn und wird durch die in den Inschriften gesicherte Form Ballâla unmöglich.

ergriff, um sich unabhängig zu machen. Das Andenken an diese sagenhafte That, durch welche Sála sich zuerst bemerklich machte, bekundet die Gestalt eines Helden, der einen Tiger tödtet und über vielen von den Ballála erbauten Tempeln sich findet.

Was die Zeitrechnung betrifft, so gewährt der Umstand, dafs Sala's dritter Nachfolger Ballala den Kâlukja – Monarchen Vikramaditja den Zweiten, mit den Beinamen Kalivikrama, Permadivikrama und Tribhuvanamalla, der von 1076 bis 1126 auf dem Throne seiner Vorfahren safs, angriff, allein von dessen Heerführer Akangideva zurückgeschlagen wurde.')

Die Inschriften der Ballála-Könige tragen die Daten von 991 bis 1235 nach der Aera des Çalivahana oder von 1069 bis 1313. Diese Zahlen lassen sich durch die Thatsache rechtfertigen, dass der letzte Ballâla-König im Jahre 1310 unter der Regierung des Kaisers Ala-eddin von seinen Generalen Mâlik Kâfùr und Khvågeh Higi gefangen und Dvarasamudra eingenommen und zerstört wurde. 2) Wenn dagegen erinnert werden könnte, dafs dadurch jedem Herrscher aus der Familie der Ballala-Dynastie eine Regierung von beinahe dreifsig Jahren zufällt, so erledigt sich dieses Bedenken durch den Umstand, dafs die Verzeichnisse der Ballala-Monarchen keineswegs vollständig sind.3)

Der erste in der Geschichte der Ballála bedeutend auftretende Monarch ist Vishnuvardhana. Er befestigte die Macht seiner Vorfahren, obwohl sein Reich keinen bedeutenden Umfang besals, indem es nur von Ukkangidurga in der Nähe von Harpanhalli im Süden und bis zur Krishna im Norden sich erstreckte.) Er war ein Zeitgenosse des Kalukja Vikramȧditja des Zweiten, von dessen Feldherrn Akangideva er besiegt wurde, wie schon berichtet worden, und von dem er wohl nachher abhängig war, 5) obwohl natürlich in seinen Inschriften dieses Umstandes keine Erwähnung

1) WALTER ELLIOT a. a. O. im J. of the R. As. S. IV, p. 15 und p.. 24. 2) Ferishta bei BRIGGS I, p. 373 und bei Dow I, p. 256.

3) Sieh hierüber unten Beilage IV, III, 1.

4) WALTER ELLIOT a. a. O. im J. of the R. As. S. IV, p. 24. Harpanhalli liegt in der Nähe von Kitradurga, welches nach WALTER HAMILTON'S A Description etc. of Hindostan II, p. 369 14° 4' nördl. Br. und 94° 10' östl. L. von Ferro liegt,

5) Sieh oben S. 125.

geschieht. Die eigentliche Bedeutung dieses Monarchen ist sein Uebertritt von der Lehre der Gaina zu der Sekte der Vaishnava. Ein Beherrscher Kola's, der Karikala oder Krimikhanda genannt wird, verlangte von allen Brahmanen seines Reichs, dafs sie ihren Glauben an die Ueberlegenheit Çiva's über Vishnu öffentlich erklären sollten; Râmânuga verweigerte seine Unterschrift zu dieser Erklärung und, den Zorn des Fürsten fürchtend, entfloh er und fand eine günstige Aufnahme bei Vishnuvardhana, der bis dahin dem Lehrsysteme der Gaina gehuldigt hatte.1) Er war dadurch gegen diese aufgebracht worden, dafs sein dieser Verzweigung der Religion Çakjamuni's angehörender guru. oder Lehrer in den heiligen Dingen es verweigerte, in dem Pallaste des Königs die ihm dargebotene Nahrung anzunehmen, weil dieser einen seiner Finger verloren hatte. Es kam noch hinzu, dass die Königin der Sekte der Vaishnava zugethan war. Rámânuga bewirkte eine grofse Umwälzung in den damaligen religiösen Zuständen des Dekhans, indem er nicht nur eine grofse Anzahl von Anhängern des berühmten Philosophen Sankarakarja, der bekanntlich dem Çivaismus eine weite Verbreitung zu Wege gebracht hatte, überredete, seinen Lehrsätzen beizutreten, sondern auch viele Gaina, deren Lehre bis dahin oberhalb des Ghat das Uebergewicht gehabt hatte, dazu veranlafste, dasselbe zu thun.

