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Ackerbauern

Ackergesetze

Sprache bleibt schwankend und ungeschlacht. Sobald er aber einen festen Wohnfig erwählt und hier die Erde zu bebauen angefangen hat, beherrscht er dieselbe weit mehr, sorgt für die Zukunft durch Sammlung von Vorråthen und von äußerem Vermögen überhaupt, erwirbt immer mehr Kenntnisse und Fertigkeiten, geht in das Bürgerthum ein, civilisirt und humanisirt sich also fortschreitend von einer Bildungsstufe zur andern. Darum ziehen auch die sogenann= ten Physiokraten das Interesse des Ackerbaues jedem andern vor, den Interessen der städtischen Industrie und des Handels, selbst der Kunst und der Wissenschaft. Allein wenn die Gesellschaft sich einmal bis zu diesen Bildungsstufen emporgearbeitet hat, so verlangt fie auch von denen, welche ihre allgemeinen Angelegenheiten leiten, eine gleichmäßige Berücksichtigung aller Socialinteressen. Das phpfiokratische System ist daher ebenso einseitig und schädlich als das Manufactur- und Handelssystem, wenn es mit strenger Consequenz in der Staatswirthschaft durchgeführt wird.

Ackerbauern nennen einige Rechtslehrer alle Landeigenthůmer oder Grundbesißer, und wollen ihnen auch das active Staatsbürgerrecht vorzugsweise zuerkennen, weil sie das Gebiet innehaben, auf welchem der Staat basirt ist. Aber dieses Gebiet gehört der Gesammtheit der Bürger und es ist bloß etwas Zufälliges, daß einige Bürger den Acker bauen, andre nicht, und daß dem zufolge einige einen besondern Antheil am Gebiete zur Bebauung haben. Alle Bürger könnten auch das Gebiet gemeinsam bebauen und den Ertrag unter sich theilen, wo es dann gar keine besondre Landeigenthümer oder Grundbesizer gåbe. Also kann auch nach allgemeinen oder philosophischen Rechtsgrundsägen mit dem Grundbesige nicht das active Staatsbürgerrecht vorzugsweise verknüpft sein. Nur pos sitive Rechtsgesete könnten dieß bestimmen; wodurch aber die vom allgemeinen Rechtsgesete gefoderte Gleichheit der Staatsbürger in Ansehung des Rechts überhaupt aufgehoben würde. S. Recht u. Gleichheit, auch Staat u. Bürger.

Adergefeße (leges agrariae) find Gefeße, die entweder die Vertheilung der Ländereien unter einzele Bürger betreffen, oder auch die Bebauung und Benußung der Ländereien überhaupt. Solche Geseze sind eine schwierige Aufgabe und haben im alten Rom oft große Unruhen herbeigeführt, zum Theile selbst den Untergang der Republik veranlasst. Eine völlig gleiche Vertheilung der Ländereien, worauf es bei den agrarischen Gefeßen vornehmlich abgesehen war, ist gar nicht möglich, weil es dabei nicht bloß auf die Quantität d. h. die mathematische Ausdehnung, sondern auch auf die Qualität d. h. die physische Beschaffenheit der Ländereien, und selbst auf örtliche Verhältnisse (Nähe, Ferne, Nachbarschaft von Städten, Flüssen u.) ankommt. Was aber die Bebauung und Benuzung

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der Ländereien betrifft, so hat darüber die Landwirthschaftswissenschaft das Nähere zu bestimmen, welche ihre Regeln theils aus der unmittelbaren Erfahrung theils aus den Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Naturgeschichte 2c.) schöpfen muß. Die Gesezgebung hat nur dafür zu sorgen, daß die Bebauung und Benußung der Låndereien von den Fesseln befreit werde, welche der feudalistische Despotismus diesem Gewerbszweige in so reichem Maße angelegt hat. Denn sonst helfen alle landwirthschaftlichen Regeln wenig oder nichts. Die besten Ackergeseze werden also diejenigen sein, welche die Freiheit der landwirthschaftlichen Betriebsamkeit und des Verkehrs mit deren Erzeugnissen am kräftigsten befördern. Man nennt übrigens diesen Theil der Gesetzgebung auch Agronomie (von aygos, der Acker, und voμos, das Gesez). Da indessen das W. Agronom auch einen Landmann oder Landwirth bedeutet, so kann Agronomie auch die Landwirthschaft selbst bezeichnen.