Da Râmânuga eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Indischen religiösen Sekten gespielt hat, mögen hier die Hauptereignisse seines vielbewegten Lebens dargestellt werden. 2)

Sein Vater hiefs Keçavakarja; nachdem er einen so grofsen Ruhm gewonnen hatte, wurde er dargestellt als eine Verkörperung des Schlangengottes Çesha. Er war in Perumbur geboren und lag seinen Studien ob in Kanki, der Hauptstadt Kola's.3)

1) WILSON in Mackenzie Collection I, p. CX und FRANCIS BUCHANAN a. a. O. I, p. 139; II, p. 75 und p. 81; III, p. 117 und über Râmânuga ebend. I, p. 143; II, p. 70 flg., p. 80 und p. 101; dann III, p. 413 und p. 469. Von Râmânuga's Lehren handelt WILSON sehr ausführlich in seinem Sketch of the Religious Sects of the Hindus in As. Res. XVI, p. 27 flg. Nach dem Bhargava Upapurâṇa vertrieb er auch einen Brahma-Râxasa, von dem die Tochter Vishnuvardhana's besessen war.

2) WILSON a. a. O. in As. Res. XV1, p. 28 flg.

3) Die erste Stadt liegt nach EDWARD THORNTON'S Gazetteer etc. IV u. d. W. Perrimbire 80 Engl. Meilen S.S.W. von Madras, 12° 23′ nördl. Br. und 97° 48' östl. L. von Ferro.

Die sehr abweichenden Angaben über seine Lebenszeit lassen sich am füglichsten so mit einander vereinigen, dafs Râmânuga am Ende des eilften Jahrhunderts geboren sei und seine Blüthezeit in die erste Hälfte des zwölften falle. In Kânkî trug er sein neues Lehrsystem vor; von hier aus begab er sich nach dem Schreine Criranga's, wie dort Vishnu geheifsen wird; nach dieser Benennung dieses Gottes ist bekanntlich die Stadt Seringapattam benannt worden, wie ihr Name jetzt statt Crirangapattana gewöhnlich lautet; es war die Hauptstadt der spätern Könige von Maisur. Später entzündeten sich heftige Streitigkeiten zwischen den Vaishnava und den Çaiva; der letztern nahm sich der Beherrscher Kola's angelegentlich an; die Folgen dieser Einmischung desselben in diesen Streit sind schon früher berichtet worden. Nach seinem Uebertritte zu dem sampradaja der Vaishnava, mit welchem Worte Sekten bezeichnet werden, nahm der damalige Ballala den Namen Vishnuvardhana, d. h. Vermehrer oder Verherrlicher Vishnu's, an.1) Râmânuga verweilte zwölf Jahre bei dem von seinem Beschützer erbauten Tempel Jadavagiri, wo eine später sehr gefeierte Statue Krishna's aufgestellt wurde. Als er von dem Tode seines Verfolgers, des Königs von Kola, Kunde bekam, kehrte er nach dessen Reiche zurück, WO er den übrigen Theil seiner Zeit mit frommen Uebungen zubrachte.