Acontius (Jac.) geb. zu Trident, ein Philolog des 16. Jh., der für die Gesch. d. Philos. nur insoferne merkwürdig ist, als er durch seine Angriffe auf die Scholastik eine bessere Art zu philosophiren vorbereiten half. S. Desf. Methodus s. recta investigandarum tradendarumque artium ac scientiarum ratio. Basel, 1558. 8. Er starb 1566,

Act oder Actus (von agere, thun, handeln) bedeutet bald eine einzele Thätigkeit oder Handlung, z. B. Verstandesact, Willensact, bald einen Haupttheil eines dramatischen Werkes oder der ganzen Handlung, welche durch ein solches Werk zur Anschauung gebracht werden soll. Ein solcher Act heißt daher auch ein Aufjug, weil der Vorhang aufgezogen wird, wenn der Act beginnen sell; was auch im Verlaufe des Stücks geschehen muß, wenn es aus mehren Acten besteht und wenn der Vorhang beim Schluffe jedes Actes niedergelassen wird (was jedoch nicht überall geschieht). Die kleineren Abschnitte aber, in welche die Acte wieder zerfallen, heißen Scenen oder Auftritte, weil dann ein neuer Theilneh mer an der Handlung sich auf der Bühne zeigt oder ein bisheriger von derselben abgeht. Alle Theilnehmer an der Handlung heißen daher agirende Personen (Acteurs und Actricen). Dahin würden allerdings auch Thiere zu rechnen sein, wenn sie in die Handlung selbst einwirkten, wie der berühmte Hund des Aubry. Ob aber eine solche Einmischung der Thiere, wobei doch nur die geschickte Abrichtung oder Dressur derselben zu bewundern, in die vernünftige und freie Menschenwelt, die auf der Bühne dargestellt werden soll, der Kunst erlaubt sei, dürfte mit Recht bezweifelt werden. Wird in der Mehrzahl nicht Acte, sonbern Acten gesagt, so erhält das Wort die Bedeutung von Schriften über eine Berhandlung, die dann auch als Documente oder Beweismittel

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Action

Activitåt

gebraucht werden können. Ebenso verändert sich die Bedeutung wenn in der Einzahl nicht Act, sondern Acte gesezt wird, wo sich dann auch das Geschlecht verändert, der Act, die Acte. Lezteres bedeutet dann ebenfalls eine Schrift über eine Verhandlung, wie die Bundesacte; und daher kommt wohl auch die Form der Mehrzahl: Acten.

Action (vom vorigen) bedeutet eigentlich eben soviel als Act (actio= actus). Doch wird es auch in gewissen Beziehungen gebraucht, wo der leste Ausdruck nicht stattfindet. So sest man der Action die Passion entgegen, wo jenes das Thun, dieses das Leiden bezeichnet. Wenn man aber der Action die Reaction entgegensest, so bedeutet jenes die Wirkung, dieses die Gegenwirkung. In der gerichtlichen Welt bedeutet Action soviel als Klage oder Foderung an Andre als Rechtsanspruch gegen dieselben. In der kaufmännischen Welt aber, die sich das W. Handeln in einem ganz eigenthümlichen Sinne angeeignet hat, bedeutet Action, wofür man abgekürzt lieber Actie sagt, auch einen Antheil an einem Handelsgeschäft oder jedem andern Unternehmen, wobei es auf gemeinsamen Gewinn wie auf gemeinsame Kosten abgesehen ist. In der Kunstwelt endlich bedeutet Action den Vortrag des Redners und des Schauspielers, so daß im weitern Sinne sowohl die Aussprache (pronuntiatio) als die Geberdung (gesticulatio) im engern aber bloß die lettere verstanden wird, weil diese den Künstler noch activer als jene erscheinen lässt. Besonders ist dieß der Fall beim Schauspieler, weil dessen Geberdung lebendiger und mannigfaltiger ist, als die des Redners, der in's Theatralische fallen, mithin fehlerhaft agiren oder gesticuliren würde, wenn er es dem Schauspieler hierin gleichthun wollte. Der Grund davon aber liegt darin, daß der Redner ein tonischer, der Schauspieler ein mimischer Künstler ist. S. tonische und mimische Kunst.