Râmânuga entwickelte bei seinem Bestreben, seiner Lehre Eingang zu verschaffen, eine ungewöhnliche Thätigkeit. 2) Er soll sieben Hundert matha oder Lehranstalten gegründet haben, von denen in der neuesten Zeit nur noch vier bestanden. Der Sitz des vornehmsten Lehrers war Mailkota. Er gründete ferner

1) Er wird früher Bhittideva, d. h. Gott oder König des Zwiespalts genannt; dieser Name dürfte dem Könige von seinen Widersachern beigelegt worden sein. An dem Berge Jâdavagiri lag die Residenz Vishnuvardhana's; nach FRANCIS BUCHANAN a. a. O. II, p. 75 heifst sie jetzt Tomara; der Name wird erklärt: Stadt des Kuhhirten und ist auf die Sage zu beziehen, dafs die Jadava ein kriegerischer Hirtenstamm waren. Nach ihm lag diese Stadt in der Nähe von Mailkoti, wo ein berühmter Tempel des Krishna bestand. Sie liegt nach EDWARD THORNTON'S Gazetteer etc. III 18 Engl. Meilen nördlich von Crirangapattana, 12° 46′ nördl. Br. und 98° 22′ östl. L. von Ferro. Mailkoți und Mailkoța sind gleichgültige Varianten. 2) WILSON a. a. O. in As. Res. XVI, p. 29 flg.

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vier und siebenzig Guruthümer oder erbliche Aemter der geistlichen Lehrer.

Von der Götterverehrung der Crivaishnava genügt es, zu bemerken, dafs sie Vishnu und seine Göttin Laxmi unter ihren verschiedenen Namen verehren. Das Oberhaupt der Sekte wird feierlich von seinen Anhängern auf den Thron gesetzt. Die Schriften, in denen ihre Grundsätze vorgetragen werden und die als die höchsten Auctoritäten derselben gelten, sind in der heiligen Sprache abgefafst; eine derselben ist das bekannte Lehrbuch der VedantaSchule, der Vedântasâra von Sadânanda Parivrâgaķâkârja.

Die Crivaishnava zeichnen sich durch ihre strenge Beobachtung der Vorschriften und ihre Enthaltsamkeit aus. Sie müssen allein essen und nach dem Bade wollene Kleider anlegen; baumwollene sind verpönt; nur ausnahmsweise werden die Schüler zu den Mahlzeiten der Lehrer zugelassen. Sie übertreiben bis auf die höchste Spitze die Scheu der Inder vor der Verunreinigung der Speisen; wenn ein Fremder sie bei der Zubereitung ihrer Speisen auch nur anblickt, werfen sie die Speisen auf die Erde. Die wichtigste Ceremonie ist die Einweihung durch Mittheilung der mantra oder Gebete vom Lehrer an die Schüler; dieses geschieht durch Flüstern; nur die gehörig vorbereiteten und des vollen Vertrauens der Lehrer würdigen Schüler erfreuen sich dieser Mittheilung. Die Formel lautet: om Râmâja namah, d. h. om! Heil dem Rama! Sie befleifsigen sich unter einander der gröfsten Höflichkeit; wenn sie sich begegnen, begrüfsen sie sich mit den Worten: daso 'smi, „ich bin dein Diener". Vor dem akarja oder dem Lehrer werfen sich die übrigen Mitglieder dieser Sekte auf die Erde. 1) Ihr tilaka oder Stirnzeichen, durch das bekanntlich die Sekten sich von einander unterscheiden, besteht in zwei senkrechten weifsen Linien, die von dem Haare nach jedem Auge gezogen sind; durch eine wagerechte Linie werden sie über der Nase verbunden; in der Mitte findet sich ein rother Strich. Aufserdem tragen die Anhänger Râmânuga's andere Abzeichen, die hier mit Stillschweigen übergangen werden mögen. Der grössten Verehrung haben sich die Sannjâsin oder die in dem vierten und letzten Stadium des Brahmanischen Lebens sich befindenden from

1) Der Ausdruck dafür ist ashṛânga, d. h. acht Glieder. Wahrscheinlich sind die Hände, Füfse, Kniee und Ellbogen zu verstehen.

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