Activität und Passivität (von agere, thun, und pati, Leiden). Diese beiden Ausdrücke, welche man im Deutschen durch Thätigkeit und Leidentlichkeit geben könnte, beziehen sich auf das Wechselverhältniß solcher Dinge, die gegenseitig auf einander wirken, folglich zugleich etwas thun und etwas leiden. Denn wiefern A auf B wirkt, thut es etwas; wiefern aber B auf A zu rückwirkt, leidet es auch etwas. Da nun alle Dinge in der Welt in einer beständigen Wechselwirkung stehen, so sind sie auch bestándig activ und passiv zugleich. Es giebt daher keine reine oder bloße Activität und Passivität in der Natur; vielmehr ist jede Activität wegen der Beschränkung der einen Wirkung durch die andre als Gegenwirkung mit einer gewissen Passivität verbunden, und diese ist eben nichts andres als die Beschränktheit von jener. Nur Gott kann und muß als rein actives, also auch gar nicht passives Wesen

Actualität

Adam

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gedacht werden, weil seine Wirksamkeit keiner Beschränkung unters liegt. Ebendarum ist aber auch dieselbe für uns unbegreiflich. S. Gott. Die Bedeutung von activ und passiv im Rechnungswefen (activa=Fodrungen an Andre, passiva Fodrungen Undrer an uns, also Schulden) gehört nicht hieher, ist aber aus dem Borigen leicht abzuleiten. Ebenso die grammatische Bedeutung, vermöge der man die Zeitwörter (verba) in activa und passiva eintheilt, je nachdem sie durch ihre Form ein Thun oder ein Leiden bezeichnen.

Actualität ist Wirklichkeit, weil diese sich immer durch irgend ein Wirken (actu quodam) ankündigen muß. Darum heißt actu oder actualiter esse soviel als wirklich sein, hingegen potentia oder potentialiter esse soviel als möglich sein. Insoferne steht der Actualitat auch die Potentialitát (Möglichkeit) entgegen.

Ad hominem (xar' avownov) beweisen heißt den Beweis so führen, daß er nur für diesen oder jenen Menschen gilt. Ihm steht der Beweis ad veritatem (xar' aλnear) entgegen, der allgemeine Beweiskraft hat. S. beweisen.

Adimpossibilia nemo obligatur zum Unmöglichen ist Niemand verpflichtet. Der Grund dieser moralischen Regel ist, daß das Sollen immer das Können vorausseßt. Wo diese Bedingung fehlt, fällt auch die Pflicht weg. Doch muß die Unmöglichfrit dargethan werden, wenn sie nicht von selbst einleuchtet, da die Menschen ihr Nichtwollen oft durch ihr angebliches Nichtkönnen zu entschuldigen suchen.

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Ad turpia nemo obligatur zum Schändlichen ist Niemand verpflichtet. Diese Regel hangt mit der vorigen zusammen. Denn das Schändliche ist zwar nicht physisch, aber moralisch unmöglich d. h. verboten. Die Vernunft würde sich also in ihrer Gesetzgebung selbst widersprechen, wenn sie das Schändliche als ein Verbotenes zur Pflicht machen d. h. gebieten wollte. Darum gilt auch kein schändlicher Bertrag. S. d, W.

Ad veritatem f. ad hominem.

Adam, der hebräische Name des ersten Menschen, bedeutend einen Erdgebornen. Dieser erste Mensch ist aber mehr eine mythische als eine historische Person. Denn ob es gleich einen oder zwei oder auch mehre Menschen gegeben haben muß, mit welchen das Dasein des Menschengeschlechtes begann: so trágt doch das, was von jenem Adam und seiner Gattin Eva in der Genesis erzählt wird, zu offenbar das Gepräge eines Mythos an sich, als daß es für wirkliche Geschichte gehalten werden dürfte. Noch weniger aber ist man berechtigt, von einer adamitischen Philosophie zu sprechen, da nach dem Ursprunge des Menschengeschlechts gewiß nicht bloß Jahrhunderte, sondern Jahrtausende vergingen, ehe der mensch

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liche Geist diejenige Bildungsstufe erreichte, auf welcher das Philosophiren beginnt. Dieses sest schon höhere geistige Bedürfnisse, eine gebildete Sprache, ein bürgerliches Leben und eine Menge technischer Fertigkeiten voraus zu welchem allen viel Zeit gehört. Daß man auf die Idee einer adamitischen Philosophie gerieth, kam bloß daher, daß man meinte, dem ersten Menschen seien alle mögliche Vollkommenheiten von Gott anerschaffen worden; darum sei er auch der weiseste Mensch, folglich ein Philosoph gewesen. Dem widerspricht aber jener Mythos selbst, wenn er historisch genommen wird. Denn es zeigt sich in den Reden und Handlungen, die daselbst dém ersten Menschen beigelegt werden, auch nicht die geringste Spur von einer philosophischen Reflexion, und sein angebliches Benehmen im Paradiese ist so thörig, daß man ihm auch in anderer Beziehung keine hohe Weisheit zutrauen kann. Die adamitische Philo= sophie muß daher als ein Unding aus der Geschichte der Philoz sophie ganz verwiesen werden. Wie es aber mit der pråadamitischen stehe, f. Práadamiten. - Wenn in der kabbalistischen Philosophie von Adam- Kadmon oder dem Urmenschen, dem erstgebornen Sohne der Gottheit die Rede ist: so versteht man darunter nicht jenen angeblichen Stammvater des Menschengeschlechts, fondern die erste Einanation Gottes oder den zuerst aus der Gottheit hervorgegangenen Grundquell der Dinge, aus welchem die übris gen Dinge dann weiter emanirten. S. Kabbalistik und Isaac Ben Abraham.

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Adáquat (von aequus, gleich) ist angemessen. S. d. W. Adel kommt her entweder von dem altdeutschen Od=Gut, oder von dem altdeutschen Atte=Geschlecht, oder von athal, auch adh al, welches in der Sprache der Angeln, Friesen und Langobarden soviel als ausgezeichnet, vortrefflich bedeutet haben foll. Welche Ableitung man nun auch annehme, so ist der allge= meine Begriff vom Adel immer der, daß man dabei an einen ge= wissen Vorzug des einen Menschen vor dem andern denkt. Dieser Vorzug sollte eigentlich moralisch sein, wieferne das Edle etwas Sittlichgutes bezeichnet weshalb man auch von einem Adel der Gesinnung spricht und diesen vorzugsweise Seelen- oder Geis stesadel nennt man hat aber das Wort auch auf physische und politische Vorzüge übergetragen. Werden diese Vorzüge als etwas Angestammtes und Ererbtes betrachtet, so heißt der Adel Erb, oder Geburtsadel; werden sie aber als etwas Erworbnes oder Verdientes betrachtet, so heißt er Verdienstadel. Daß es nun solche Vorzüge gebe, daß sich ein Mensch sowohl durch angeborne als durch erworbne Trefflichkeiten vor vielen andern auszeichnen könne, leidet gar keinen Zweifel. Die rechts-philosophische Streitfrage wegen des Adels betrifft daher nicht jene Vorzüge selbst, sondern

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